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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 10.1905

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Nr.12
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Kisa, Anton Carel: Die Frankfurter Jubiläumsausstellung, [2]
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Philippi, Fritz: Das Heidekreuz
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https://doi.org/10.11588/diglit.26235#0267

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in die Kunstgeschichte einregistriert werden.
Er begann als Romontiker, lernte dann in Paris
die freie Naturanschauung der Einsiedler von
Barbizon kennen und wurde durch diese all-
mählich zu den alten Holländern gelenkt, welche
dann für sein Schaffen maßgebend blieben.
Sein Bildnis eines alten Frankfurters von 1855
zeigt ein tüchtiges Können, freien Blick und die
Gabe zu charakterisieren. Aber wie weit ist es
von seinen späteren Charakterköpfen entfernt,
die in kleinem Umfange, mit wenigen Farben,
im Zauber des Helldunkels eine Fülle feinster
Beobachtung enthalten! Er lernt mit großen
Massen operieren, mit wuchtigen Kontrasten
und führt die Buntfarbigkeit auf den Dreiklang
der alten Holländer, braun, gelb und grau, zu-
rück. Hie und da aber blitzt es aus dem Dunkel
auf, feurigrot, zart blau oder goldig, wie bei
Rembrandt, und die Wirkung ist unfehlbar.
Nicht nur ein Frankfurter wird warm, wenn
die trauten Winkel seiner Altstadt, die idyl-
lischen Gelände des Taunus poesieverklärt im
Bilde vor ihm erstehen; überall, wo der Mensch
mit der Heimat verknüpft ist, wird seine Kunst
sympathische Gefühle auslösen.

AS HEIDEKREUZ.*

Von FRITZ PHILIPPI.

Ich dachte, ich will von einer großen Tat
schreiben. Sie haben es nötig, die Menschen,
die in ihren Kammern wohnen und nachSonnen-
aufgang und Sonnenuntergang Mauern vor sich
schauen und Kohlendunst vor ihrem Stück
Himmel.

Wenn sie von einer großen Tat hören,
werden sie tief aufatmen, wie unter dem Himmel
unserer Heide.

Da ging ich hinaus zu den Leuten im Dorf
und fragte nach einer großen Tat, die sie ge-
sehen hätten.

Ich kam auf die Osterwiese, wohin alle
Leute gegangen waren; die Alten, um zu-
zuschauen, und die Jungen, um den Ball zu
werfen. Denn es ist früh am Ostermorgen, und
heute allein im Jahr ist das Ballspiel auf der
Osterwiese.

Und gerade sah ich, daß Feldmanns Karl,
der ein Urlauber war in des Königs Rock, den
besten Wurf tat. Er bog den Leib gewaltig
zurück und streckte die rechte Hand nach der
Erde, als empfange er etwas von ihr. Dann
schnellte er auf! . . . Die Mädchen, schreiend
vor Lust, das Gesicht nach dem flüchtigen Ball,
jagten über die grüne Wiese und hielten in den
Händen die weiße Schürze ausgespannt zum
Fang. — Allen voraus ist Grobschmieds Guste.

* Aus: „Unter langen Dächern“. (Verlag von Eugen
Salzer, Heilbronn.)

Ringel- Jllzach.

Die neunte Symphonie Beethovens (Gehärtetes Wachs).

Sie will die Vorderste sein. Wird ihrs gelingen?
Sie springt über den Bach! Der Ball kommt
nieder. Und hoch in der Schürze springt er —
gefangen!

Das bedeutet etwas, das Ballspiel auf der
Osterwiese, das nur einmal im Jahr gespielt
wird. Grobschmieds Guste ist eine Erbtochter
und Feldmanns Karl eines Beisässers* Sohn. —
Und sie gehen miteinander Hand in Hand!

Aber ich sagte: Das ist die große Tat nicht,
von der ich schreiben will. Sie werden darum
neidisch sein in ihren Kammern und sprechen:
„Was ist das für uns?“

Weiter ging ich bergan der Sonne entgegen,
während hinter mir der Schatten in den Berg
kroch vor dem Licht. Es war Ostermorgen,
und ich fragte nach einer großen Tat.

An den Äckern kam ich vorüber und stand
und sah zu meinen Füßen ungezählte kleine,
grüne Spieße, aufrecht herausgestreckt durch
dunkle Schollen, ein tapfer Fähnlein neben dem
andern. Und als meine Schritte bis an den
Buchenwald kamen, den Hickehain, winkten
tausend Keime von allen Zweigen meinen Augen
zu: Sie würden die Sonne schauen wie ich!

* Einer, der kein eigen Haus hat.

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