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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Editor]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 10.1905

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Nr. 9
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Valentiner, Wilhelm Reinhold: Eugène Fromentins "die alten Meister"
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Nr. 10
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Schäfer, Wilhelm: Bodo Ebhardt als Restaurator
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https://doi.org/10.11588/diglit.26235#0196

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BODO EBHARDT ALS RESTAURATOR.

daß sie nun nach den zufällig erhaltenen Auf-
nahmen von 1607 hergerichtet wird. Selbst Bodo
Ebhardt wird nicht leugnen wollen, daß sie im
Jahre 1507 wahrscheinlich noch ganz anders
aussah. Und hat er auch nur einen Augenblick
erwogen, was schöner sei: die Aufnahme des
Dillich aus dem Jahre 1607 oder der überlieferte
Zustand? Wie soll ein Architekt, dem eine
zufällige Aufnahme die historische Richtigkeit
und also das oberste künstlerische Gesetz scheint,
auf einen solchen Gedanken kommen? Obwohl
er die Beschreibung der Marksburg in der ersten
Lieferung seiner „Deutschen Burgen“ mit den
amüsanten Worten beginnt: ,,Eine der wenigen
Burgen, welche allen Stürmen der Jahrhunderte
getrotzt haben, und, Gott sei Dank, auch ohne
einer verderblichen ,Restauration‘ in unserm
Jahrhundert unterworfen worden zu sein, auf
uns gekommen sind, ist die Marksburg.“

Und in seiner neuesten Schrift sagt dieser
Restaurator, nachdem er von den „Barbareien“
spricht (nur darum gebe ich ihm das Wort so oft
zurück), im Kölner Dom ein Renaissance-Denk-
mal als stilwidrig abzubrechen: „Halten wir uns
an die besten Beispiele, z. B. an die Arbeiten auf
der Veste Coburg, auf der Wartburg, an die da-
mals wieder aufgebauten rheinischen
Burgen! Ja, heute fragen wir uns, wie
war es möglich, daß ein nur leidlich
gewissenhafter Architekt solche Dinge
bauen konnte, solche Wiederherstel-
lung als echten und wahren Ausdruck
der mittelalterlichen Baukunst aus-
geben, ohne daß ein einhelliger Protest
der gesamten g e b il d e t e n W e 11 dagegen
sich erhob?“

Ja, wie ist es möglich?

Ich aber als leidlich gewissenhafter Mensch
bin täglich Augenzeuge und will nun mein Ge-
wissen reinigen. Obwohl ich kaum erwarte,
daß meine Worte etwas aufhalten. Der Ver-
einigungzur Erhaltung deutscher Burgen werden
weiter ordentliche und außerordentliche Beiträge

zufließen, damit ihr Prinzip von Bodo Ebhardt
auf den Kopf zu stehen kommt. In den Zimmern
der Marksburg wird der Berliner Maler noch
weitere Wände ver—zieren, und draußen wird
dem alten Bauwerk der letzte Zauber fortgebaut
werden — der schöne Südturm muß doch seine
Erker haben — bis ein echter Dillich, vielleicht
ein Bodo Ebhardt daraus wird. Und dieser Burg
werden die anderen folgen, rheinauf, rheinab,
soweit sie nicht dürch Privatbesitz gerettet sind
vor der „Erhaltung“.

Freilich, die Restauratoren sprechen ver-
ächtlich von „Kunsthistorikern“, wo es nichts
weiter gilt, als den allereinfachsten Kunst-
verstand, der früher selbst den Maurerfneistern
geläufig war. Traurig genug, daß drei Jahr-
zehnte unkünstlerischer Architektenwirtschaft
die Anschauungen in Deutschland so verwirrt
haben, daß wir wie nach dem Dreißigjährigen
Krieg wieder um die einfachsten Einsichten
ringen müssen.

Nachschrift.

Wie wenn mich irgendwer um dieser Zeilen
willen begrüßen wollte, kommt mir ein Buch
ins Haus, das in die traurigen Gedanken wie
eine Hoffnung blitzt: O. Hoßfeld, Geheimer
Oberbaurat zu Berlin, hat es veranlaßt und ge-
schrieben: „Stadt- und Landkirchen“.* Während
geschäftige Reklamegrößen ihren Namen in aller
Mund bringen, haben in treuer Arbeit preußische
Regierungsbaumeister, die nicht einmal ihre
Namen nennen, Entwürfe für Kirchenbauten
geschaffen und ausgeführt, die das höchste Lob,
man möchte jubeln, verdienen; die nicht nur
sinnvoll und vernünftig, sondern schön wie
gute alte Bauten und zum Teil trotz ihrer Neu-
heit — man wagt es kaum zu glauben —
malerisch sind. Vielleicht ist es doch nicht
unmöglich, daß die staatliche Denkmalspflege
unsere Bauten einmal vor den Restauratoren
schützt, statt ihnen sie auszuliefern.

* W’ikommen noch ausfiihrlich auf das Buch zurück.
(Verlag von Wilhelm Ernst & Sohn, Berlin.) D. Red.

Die Marksburg bei Braubach. Vom Südgrat aus. Im alten Zustand.
 
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