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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 10.1905

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Nr. 8
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Schäfer, Wilhelm: Böcklin und Thoma in Heidelberg
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https://doi.org/10.11588/diglit.26235#0093

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Adolf Lier. Am Wehr.

BÖCKLIN UND THOMA IN

HEIDELBERG. Von W. Schäfer.

Es gab in der „Frankfurter Zeitung“ ein kleines
Lustspiel: Max Liebermann, der neugekrönte
König der deutschen Kunst, nahm die Vorlesungen
Thodes übel auf und ging mehr aus seiner Haut,
als die vertragen konnte; denn kein Geringerer
als Hans Thoma antwortete ihm, und zwar so,
daß wir es Liebermann noch lange danken wollen.
Vielleicht noch niemals ist so kristallklar über
deutsche Kunst gesprochen worden. Danach
gab es für Liebermann nur noch einen strammen
Rückzug; und als zum Schluß der „intellektuelle“
Urheber der „Affäre“, Meier-Gräfe, sich ganz
bescheiden äußerte, gab ihm die „Frankfurter
Zeitung“, die sonst doch so sehr für temperament-
volle Äußerungen ist und den gröbsten Ton mit
Liebermann selbst angefangen hatte, in einer
redaktionellen Bemerkung einen argen Rüffel mit.

In dem ziemlich kleinlauten „Schlußwort“
Liebermanns aber guckte dem klugen Mann ganz
unversehens der Teufelsfuß heraus: „Für mich
gibt es gute und schlechte Kunst; ihm (Thode)
ersetzt das, was er für Gemüt hält, nur zu oft
das mangelnde Können.“ Ist man im Zweifel,

wer gemeint ist? Julius Meier-Gräfe und Max
Harden hüten sich weniger, den Namen Thoma
auszusprechen.

Aber offen oder versteckt; es ist die gleiche
Taschenspielerei; denn wer zweifelt, daß in der
Kunst das Können und nicht das Gemüt ent-
scheidet? Und daß auf solche Weise Thoma
nur das Gemüt, Liebermann aber das Können
zugesprochen wird.

Nun war in der Heidelberger Ausstellung
eine Landschaft des „alternden“ Thoma zu sehen
aus dem Jahre 1904; „Blick ins Lauterbrunnen-
tal“. Und da möchte ich — nicht unbekannt
mit dem Können Liebermanns — ihn wohl
fragen: ob er sich getraue, solch ein Ding zu
malen. Wohlgemerkt, dies hat nichts mit dem
Gemüt zu tun: es ist rein das malerische Problem,
einen Blick in die Schründe, Gipfel und Nebel-
wolken eines Hochgebirgtals zu bewältigen. Die
Briefe Liebermanns kamen aus Pontresina. Da
hat er Anschauungen genug, ob ers versucht?
Er wird sich hüten, der kluge Mann, der seine
Grenzen kennt seit Simson und Delila. Er wird
sagen: dies hab ich nicht gelernt, und wird stolz
sein, daß er in der Beschränkung doch ein
Meister ist. Das Genie aber herrscht un-
beschränkt; und es waren mehr Bilder in der

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