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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 10.1905

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Nr.12
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Kisa, Anton Carel: Die Frankfurter Jubiläumsausstellung, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.26235#0264

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Die frankfurter jubiläums-

AUSSTELLUNG.

Von Dr. ANTON KISA.

II.

Nach dem Intermezzo der auf die Wander-
schaft geschickten Menzelsammlung der Ber-
liner Nationalgalerie hat der Kunstverein seine
Jubiläumsausstellung wieder aufgenommen und
in einer zweiten großen Serie die heimischen
Künstler vereinigt, welche in der zweiten Hälfte
des vorigen Jahrhunderts tätig waren. Wie
lehrreich ein solcher Überblick gerade dann ist,
wenn er im Rahmen einer bestimmten Lokal-
schule gehalten ist, während er in größerer
Ausdehnung (wie etwa auf der Pariser Aus-
stellung von 1900) verwirrend wirkt, merkt Jeder
mit freudiger Überraschung, welcher der Kunst
jener Zeit in irgend einer Form näher getreten
ist. Es wäre zu wünschen, daß das Beispiel
Frankfurts auch anderwärts, wo eine selb-
ständige Malerei emporgewachsen ist, nach-
geahmt würde. Manche oberflächliche An-

schauung, manche Uberhebung, mancher Ent-
decker- und Neuererstolz würde da auf sein
rechtes Maß zurückgeführt werden. Unsere
schnellebige Zeit vergißt sehr rasch und gern.
Sie ist im Hochgefühl eigener Schöpferkraft
manchmal geneigt, gerade über die jüngste Ver-
gangenheit, mit welcher sie im Kampfe lag,
etwas geringschätzig zu urteilen, und wird gegen
die einstigen Widersacher leicht ungerecht.

Schon der erste flüchtige Eindruck ist in
einem Punkte dem geschmähten „Alten“ nicht
ungünstig. Mit einer gewissen Wehmut blickt
man auf den Reichtum poetischer Phantasie,
das Vielerlei der Motive, das sich an unsere
Kindheitsträume heranschmeichelt, uns mit der
Literatur, den Ereignissen, den Menschen jener
Tage verknüpft, die in trauter Erinnerung uns
haften geblieben sind. Man fühlt, daß Jene
unrecht haben, welche der früheren Kunst in
Bausch und Bogen Wurzellosigkeit vorwerfen,
sie ein ausgeklügeltes Produkt kalten Verstandes
und gelehrten Wissens nennen, das nicht mit
Naturnotwendigkeit aus den Kulturverhältnissen
hervorgegangen, sondern auf Akademien künst-
lich gezüchtet worden sei. Im Gegenteil! Als
ob nicht heutzutage gedankenlose Aktmeierei
auf dem besten Wege wäre, Empfindung
durch angelernte Formen zu verdrängen und
an die Stelle des akademischen Zopfes einen
Zopf der Kunstgewerbeschulen zu setzen. Auf
Schritt und Tritt merkt man, wie befreundet
damals Schaffende und Empfangende waren,
wie gut der Künstler seine Leute verstand,
wie diese bei der Arbeit förmlich mithalfen.
Der Kunst unserer Tage ist es, rühmliche Aus-
nahmen abgerechnet, noch nicht gelungen, sich
ins Herz des Volkes einzuschmeicheln. Fast
nur die „Kenner“, ästhetisch-technisch-histo-
rische Feinschmecker, verstehen sie und wür-
digen sie ganz, die Masse hält sich noch immer
kühl, fast ablehnend, zurück. Während in den
beiden früheren Generationen der Kontakt
zwischen Künstler und Publikum, der beiden
Teilen zum Vorteil gereichte, von jenem gern
gesucht und erhalten wurde, spricht man heute
von „l’art pour l’art“ und sucht das Laien-
element aus dem Kunstleben auszuschalten.
Der Laie darf loben und bezahlen, im übrigen
als minderwertiges Wesen nichts dreinreden.
Solch exklusiven Standpunkt hat keine ältere
Kunstperiode gekannt. Die Kunst rächt sich
für die mittelalterliche Überhebung des Geld-
sackes, die den Ruhm des Bestellers der Nach-
welt überlieferte und den Namen des Künstlers
totschwieg.

Ältere Kunstperioden sind mit ihren Tugenden
und Fehlern ein Ergebnis gegenseitiger Kon-
zessionen. Unsere „Alten“ mögen deren zu
viel gemacht haben. Die Historienmalerei
schmeichelte der höheren Bildung des Philisters,
die Sittenmaler erzählten harmlose Anekdoten

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