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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 10.1905

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Nr. 11
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Franck, G.: Moderne Grabmäler
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Kühl, Gustav: Unsere Musikbeilage
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https://doi.org/10.11588/diglit.26235#0224

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ModerNe grabmäler.

zurückgesetzten Bein, an Arm und Rücken ver-
ständlich ausgedrückt. Weicher, fließender,
gleitender, bewegter ist die Haltung des Weibes.
Zu der starren harten Bewegung des Mannes
bildet hier der leichte Rhythmus der Glieder ein
natürliches Gegengewicht. Die Bewegung ist
komplizierter, wie auch der zugrunde liegende
Gemütszustand. Williges Gehen, banges Zurück-
beben, so etwas wie ein Wiederzurückwollen
zum Licht in der leichten Rückwärtsneigung
des Hauptes, und dann vor allem die rührende
Bewegung des Armes, den sie langgestreckt,
suchend dem Manne auf die Schulter gelegt
hat, während sie mit der ausgestreckten Linken
sich in dem Dunkel des Weges an der Wand
entlang tastet, das alles dient dazu, diese kompli-
zierte Gemütsbewegung deutlich zu machen.
Selten ist der Charakter und die Gemütsart
des Weibes, das Bedürfnis, Liebe zu suchen
und Liebe zu spenden, rührender dargestellt
worden, als in dieser Frau, die auf dem letzten
Weg, dem Weg des Todes, der sonst die
Menschen vereinsamt wie nichts anderes in der
Welt, im Trostsuchen selber Trost spendet.
Sie erschrickt und neigt im Erschrecken das
Haupt zur Seite und ist doch willig, mit dem
Geliebten auch diesen letzten und schwersten
Weg zu gehen, getreu bis in den Tod.


Vor allem von dieser Gruppe kann sich Auge
und Gedanke schwer losreißen. Und das alles ist
auch hier, wie schon in der linken Seitengruppe
gegeben, ohne daß man von den Gesichtszügen
etwas sieht, nur durch die Bewegung des
Körpers und die Sprache der Glieder. Man
achte nur einmal auf die Hände und was sie
alles zu sagen und auszudrücken vermögen,
hier wie auch in anderen Werken des Künstlers.
Es ist geradezu überraschend, wie neu und
ursprünglich und wenig abgebraucht diese
Gebärdensprache ist, die man immer nur bei
Südländern zu suchen gewohnt ist. Ich habe
schon einmal darauf hingewiesen, daß in dieser
eigentümlichen Ausdrucksfähigkeit der ganzen
Körpererscheinung der Reiz der alten hel-
lenischen Kunst beruht. Wieviel davon findet
sich in diesem so gänzlich ungriechischen Werk;
es lebt in der Tat in den Werken dieses
Künstlers, der seine Vorbilder weit mehr unter
den französischen Meistern des Realismus aus
dem Ende des 15. Jahrhunderts als in dem alten
Attika gesucht hat, dennoch mehr antiker, mehr
hellenischer Geist, als in aller gehauenen Mytho-
logie in den Stelen und Giebeln der ganzen Welt.

Und dennoch steigert sich die Kraft des
Künstlers noch in dem Schlußakkord seines
Werkes. Man könnte es den dritten Akt eines
Dramas nennen, wenn das Werk in Wahrheit
dramatisch und nicht vielmehr lyrisch, ja
vielleicht noch richtiger musikalisch wäre.
Diese Schlußgruppe im Sockel des Grabmals
bringt den Trost des Friedens nach der Bitter-
keit des sterbenden Lebens: den Frieden des
Grabes.

Man würde, glaube ich, den Künstler miß-
verstehen, wenn man sich durch die Inschrift
verleiten ließe, hier unten den Auferstehungs-
gedanken dargestellt zu finden. Das Paar, das
da unten ruht im Grabe unter dem Schutz des
Todesengels, es schildert die Ruhe derer, die
da „schlafen ganz im Frieden“; das Licht aber,
das über ihnen glänzt nach der Inschrift, das
ist nicht ein höheres Leben im Geist und in
der Freiheit, zu dem sie erwachen, sondern
das Licht der Liebe, die auch im Tode nicht
aufhört und auch über den Toten wacht; das
sagt die rührende Bewegung der Hände der
beiden Gatten und das mitleidige barmherzige
Antlitz des Todesgenius, der seine Hände über
ihnen ausbreitet.

Wunderbar ergreifend ist vor allem die Be-
wegung der Hände bei diesem im Grabe
ruhenden Ehepaar, das Tasten und Suchen und
der leise Druck der Finger, so leise wie die
letzte Bewegung eines Sterbenden oder viel-
mehr eines nur Schlafenden. Was das Antlitz
mit den geschlossenen Augen nicht mehr sagen
kann, das sagt die Bewegung, die Wendung
des Kopfes, stärker beim Weibe als beim
Manne, und die Bewegung der Hände, während

A. Bartholome. Aux Morts. Mittelgruppe.

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