ÜBER IMPRESSIONISMUS UND ANDERE KUNSTFRAGEN.
geübter Schriftsteller ist, der die Sache an der
Schnur hat, so braucht man oft gar verzwickte
Umwege, um zu der Sache zu kommen, die
man eigentlich sagen wollte, und die oft ganz
kurz abzumachen wäre. Aber endlich muli es
doch herauskommen, wie der Hase läuft.
Die kurze Sache ist nun die, daß ich die
Einrichtung des Verbandes der Kunstfreunde in
den Ländern am Rhein deshalb für besser halte
als bloße Künstlervereinigungen, wie sie jetzt so
vielfac'n aus dem Boden gewachsen sind, weil
derselbe es betont, daß er eine Vereinigung von
Kunstfreunden sein will, die den Willen haben
mit Künstlern zusammen die Kunst zu pflegen,
und daß hierdurch dem aus Theorien wachsen-
den Egoismus ein wenig die Spitze genommen ist.
Kunstfreunde, Beschauer sollen hier ihren voll-
berechtigten Mitanteil haben an der Pflege der
Kunst und auch an ihrer Weiterentwicklung
Nicht nur Künstler und Berufskunstrichter sollen
den Boden der Kunst, auf dem sie sich gesund
entwickeln kann, pflegen, sondern auch Kunst-
freunde, Liebhaber, die Bilder gern sehen, ja
sie sogar oft kaufen müssen, sollen hier auch
mitreden dürfen.
In einer der ersten Sitzungen des Verbandes
kam es zum Ausdruck, daß wohl auch die
Künstler als Kunstfreunde zu betrachten sein
dürften und daß der Titel richtig gewählt ist,
wenn auch den Künstlern eine große Bevor-
zugung in der Leitung des Verbandes zu-
gestanden ist. Sie haben hier als Kunstfreunde
mitzuwirken und können dabei gar oft in die
schöne Lage kommen, sich selbst zu vergessen.
Daß dieser Verband „in den Ländern am
Rhein“ sich gründete, ist auch sehr schön —
er steht auf dem Boden alten Kulturlandes —,
und die Kunst hat auf diesem Boden von jeher
geblüht, von der Schweiz her bis hinunter nach
Holland. Wo guter Boden ist, kann auch gute
Frucht gedeihen; wenn guter Wille Gärtner
ist, so ist guter Rheinv/ein zu hoflen, und die
Blume deutscher Romantik, die am Rheine
trotz aller Schorn-
steine und Fracht-
wagen noch nicht
aufgehört hat zu
duften, vermag
unserer Kunst im-
mer noch Würze
zu geben.
Der Verband
unterscheidet sich
auch von den
früheren Kunst-
vereinen, in denen
kaum Künstler mit-
zusprechen hatten,
sondern nur die
Beschauer — den
Kunstvereinen, die
erst in der neueren
Zeit sich aufraffen mußten, wenn sie nicht
in ihrer Philistrosität ersticken wollten. Hier
war einst bei dem Beschauertum ein Kunst-
dünkel schlimmster Art herangewachsen, eine
Unduldsamkeit, wie sie aus der Beschränktheit
heraus sich zu entwickeln pflegt. Bei den un-
schuldigsten und oft recht guten Bildern trat die
sittliche Entrüstung des „gesunden Menschen-
verstandes“ des Kunstphilisters hervor. Denn
es ist ein Kennzeichen des Philisters, daß er es
nicht begreift, daß es Dinge geben kann, die er
nicht begreift.
Die Kunstvereine sind jetzt ganz anders ge-
worden, und die Zeiten, von denen ich rede,
liegen gewiß beinahe schon in historischer Zeit;
sogar das Sonntagvormittags-Publikum scheint
etwas mehr Achtung vor der Kunst zu haben,
als es in diesen alten Zeiten der Fall war in
Karlsruhe, München und Frankfurt und wohl
auch in anderen Städten. In einer dieser
Städte gab immer ein alter Leithammel, ein
Kunstdilettant und Urphilister am Sonntag-
morgen die Losung aus, was für ein Urteil zu
fällen sei, und das Publikum drängte sich um
ihn. Jetzt sieht doch jeder Beschauer wieder
mit eignen Augen, und er hat den Mut, zu sagen,
das geiällt mir und das geiällt mir nicht. Er
wartet nicht erst die Zeitungskritik ab und ver-
bittet sich alle Leithämmel; er schämt sich gar
nicht mehr darüber, wenn ihm etwas gefallen
hat, von dem er nachträglich hören muß, daß
es nichts Gutes sei. Jetzt sagt der Beschauer:
Ich will meine Freude haben, und wenn ich die
haben kann, so urteilt nur darauf los, mich stört
das nicht mehr.
Nun zum Schlusse spreche ich die Hoffnung
aus, daß es immer mehr Kunstfreunde, warm-
herzige Liebhaber geben möge in unserm
Deutschland und jetzt insbesondere in den Län-
dern am Rhein. Künstler gibt es genug, Kunst-
erzieher auch, und an Kunstrichtern mangelts
gar nicht. Letzteren erlaube ich mir noch zu
sagen, nur wer die Kunst herzlich lieb hat, ist
berechtigt, Kunst-
richter zu sein.
Kunstliebhaber
müßte eigentlich
jeder Mensch sein;
es gehört zum
Menschen, und bei
Kindern ist der
Trieb zur Kunst
noch gar deutlich
wahrzunehmen.
Wir Menschen
haben so vieles
mit den Tieren
gemein, und ein
großer Deutscher
hat gesagt: „Die
Kunst, o Mensch,
hast du allein!“
Erste Ausstellung der Münchener
Vereinigung für angewandte Kunst.
Peter Birkenholz. Brunnentempel.
geübter Schriftsteller ist, der die Sache an der
Schnur hat, so braucht man oft gar verzwickte
Umwege, um zu der Sache zu kommen, die
man eigentlich sagen wollte, und die oft ganz
kurz abzumachen wäre. Aber endlich muli es
doch herauskommen, wie der Hase läuft.
Die kurze Sache ist nun die, daß ich die
Einrichtung des Verbandes der Kunstfreunde in
den Ländern am Rhein deshalb für besser halte
als bloße Künstlervereinigungen, wie sie jetzt so
vielfac'n aus dem Boden gewachsen sind, weil
derselbe es betont, daß er eine Vereinigung von
Kunstfreunden sein will, die den Willen haben
mit Künstlern zusammen die Kunst zu pflegen,
und daß hierdurch dem aus Theorien wachsen-
den Egoismus ein wenig die Spitze genommen ist.
Kunstfreunde, Beschauer sollen hier ihren voll-
berechtigten Mitanteil haben an der Pflege der
Kunst und auch an ihrer Weiterentwicklung
Nicht nur Künstler und Berufskunstrichter sollen
den Boden der Kunst, auf dem sie sich gesund
entwickeln kann, pflegen, sondern auch Kunst-
freunde, Liebhaber, die Bilder gern sehen, ja
sie sogar oft kaufen müssen, sollen hier auch
mitreden dürfen.
In einer der ersten Sitzungen des Verbandes
kam es zum Ausdruck, daß wohl auch die
Künstler als Kunstfreunde zu betrachten sein
dürften und daß der Titel richtig gewählt ist,
wenn auch den Künstlern eine große Bevor-
zugung in der Leitung des Verbandes zu-
gestanden ist. Sie haben hier als Kunstfreunde
mitzuwirken und können dabei gar oft in die
schöne Lage kommen, sich selbst zu vergessen.
Daß dieser Verband „in den Ländern am
Rhein“ sich gründete, ist auch sehr schön —
er steht auf dem Boden alten Kulturlandes —,
und die Kunst hat auf diesem Boden von jeher
geblüht, von der Schweiz her bis hinunter nach
Holland. Wo guter Boden ist, kann auch gute
Frucht gedeihen; wenn guter Wille Gärtner
ist, so ist guter Rheinv/ein zu hoflen, und die
Blume deutscher Romantik, die am Rheine
trotz aller Schorn-
steine und Fracht-
wagen noch nicht
aufgehört hat zu
duften, vermag
unserer Kunst im-
mer noch Würze
zu geben.
Der Verband
unterscheidet sich
auch von den
früheren Kunst-
vereinen, in denen
kaum Künstler mit-
zusprechen hatten,
sondern nur die
Beschauer — den
Kunstvereinen, die
erst in der neueren
Zeit sich aufraffen mußten, wenn sie nicht
in ihrer Philistrosität ersticken wollten. Hier
war einst bei dem Beschauertum ein Kunst-
dünkel schlimmster Art herangewachsen, eine
Unduldsamkeit, wie sie aus der Beschränktheit
heraus sich zu entwickeln pflegt. Bei den un-
schuldigsten und oft recht guten Bildern trat die
sittliche Entrüstung des „gesunden Menschen-
verstandes“ des Kunstphilisters hervor. Denn
es ist ein Kennzeichen des Philisters, daß er es
nicht begreift, daß es Dinge geben kann, die er
nicht begreift.
Die Kunstvereine sind jetzt ganz anders ge-
worden, und die Zeiten, von denen ich rede,
liegen gewiß beinahe schon in historischer Zeit;
sogar das Sonntagvormittags-Publikum scheint
etwas mehr Achtung vor der Kunst zu haben,
als es in diesen alten Zeiten der Fall war in
Karlsruhe, München und Frankfurt und wohl
auch in anderen Städten. In einer dieser
Städte gab immer ein alter Leithammel, ein
Kunstdilettant und Urphilister am Sonntag-
morgen die Losung aus, was für ein Urteil zu
fällen sei, und das Publikum drängte sich um
ihn. Jetzt sieht doch jeder Beschauer wieder
mit eignen Augen, und er hat den Mut, zu sagen,
das geiällt mir und das geiällt mir nicht. Er
wartet nicht erst die Zeitungskritik ab und ver-
bittet sich alle Leithämmel; er schämt sich gar
nicht mehr darüber, wenn ihm etwas gefallen
hat, von dem er nachträglich hören muß, daß
es nichts Gutes sei. Jetzt sagt der Beschauer:
Ich will meine Freude haben, und wenn ich die
haben kann, so urteilt nur darauf los, mich stört
das nicht mehr.
Nun zum Schlusse spreche ich die Hoffnung
aus, daß es immer mehr Kunstfreunde, warm-
herzige Liebhaber geben möge in unserm
Deutschland und jetzt insbesondere in den Län-
dern am Rhein. Künstler gibt es genug, Kunst-
erzieher auch, und an Kunstrichtern mangelts
gar nicht. Letzteren erlaube ich mir noch zu
sagen, nur wer die Kunst herzlich lieb hat, ist
berechtigt, Kunst-
richter zu sein.
Kunstliebhaber
müßte eigentlich
jeder Mensch sein;
es gehört zum
Menschen, und bei
Kindern ist der
Trieb zur Kunst
noch gar deutlich
wahrzunehmen.
Wir Menschen
haben so vieles
mit den Tieren
gemein, und ein
großer Deutscher
hat gesagt: „Die
Kunst, o Mensch,
hast du allein!“
Erste Ausstellung der Münchener
Vereinigung für angewandte Kunst.
Peter Birkenholz. Brunnentempel.