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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 10.1905

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Nr. 8
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Schäfer, Wilhelm: Ein neues Denkmal von Ludwig Habich
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https://doi.org/10.11588/diglit.26235#0102

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Ludwig Habich. Gottfried Schwab-Denkmal in Darmstadt.

Ein neues denkmal

VON LUDWIG HABICH.

Man erzählt, dem Rodin sei die Statue seiner
Eva in der Oberfläche zu unlebendig gewesen;
so habe er durch aufgepappte Patzen die aus-
gebildete Form zerstört und dadurch jene eigen-
tümliche Wirkung gewonnen, die, prinzipiell
entwickelt, den Impressionismus der modernen
Plastik in Ruf gebracht habe. Ob wahr oder
nicht, weist diese Erzählung doch reizend auf
die letzte Schwierigkeit der Plastik wie aller
Kunst: in der Ausbildung die Frische der
Skizze zu bewahren.

Es sind in der modernen Plastik zwei Wege
gebräuchlich, an dieser Schwierigkeit vorbei-
zukommen. Den einen zeigt der sogenannte
Impressionismus: er beschränkt sich auf die
Richtigkeit einiger Andeutungen und überläßt
die Vollendung dem Auge des Beschauers.
Obwohl dem eigentlichen Vater dieser Be-
quemlichkeit, Auguste Rodin, schwerlich wie
seinen Nachahmern vorgeworfen werden kann,
daß er aus der Not eine Tugend mache — hat
er doch genug gezeigt, daß er in jedem einzelnen
Fall der schönsten Vollendung mächtig wäre —,
so läßt sich doch der prinzipielle Mangel
der impressionistischen Plastik auch bei ihm
nicht leugnen. Seine Bürger von Calais sind
im geschlossenen Raum von großem künst-
lerischem Reiz, während sie als plastische
Gruppe im Freien völlig auseinanderfallen sollen.

Es scheint, daß sich hier zweierlei rächt: einmal
das Atelierlicht, das gegenüber dem allseitig
flutenden Himmelslicht trügerische Eigenschaften
zeigt. Es war — von den Kaiserdenkmälern
und einigen Brunnen abgesehen -— bei der
modernen Plastik selten, daß sie unter den freien
Himmel kam. So blieb sie Atelier- und Aus-
stellungsplastik; und den Bildhauern ging die
Tradition, die Methode der freien Plastik ver-
loren. Zum andern aber rächte sich der Ton;
das Material der vorbereitenden Skizze, grund-
verschieden vom Guß und Stein, war fast das
einzige Mittel geworden, dessen die Künstler noch
mächtig waren. So ist es gar kein so harm-
loser Witz, daß Impressionismus in der Plastik
auf deutsch Tonkneterei heiße.

Von einem deutschen Bildhauer, Adolf Hilde-
brand, kommt der andere Ausweg her, der, dem
Impressionismus entgegengesetzt, gleich ihm
da abbiegt, wo die künstlerische Schwierig-
keit beginnt: wir wollen ihn Stilismus nennen.
Er hat in München eine achtbare Schule, und
wer irgendwie in den letzten Ausstellungen
deren Werke sah, wird nicht im Zweifel sein,
daß dieser Ausweg sympathischer, weil material-
gerechter ist. Er poliert Stein und Bronze zu
glatten Flächen, schneidet die Oberfläche wie
mit einem breiten Messer, und ist stolz auf die
scharfe langgezogene Schnittkante. Obwohl ge-
fälliger als der Impressionismus, ist er gleich
ihm im letzten Grunde eine Faulheit; und es
ist wohl zu glauben, daß Adolf Hildebrand, auf
den diese Schule als Anreger zurückblickt, sich

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