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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 10.1905

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Nr. 8
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Frobenius, Hermann: Künstliche Kunst-Metamorphosen
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https://doi.org/10.11588/diglit.26235#0091

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KÜNSTLICHE KUNST-METAMORPHOSEN.

auch einst gesagt, man lerne am meisten von
ihnen, ließ man möglichst in aller Stille in der
Versenkung verschwinden. München und Ber-
lin, vorher in Fehde, versöhnten sich plötzlich,
denn allerlei Strömungen waren in Fluß ge-
raten, die, urdeutsch, in die Reproduktions-
theoreme der Modernen nicht hineinpassen
wollten und für die Herrschsucht jener bereits
ein allzu breites Bett sich gegraben hatten.

Man faßte also die Zügel von neuem mit
fester Hand. Jetzt wurde Feuerbach zum großen
Mann gemacht, und zwar lediglich deshalb, weil
er einmal begeistert in Paris studiert hatte.
Marees fand lächerlicherweise Anerkennung,
trotzdem er gerade an jenem Kompromiß direkt
zugrunde gegangen war, den Herr Meier-Gräfe
dem Böcklin anheften wollte, um ihm auf
dieser Basis das Künstlertum abzusprechen, dem
Kompromiß zwischen malerischer und zeich-
nerisch-monumentaler Auffassung. Man spricht
wieder von Puvis de Chavannes, und Hodler,
auf den dieser hingewiesen, ist natürlich auch
bei uns schnell der große Mann. Mit dem Ge-
sagten will ich selbstverständlich nicht Hodler
treffen, sondern die Art charakterisieren, wie
überhaupt und aus welchem Grunde berühmte
Leute bei uns geschaffen werden.

Berlin und München also versöhnten sich.
Wie gesagt: „die großen Franzosen“, das wurde
das Schlagwort.

In München hat man leider stets viel zu viel
Rücksicht auf das genommen, was in Berlin
gesagt wurde, so viel Rücksicht, daß man sich

in Berlin selbst wunderte und dort der Kamm
schwoll. Man nahm zuerst das Wort vom
„Rückgang der Münchener Kunst“ wirklich ernst
und man nahm dann sogar das Opus von
Julius Meier-Gräfe, „der Fall Böcklin“, für voll
und beeilte sich immer mehr, nach der neuen
Berliner Stimmgabel die eigne gute alte Geige
umzustimmen. Denn Berlin durfte doch bei
Gott keinen Vorsprung haben im „modernen
Aufschwung“, man mußte sich also gewaltig
beeilen hinterherzukommen. Als wenn man
nicht zur Genüge gehört hätte, daß jene Berliner
Franzoselei das Geschäftsprinzip eines Händlers
ist, auf die Ausländerei der Deutschen basiert,
die lieber einen Franzosen für iooooo Mark,
als einen guten aber unbekannten jungen Deut-
schen für 1000 Mark kaufen will. So wenig-
stens verkündet das allgemeine Gerücht, das
zu ersticken es mehr als einiger Worte be-
dürfen wird. Ein solches Gebaren würde aller-
dings in nicht gerade patriotischer Weise ideell
und materiell die deutsche Kunst bedeutend
schädigen.

München soll sich ein Beispiel an den
kernigen Schweizern nehmen. Anstatt vor
jedem neuesten Götzen der Reproduktionskunst
wieder und wieder auf den Knien zu liegen,
statt sich zu bemühen, Adolph Menzel etwas
abgewinnen zu wollen, was dem Süddeutschen
gänzlich fern liegt, jene trockene, pedantische und
humorlose Engherzigkeit, sollten die Münchener
sich auf sich selbst besinnen. Es wurde
zwar der Versuch gemacht, ihnen Liebermanns

VIII

Karl Buchholz. Aus der goldenen Au.

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