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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 10.1905

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Nr. 9
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Fritz, Alfons: Das deutsche Theater im 19. Jahrhundert: eine kulturgeschichtliche Darstellung von Max Martersteig
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Kisa, Anton Carel: Zur Erinnerung an die Schmuckausstellung in Strassburg
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https://doi.org/10.11588/diglit.26235#0150

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DAS DEUTSCHE THEATER IM 19. JAHRHUNDERT.

sonnenklar geworden zu sein schien, daß das Theater als ein
Kunstinstitut niemals eine Geldquelle für fremde Zwecke
sein kann und darf, wie für den Unternehmer kein Mittel
der Bereicherung, so für die Städte keine Basis der Be-
steuerung, so ist doch die, wie ich im Berliner „Zeitgeist“
vom 27. März 1905 nachwies, in der Vergangenheit der
deutschen Bühne so verderblich wirkende Theaterbillett-
steuer in verschiedenen Kommunen wieder eingeführt
worden. Auch diesem Machtfaktor, der neben dem Pu-
blikum das gedeihliche Wirken des Theaters hindert oder
fördert, den städtischen oder fürstlichen Patronaten —
leider nicht dem Einfluß der Presse — ist Martersteig
auf den Spuren der Vergangenheit nachgegangen, wie
einzelne Kapitel, z. B. die Organisation der Stadttheater,
das wirtschaftliche System der Stadttheater, die Sub-
ventionierung der Theater, beweisen. Nur gehören solche
Kapitel meiner Ansicht nach nicht in einzelne Zeit-
abschnitte hinein, weil diese Fragen für den ganzen behan-
delten Zeitraum ihre Bedeutung haben und bis zur
Stunde nicht einbüßten.

Damit komme ich auf ein Hauptbedenken, welches
sich gegen die Anlage des Buches richtet. Ein Werk,
das dem Suchenden über Theaterzustände der Vergangen-
heit jede gewünscbte Auskunft gäbe, ist es nicht und will
es auch nicht sein. Trotzdem läßt sich Martersteig durch
die Fülle des Stoffs verleiten, stellenweise zu viel Einzel-
heiten zu bringen, die seinen Hauptzweck, die kultur-
geschichtliche Entwicklung des Theaters zu zeichnen,
nicht fördern — im Gegenteil stören. Dadurch wird dem
Leser, dem schon die philosophische Betrachtungsweise
und die von philosophischer Terminologie stark durch-
setzte Ausdrucksweise des Verfassers ein rasches Ver-
ständnis nicht vermitteln, das stete Imaugehalten der Ab-
sichten, die Martersteig verfolgt, erschwert. Auch aus
einem andern Grunde wäre eine gedrängtere Darstellung,
die jede Abschweifung in ein für den Hauptzweck un-
nötiges Detail vermiede, vorzuziehen gewesen! Weil nur
ein bescheiden kleiner Teil derjenigen, denen ich außer
den Theatergelehrten und Theaterfachleuten das tief-
gründige Werk zum Studium dringend empfehlen möchte,
den Theaterkritikern, den städtischen Verwaltungen und
allen Theaterliebhabern, die nötige Muße finden werden,
es ganz so, wie das Werk es verdient, durchzuarbeiten.

Dr. Alfons Fritz.

ZUR ERINNERUNG AN DIE SCHMUCK-
AUSSTELLUNG IN STRASSBURG.

Von Dr. ANTON KISA.

Das Kunstgewerbe im allgemeinen dient dem Schmucke
des Haushaltes, die Bijouterie dem Schmucke des Leibes,
und ist dementsprechend die Quintessenz der Bestre-
bungen, uns mit schönen Dingen zu umgeben. In ihr
macht sich die schöpferische Kraft im kleinsten Formate,
gleichsam in einer Elzevier-Ausgabe und in den kost-
barsten Materien geltend. Die glücklichen Besitzer trennen
sich nicht gerne von solchen Schätzen und so wird der
Offentlichkeit nur selten bekannt, was davon in Privat-
sammlungen steckt. Schmuckausstellungen sind für den
Kunstfreund kleine Ereignisse, deren Erinnerung in Wort
und Schrift festgehalten zu werden verdient. Auch die
vorjährige Straßburger Ausstellung hat in Robert Forrer
einen Interpreten gefunden, welcher, durch einen kunst-
sinnigen Verleger, Ludolf Beust in Straßburg, unterstützt,
die wichtigsten Stücke der längst wieder in alle Winde
zerstreuten Schau behandelt. In erschöpfender Weise
konnte dies bei der Reichhaltigkeit des Stoffes und der
FüIIe wissenschaftlicher Streitpur.kte freilich nicht er-
folgen, und so ist auch das Kapitel, welches gegenwärtig
für die Wissenschaft das interessanteste ist, das der so-
genannten Völkerwanderungszeit, nur kurz abgetan, immer-
hin aber mit mehr Verständnis und Ernst, als in manchem
kostspieligen Prachtwerke. Da die Ausstellung an Stücken
dieser Art sehr reich war, bringt Forrer sie an der Hand

Alois Riegls, dessen Werk über die spätrömische Kunst-
industrie in Österreich ihnen zuerst wissenschaftlich an
den Leib gerückt ist, dem Verständnisse weiterer Kreise
näher. Die Goldschmiede - Ornamente jener Zeit ent-
halten in nuce so ziemlich alles, was das frühe Mittel-
alter, der Orient und die Hausindustrien verschiedener
Länder später hervorgebracht haben. Schon der Begriff
der spätrömischen Kunst ist ein sehr ausgedehnter und
mannigfaltiger. Wir finden in ihr griechische, etruskische,
gallische und germanische Elemente, im Orient haben
die alten Kunstweisen Vorderasiens, aber auch Indiens
und Chinas deutliche Spuren zurückgelassen. Ganz
anderer Art sind wieder die in Nordafrika auf römischem
Gebiete gefundenen Schmucksachen, bei welchen geo-
metrische, an altägyptische erinnernde Zierformen vor-
wiegen.

Eine merkwürdig lange Dauer hat die Granulier- und
Filigrantechnik, die man schon in Kreta an mykenischen
Arbeiten beobachtete und noch jetzt an syrischem Volks-
schmuek in ganz ähnlicher Ausbildung findet. Das Studium
der orientalischen Kunstformen wird freilich durch die
geringe Zuverlässigkeit der Fundangaben, den ausgedehn-
ten Schwindel, den südrussische, griechische und orien-
talische Händler mit ihnen treiben, sehr erschwert. Seit
etwa 10 Jahren wird der Markt mit altorientalischem
Schmuck aus Silber oder Zinn überschwemmt, der an-
geblich bei Eisenbahnbauten gleichzeitig mit spätrömischen
Gläsern, Tonlampen und anderen Beigaben in alten
Felsengräbern Kleinasiens aufgedeckt wurde. Forrer ver-
öffentlicht aus seiner eigenen Sammlung zwei derartige
Schmuckstücke (Figur 64, 67), welche angeblich aus der
Völkerwanderungszeit stammen und in Ungarn gefunden
wurden. Ich möchte beide Angaben mit einem Frage-
zeichen versehen und darauf hinweisen, daß die Beduinen
noch heute solchen Schmuck tragen.

Sehr ,reich war in der Ausstellung der Almandin-
schmuck der Merowingerzeit vertreten, der gleichfalls in
Kleinasien seine Quellen hat, dürftig dagegen, wie überall,
die Zeit Karls des Großen und das frühe Mittelalter,
ein Umstand, der teilweise, aber nicht genügend, dadurch
erklärt wird, daß mit dem 8. Jahrhundert die Sitte ver-
schwand, dem Verstorbenen Schmucksachen in den Sarg
mitzugeben. Immerhin sind die wenigen Muster roma-
nischen Stiles ebenso kennzeichnend, wie geschmackvoll.
Die folgenden Jahrhunderte, die kaum etwas Neues bieten,
rasch durcheilend, machen wir erst am Ende aller Kunst-
geschichte, dem Empire, wieder Halt. Hier fesselt uns
eine deutsche Besonderheit, Schmuck aus Eisenguß, in
Berlin während der Freiheitskriege entstanden, als die
Frauen ihren Schmuck aus Gold und Edelsteinen auf
dem Altare des Vaterlandes opferten und „Gold gaben
für Eisen“. Die Stücke ahmen in recht zierlicher Arbeit
antike Kameen und andere Reliefs nach. Man versuchte
damals ja auch die Bronze durch Eisen zu ersetzen und
goß allerlei Skulpturen, Tischgerät, kleine Möbelstücke
in Eisen, doch gelang es nicht, das spröde Material vor
dem bösartigen fressenden Roste zu schützen. Auch
der Haarschmuck kam in dieser Zeit der spartanischen
Einfachheit und der Empfindsamkeit in Mode, man stellte
sogar aus kleinen Haarrestchen ganze Landschaften zu-
sammen. Kunstvoller ist freilich der in Straßburg hei-
mische Kirsteinschmuck, mit größter Feinheit aus Silber
herausgeschnittene Hochreliefs von Tieren und Land-
schaften in ovaler Umrahmung, meist durch ein konvexes
Glas geschützt. Die ältesten und besten Stücke dieser
Art gehören dem 18. Jahrhundert an, aber noch vor
15 Jahren setzte Raeuber sie mit Erfolg fort.

Der Aufschwung der Künste in der Gegenwart ist
auch an der Straßburger Goldschmiedekunst nicht spurlos
vorübergegangen. Das Elsaß hat ja, seit es wieder zum
Reiche gehört, mehr Gelegenheit als früher, seine Eigen-
art zu pflegen. Während sich die Elsässer Kunst ehemals
damit begnügen mußte, die Brosamen vom Pariser Tische
aufzulesen, entwickelt sich aus der neuen Gestaltung der
politischen Verhältnisse ein frisches, selbstbewußtes
Regen, das ebenso von den deutschen Landsleuten,

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