Erste Ausstellung der Münchener Bruno Paul. Speisezimmer.
Vereinigung für angewandte Kunst.
zu empfinden? Wohl sieht man Einzelheiten —
auch neben den tadellosen Scharffeuerplatten
von Scharvogel — in denen sich eine lebendige
Beziehung zu unserer Welt der elektrischen
Wagen und Nernstlampen verrät, die meisten
Räume aber umsäuseln uns mit einer theater-
haft aufgemachten Empire- und Biedermeier-
stimmung, in der die selbständigen Raumfül-
lungen rettungslos versinken. Aus allen Ecken
kriecht die „überwundene“ Stilarchitektur her-
vor; am schlimmsten in dem Garten, der mit-
samt einem armseligen Friedhof dem Leumund
Münchens zuliebe geschlossen werden müßte.
Mancher, der hilflos zwischen dem Lattenwerk
der Wände und den weißen jämmerlichen
Lattenbänken umherirrte, wird sich an die
Farbengärten Olbrichs auf der Gartenbau-Aus-
stellung in Darmstadt wie an himmlische Wun-
der erinnert haben. Sollten wirklich nur die
mangelnden Groschen diese Armseligkeit ver-
schuldet haben? Ich glaube nicht, daß die
Verhältnisse in Darmstadt so viel günstiger
waren, aber dort stand ein künstlerischer Wille,
der etwas Neues, Unerhörtes schaffen wollte,
während in München der Geist der Heimat-
kunst aus den neuen Vorstadtstraßen nun auch
in die Vereinigung für angewandte Kunst hinein-
gekrochen scheint: der letzte Sieg der Stil-
architektur.
Obwohl die guten Leistungen Einzelner in
diesem Zusammenbruch kaum anders als ver-
biHernd wirken, indem sie an den starken Drang
nun vergangener Jahre erinnern, wäre es doch
unrecht, sie hier nicht zu nennen: Da ist als
Raumbildner vor allem Bruno Paul mit seinem
Speisezimmer und mehr noch dem Musiksaal:
hier mag das Auge ruhig prüfen; da ist Ordnung
und Sachlichkeit, Logik und Geschmack und
darum Harmonie, aus dem Raum wie aus jedem
Möbel sprechend. Freilich nur dies: an eigent-
licher Erfindungskraft muß er hinter Pankok
zurückstehen, dessen Damenzimmer — obwohl
schon älter — in dieser Ausstellung das An-
regendste ist. Vor allem in der Deckenauf-
teilung, die als Konstruktion wie an fast ver-
schwendeter Teilarbeit ihresgleichen sucht.
Man gibt im übrigen ruhig zu, daß die
dünnen, wie mit verronnenem Lack beklebten
Streber an seinem Tisch, seine wie mit Tier-
beinen um sich greifenden Stühle gegenüber
der logischen Festigkeit der Bruno Paulschen
Möbel wie Spielerei wirken; aber man ist auch
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Vereinigung für angewandte Kunst.
zu empfinden? Wohl sieht man Einzelheiten —
auch neben den tadellosen Scharffeuerplatten
von Scharvogel — in denen sich eine lebendige
Beziehung zu unserer Welt der elektrischen
Wagen und Nernstlampen verrät, die meisten
Räume aber umsäuseln uns mit einer theater-
haft aufgemachten Empire- und Biedermeier-
stimmung, in der die selbständigen Raumfül-
lungen rettungslos versinken. Aus allen Ecken
kriecht die „überwundene“ Stilarchitektur her-
vor; am schlimmsten in dem Garten, der mit-
samt einem armseligen Friedhof dem Leumund
Münchens zuliebe geschlossen werden müßte.
Mancher, der hilflos zwischen dem Lattenwerk
der Wände und den weißen jämmerlichen
Lattenbänken umherirrte, wird sich an die
Farbengärten Olbrichs auf der Gartenbau-Aus-
stellung in Darmstadt wie an himmlische Wun-
der erinnert haben. Sollten wirklich nur die
mangelnden Groschen diese Armseligkeit ver-
schuldet haben? Ich glaube nicht, daß die
Verhältnisse in Darmstadt so viel günstiger
waren, aber dort stand ein künstlerischer Wille,
der etwas Neues, Unerhörtes schaffen wollte,
während in München der Geist der Heimat-
kunst aus den neuen Vorstadtstraßen nun auch
in die Vereinigung für angewandte Kunst hinein-
gekrochen scheint: der letzte Sieg der Stil-
architektur.
Obwohl die guten Leistungen Einzelner in
diesem Zusammenbruch kaum anders als ver-
biHernd wirken, indem sie an den starken Drang
nun vergangener Jahre erinnern, wäre es doch
unrecht, sie hier nicht zu nennen: Da ist als
Raumbildner vor allem Bruno Paul mit seinem
Speisezimmer und mehr noch dem Musiksaal:
hier mag das Auge ruhig prüfen; da ist Ordnung
und Sachlichkeit, Logik und Geschmack und
darum Harmonie, aus dem Raum wie aus jedem
Möbel sprechend. Freilich nur dies: an eigent-
licher Erfindungskraft muß er hinter Pankok
zurückstehen, dessen Damenzimmer — obwohl
schon älter — in dieser Ausstellung das An-
regendste ist. Vor allem in der Deckenauf-
teilung, die als Konstruktion wie an fast ver-
schwendeter Teilarbeit ihresgleichen sucht.
Man gibt im übrigen ruhig zu, daß die
dünnen, wie mit verronnenem Lack beklebten
Streber an seinem Tisch, seine wie mit Tier-
beinen um sich greifenden Stühle gegenüber
der logischen Festigkeit der Bruno Paulschen
Möbel wie Spielerei wirken; aber man ist auch
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