Geschwistet.
sie sich, zu einer ihrer ständigen Waschkundschaften, einem
Advokaten, zu gehen und ihn um Rat zu fragen. Dieser
übernahm den Streitfall, der nur so lange zweiselhaft
bleiben konnte, als Mudra seiner eigenen Hilslosigkeit
überantwortet war, sich aber gleich bei der ersten näheren
Untersuchung aufs selbstverständlichste aufklärte. Mudra
vermochte nachzuweisen, wo er die Türkenlose gekaust
hatte, und dort bestätigte man wieder, daß das mit
einem Tresfer gezogene Los überhaupt nicht aus diesem
Geschäfte stammte, also niemals in Mudras oder seiner
gewesenen Geliebten Händen hatte sein können. Dazu
ergab eine Betrachtung des Vorlebens der gefährlichen
Liebhaberin, daß sie bereits mehrere Strafen wegen Be-
trugs erlitten und stets einen „unsittlichen Lebenswandel"
gesührt hatte. Alles Mitleid wandte sich ihrem armen
geprellten Opfer zu, und Mudra ging in Ehren strahlend
aus dem Rechtsstreit hervor, der mit der Äbtretung des
Aktes an das Landesgericht wegen des von der Dame
begangenen Verbrechens der Verleumdung und des Be-
truges endigte.
Am Schluß glaubte der Anwalt dem Mudra denn
doch eine kleine private Belehrung nicht vorenthalten zu
sollen, er möchte als älterer Mensch solche Abenteuer ver-
meiden, sein bißchen Geld zusammenhalten und lieber
dereinst seiner Schwester hinterlassen, die mit ihrem
Manne redlich und schwer schaffen müsse, als es so zu
verschwenden und sich noch zum Gespött der Leute zu
machen.
Als der Advokat wiederholt von der Schwester und
ihrem Manne sprach, konnte Mudra nicht umhin, sich zu
rechtfertigen: „Meine Schwester ledig."
Der Anwalt lächelte überlegen und erwies seine Be-
hauptung mit näheren Angaben über Berus, Gewohn-
heit, Neigungen von Mudras angeblichem Schwager,
die er aus ihren häufigen Erzählungen gemerkt hatte.
Der Taubstumme lachte höhnisch ungeschickt vor sich
hin und schüttelte nur unverwandt den Kopf, nein, sie
hatte durchaus keinen Mann. Eine solche Behauptung
mußte er zurückweisen. Endlich schüttelte der Advokat
seinerseits unwillig den Kopf, er wollte sich in die dunklen
Gebiete dieses Familienbetruges nicht einlassen, schloß
seine wohlgemeinte Ansprache mit einer strengen, aber
kurzen Mahnung und ließ seinen geretteten Schützling
stehen.
Der ging denn eilig zur Schwester, strahlte vor Genug-
tuung und erwähnte beiläufig den merkwürdigen Jrr-
tum des Advokaten in betreff ihrer Ehe und ihres Gatten.
Die überraschte Frau geriet bei dieser Eröffnung in
fürchterliche Aufregung: „Was geht dich mein Stand an,
du Narr, du Schust," schrie sie fassungslos, weinte, „wie
steh ich da, was müssen die Leute von mir glauben?"
und konnte sich gar nicht beruhigen.
Mudra betrachtete sie mit kühler Tcilnahme und
lächelte überlegen, jetzt gab er ihr die Geringschätzung
reichlich zurück. Als sie ihn aber gar zu arg beschimpste,
erhob er sich und ging ohne Dank und Abschied.
Seitdem war der sonst so gelassenen und heiteren
Frau das Leben versalzen, indem sie nicht wußte, welche
Folgen die entdeckte Lüge etwa haben, wie weit ihr Ge-
heimnis enthüllt, und wem von ihren Kundschaften es
ruchbar geworden sein mochte. Sie vermied es, den
Ädvokaten wieder aufzusuchen, obgleich sie bei ihm gerade
ein Hauptstück Geld verdiente, weil sie fürchtete, er möchte
sie näher ausforschen, sie gab andere Häuser auf, die mit
ihm in Berührung stehen konnten, und es gelang ihr
nicht leicht, neue Familien zum Ersatz zu gewinnen, aber
ihre alte Lüge aufzugeben auch nicht, denn sie lebte in
diesem harmlosen Betruge und war darin so zu Hause,
daß sie sich völlig verlassen und verkommen gefühlt hätte,
wenn sie sich aus einmal als alleinstehende alte Weibs-
person hätte verraten müssen, nicht anders, als wäre ihr
ein Gemahl davongegangen oder durch gerichtliche Schei-
dung abgesprochen worden. Seitdem der Bruder ihren
so schön erlogenen Lebenswandel preisgegeben hatte,
war sie unruhig und bedrückt, ungeduldig und reizbar, sie
machte sich bei den Kundschasten, die sie behalten hatte,
durch ihr scheues Wesen verdächtig, auch leistete sie nicht
mehr so zuverlässige Arbeit, vielmehr war die Wäsche
bald zu oberflächlich gewaschen, bald fehlte ein Stück.
Auf Vorwürfe antwortete sie mit einem Schwall von
Klagen oder gar mit Keckheiten, die ihr wiederum böse
Worte der beleidigten Hausfrauen eintrugen. Man hatte
Geduld mit ihr, aber sie selbst nicht mit sich. Sie war
wie gehetzt, was früher als behagliche Lügenerzählung
sich ausbreitete, worin sie alle gute Laune und gelassene
Munterkeit des Gemütes zu legen wußte, wenn sie von
ihrem glücklichen Ehestand berichtete, das wurde jetzt
eine verbitterte Schilderung trostloser Lebenskämpfe,
Lohnstreitigkeiten, ehelicher Szenen, sie klagte über Miß-
handlungen, weinte über Armut und teure Aeiten, um
mit solcheni Ungemach die Mängel ihrer Arbeit zu ent-
schuldigen. Bei den Dienstboten bejammerte sie wieder
den Hochmut reicher Leute, die so ungerecht und aus-
beuterisch versühren, sie reizte die Mägde auf und trug
allen Tratsch und Klatsch herum, ohne Absicht vielleicht,
aber mit Eifer. Auch daheim hatte sie kein Behagen
mehr, ihre zweischlasrige Stube ließ ihr keine Ruhe, sie
sah sich von den arglosen Möbeln verhöhnt und beleidigt,
sie räumte nicht mehr ordentlich zusammen, sondern ver-
ließ, nachdem sie ihre Arbeit so rasch wie möglich beendigt
hatte, das Haus und den Hof, um den bekannten Leuten
zu entkommen und trieb sich auf den Gassen herum. Sie
war mißtrauisch und ängstlich, versperrte ihre Wohnung
und ließ keine Nachbarin mehr hineinkommen, wie sie
auch, wenn sie im Hofe waschen mußte, niemand mehr
grüßte, für keinen ein sreundliches Wort erübrigte. Die
Kinder, mit denen sie sonst zutraulich gewesen war, ver-
jagte sie. Endlich kündigte sie ihre Wohnung und suchte
eine andere, wo es ihr aber nur noch weniger behagte,
weil sie sich in die neuen Verhältnisse nicht mehr leicht
fügen konnte.
Da ihn der Rechtsstreit zwar ehrlich, aber arm ge-
lassen hatte und fast sein ganzes Vermögen bei der bösen
Liebschaft drausgegangen war, eilte Mudra jetzt um so
eifriger und gieriger neuem Erwerb, neuen Ersparnissen
nach. War er früher bescheiden gewesen, so wurde er
jetzt völlig armselig, er geizte mit allem, aber der Hunger
und die selbstgewählten Entbehrungen hatten ihm nichts
an, nachdem er die betrügerische Dame losgeworden war,
vielmehr gedieh er körperlich wieder zum Staunen, seine
Wangen röteten sich, sein Gang war strack und stet, sein
Blick ruhig, heiter seine Stirn, sein Haar, das voll und
sie sich, zu einer ihrer ständigen Waschkundschaften, einem
Advokaten, zu gehen und ihn um Rat zu fragen. Dieser
übernahm den Streitfall, der nur so lange zweiselhaft
bleiben konnte, als Mudra seiner eigenen Hilslosigkeit
überantwortet war, sich aber gleich bei der ersten näheren
Untersuchung aufs selbstverständlichste aufklärte. Mudra
vermochte nachzuweisen, wo er die Türkenlose gekaust
hatte, und dort bestätigte man wieder, daß das mit
einem Tresfer gezogene Los überhaupt nicht aus diesem
Geschäfte stammte, also niemals in Mudras oder seiner
gewesenen Geliebten Händen hatte sein können. Dazu
ergab eine Betrachtung des Vorlebens der gefährlichen
Liebhaberin, daß sie bereits mehrere Strafen wegen Be-
trugs erlitten und stets einen „unsittlichen Lebenswandel"
gesührt hatte. Alles Mitleid wandte sich ihrem armen
geprellten Opfer zu, und Mudra ging in Ehren strahlend
aus dem Rechtsstreit hervor, der mit der Äbtretung des
Aktes an das Landesgericht wegen des von der Dame
begangenen Verbrechens der Verleumdung und des Be-
truges endigte.
Am Schluß glaubte der Anwalt dem Mudra denn
doch eine kleine private Belehrung nicht vorenthalten zu
sollen, er möchte als älterer Mensch solche Abenteuer ver-
meiden, sein bißchen Geld zusammenhalten und lieber
dereinst seiner Schwester hinterlassen, die mit ihrem
Manne redlich und schwer schaffen müsse, als es so zu
verschwenden und sich noch zum Gespött der Leute zu
machen.
Als der Advokat wiederholt von der Schwester und
ihrem Manne sprach, konnte Mudra nicht umhin, sich zu
rechtfertigen: „Meine Schwester ledig."
Der Anwalt lächelte überlegen und erwies seine Be-
hauptung mit näheren Angaben über Berus, Gewohn-
heit, Neigungen von Mudras angeblichem Schwager,
die er aus ihren häufigen Erzählungen gemerkt hatte.
Der Taubstumme lachte höhnisch ungeschickt vor sich
hin und schüttelte nur unverwandt den Kopf, nein, sie
hatte durchaus keinen Mann. Eine solche Behauptung
mußte er zurückweisen. Endlich schüttelte der Advokat
seinerseits unwillig den Kopf, er wollte sich in die dunklen
Gebiete dieses Familienbetruges nicht einlassen, schloß
seine wohlgemeinte Ansprache mit einer strengen, aber
kurzen Mahnung und ließ seinen geretteten Schützling
stehen.
Der ging denn eilig zur Schwester, strahlte vor Genug-
tuung und erwähnte beiläufig den merkwürdigen Jrr-
tum des Advokaten in betreff ihrer Ehe und ihres Gatten.
Die überraschte Frau geriet bei dieser Eröffnung in
fürchterliche Aufregung: „Was geht dich mein Stand an,
du Narr, du Schust," schrie sie fassungslos, weinte, „wie
steh ich da, was müssen die Leute von mir glauben?"
und konnte sich gar nicht beruhigen.
Mudra betrachtete sie mit kühler Tcilnahme und
lächelte überlegen, jetzt gab er ihr die Geringschätzung
reichlich zurück. Als sie ihn aber gar zu arg beschimpste,
erhob er sich und ging ohne Dank und Abschied.
Seitdem war der sonst so gelassenen und heiteren
Frau das Leben versalzen, indem sie nicht wußte, welche
Folgen die entdeckte Lüge etwa haben, wie weit ihr Ge-
heimnis enthüllt, und wem von ihren Kundschaften es
ruchbar geworden sein mochte. Sie vermied es, den
Ädvokaten wieder aufzusuchen, obgleich sie bei ihm gerade
ein Hauptstück Geld verdiente, weil sie fürchtete, er möchte
sie näher ausforschen, sie gab andere Häuser auf, die mit
ihm in Berührung stehen konnten, und es gelang ihr
nicht leicht, neue Familien zum Ersatz zu gewinnen, aber
ihre alte Lüge aufzugeben auch nicht, denn sie lebte in
diesem harmlosen Betruge und war darin so zu Hause,
daß sie sich völlig verlassen und verkommen gefühlt hätte,
wenn sie sich aus einmal als alleinstehende alte Weibs-
person hätte verraten müssen, nicht anders, als wäre ihr
ein Gemahl davongegangen oder durch gerichtliche Schei-
dung abgesprochen worden. Seitdem der Bruder ihren
so schön erlogenen Lebenswandel preisgegeben hatte,
war sie unruhig und bedrückt, ungeduldig und reizbar, sie
machte sich bei den Kundschasten, die sie behalten hatte,
durch ihr scheues Wesen verdächtig, auch leistete sie nicht
mehr so zuverlässige Arbeit, vielmehr war die Wäsche
bald zu oberflächlich gewaschen, bald fehlte ein Stück.
Auf Vorwürfe antwortete sie mit einem Schwall von
Klagen oder gar mit Keckheiten, die ihr wiederum böse
Worte der beleidigten Hausfrauen eintrugen. Man hatte
Geduld mit ihr, aber sie selbst nicht mit sich. Sie war
wie gehetzt, was früher als behagliche Lügenerzählung
sich ausbreitete, worin sie alle gute Laune und gelassene
Munterkeit des Gemütes zu legen wußte, wenn sie von
ihrem glücklichen Ehestand berichtete, das wurde jetzt
eine verbitterte Schilderung trostloser Lebenskämpfe,
Lohnstreitigkeiten, ehelicher Szenen, sie klagte über Miß-
handlungen, weinte über Armut und teure Aeiten, um
mit solcheni Ungemach die Mängel ihrer Arbeit zu ent-
schuldigen. Bei den Dienstboten bejammerte sie wieder
den Hochmut reicher Leute, die so ungerecht und aus-
beuterisch versühren, sie reizte die Mägde auf und trug
allen Tratsch und Klatsch herum, ohne Absicht vielleicht,
aber mit Eifer. Auch daheim hatte sie kein Behagen
mehr, ihre zweischlasrige Stube ließ ihr keine Ruhe, sie
sah sich von den arglosen Möbeln verhöhnt und beleidigt,
sie räumte nicht mehr ordentlich zusammen, sondern ver-
ließ, nachdem sie ihre Arbeit so rasch wie möglich beendigt
hatte, das Haus und den Hof, um den bekannten Leuten
zu entkommen und trieb sich auf den Gassen herum. Sie
war mißtrauisch und ängstlich, versperrte ihre Wohnung
und ließ keine Nachbarin mehr hineinkommen, wie sie
auch, wenn sie im Hofe waschen mußte, niemand mehr
grüßte, für keinen ein sreundliches Wort erübrigte. Die
Kinder, mit denen sie sonst zutraulich gewesen war, ver-
jagte sie. Endlich kündigte sie ihre Wohnung und suchte
eine andere, wo es ihr aber nur noch weniger behagte,
weil sie sich in die neuen Verhältnisse nicht mehr leicht
fügen konnte.
Da ihn der Rechtsstreit zwar ehrlich, aber arm ge-
lassen hatte und fast sein ganzes Vermögen bei der bösen
Liebschaft drausgegangen war, eilte Mudra jetzt um so
eifriger und gieriger neuem Erwerb, neuen Ersparnissen
nach. War er früher bescheiden gewesen, so wurde er
jetzt völlig armselig, er geizte mit allem, aber der Hunger
und die selbstgewählten Entbehrungen hatten ihm nichts
an, nachdem er die betrügerische Dame losgeworden war,
vielmehr gedieh er körperlich wieder zum Staunen, seine
Wangen röteten sich, sein Gang war strack und stet, sein
Blick ruhig, heiter seine Stirn, sein Haar, das voll und