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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 10.1905

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Nr. 9
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Valentiner, Wilhelm Reinhold: Eugène Fromentins "die alten Meister"
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Nr. 10
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Rüttenauer, Benno: Vom Münchener Glaspalast
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https://doi.org/10.11588/diglit.26235#0178

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Rudolf Riemerschmid. Kugelspieler.

des Herrn von Haller ganzer gigantischer Hoch-
gesang auf die Alpen.

* *

*

In den genannten Abteilungen Sezession,
Scholle, Luitpoldgruppe ist ein gewisses Niveau
eingehalten. Das sieht man auf den ersten
Blick. Es herrschen hier ein bestimmter Ge-
schmack, bestimmte Werturteile, ein bestimmtes
Maß von Können, bestimmte künstlerische An-
schauungen. Keine Rede davon in der deutschen
Künstlergenossenschaft. Hier scheint allein die
Anarchie zu herrschen und die liebe Mittel-
mäßigkeit und was noch drunter ist. Verblüffend
ist hier nur die Masse der schlechten Bilder.

Ich habe niemand einen Rat zu geben, aber
wenn ich zu dieser Genossenschaft gehörte und
an mich selber glaubte, ich würde um jeden
Preis in eine der genannten Ausstellungsgruppen
hineinzukommen suchen, oder noch lieber, ich
würde mit meinen Verwandten eine eigene
Gruppe schaffen. Das würde ich glauben mir
schuldig zu sein. Denn wer an diesen unauf-
hörlichen Wänden der Genossenschaft seinen
Glauben an die Kunst nicht unterwegs verliert,
der muß ihn gut in sich gegründet haben, oder —
er muß gar keinen haben.

Ich könnte mir übrigens auch, wie Fritz
von Kaulbach, meinen eigenen Saal einräumen
lassen. Da müßte ich eben Fritz von Kaulbach
sein. Lenbach hat also schnell einen Thronfolger
gefunden. Le roi est mort, vive le roi. Und
in der Tat hat Kaulbach sich dem verstorbenen
Meister immer mehr genähert. Er hat es ver-
standen, seiner früheren, allzu süßlich reizlosen

akademischen Malerei, ganz nach berühmtem
Muster, immer mehr erborgte Reize — die Alten
sind ja daran so reich — zuteil werden zu lassen.
Aber wenn man Elemente zusammenrüttelt,
entsteht nicht notwendig eine neue Welt. Und
gar eine große Welt. Thronfolger bringen es der
Welt manchmal zum Bewußtsein, daß der Vor-
gänger, trotz seiner dünnen und zuletzt etwas
schäbigen Mähne, eben doch dem Geschlecht
der Löwen noch bedeutend näher verwandt war.

Es ist auch nur natürlich, daß einer, der wie
Lenbach mit einem derben Naturalismus an-
gefangen hat — die Ausstellung am Königsplatz
zeigt das wieder in überraschender Weise —,
zu anderen Resultaten gelangt, als der ursprüng-
liche Akademiker, wenn sie auch beide später
dem gleichen Ziele zustreben. Das sage ich
nicht wegen Lenbach und nicht wegen Kaulbach,
sondern ich sage es als Korrektiv des Voraus-
gegangenen, daß man mich nicht mißverstehe,
daß man nicht gar meine, ich predige die Ver-
achtung der Natur, womit doch alle Errungen-
schaften wieder in Frage gestellt würden und
die Sündflut der akademischen Wasser von
neuem über uns hereinbrechen müßte.

Aber ein ungeheurer Unterschied ist zwischen
einem willenlosen und direktionslosen Sich-
hingeben an die Natur, zwischen einem Sich-
verlieren an die Natur und einem unermüdlichen
sieghaften Ringen mit ihr. Nicht dem schwäch-
lich Verliebten und Verzauberten, der ein Be-
sessener ist, statt ein Besitzer, sondern dem
starken Ringer wird als Preis die wahre Kunst.

Lessing hat gesagt, daß er das Suchen nach
der Wahrheit dem Besitz der Wahrheit vor-

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