Reinhold Näg>>le.
Abb. 1. Sclbstbildms.
Reinhold Nägele, ein schwäbischer Maler.
enn man will, ist Vischers „Auch Einer" das
sonderbarste Buch der deutschen Literatur;
sonderbar in der Verbürgerlichung großer
Gedanken und sonderbar in der Verspottung eben dieses
Bürgertums durch jene Form der Geistigkeit, die man
gemeinhin Humor nennH die aber in diesem Schwaben-
buch aufs kurioseste übertrieben wird. Am ehesten könnte
man seine Art sarkastisch nennen, dafür aber ist der Held
zu redselig und auch wohl zu sentimental, oder letzten
Grundes zu glaubig; denn so scharf sein „gesunder
Menschenverstand" am Landlaufigen herumkritisiert (um
nicht zu sagen nörgelt), er behält vor dem Absoluten viel
zu sehr das Gefühl der eigenen Absonderlichkeit, um in
irgendwelchen Hochmut zu geraten. Wo er einen An-
lauf nimmt, mit seiner Überlegenheit zu liebäugeln,
stellt er gleich wieder aufs schmerzlichste fest, daß ihn
nur der Herrgvtt in einer Art von Laune am Genick hält.
SoinderStimmung desausdemWassergezogenenKaters,
der sich den nassen Pelz an der Sonne wärmt und nicht
recht zu wissen scheint, ob er die Sonne lieben soll, weil
sie ihm das Fell trocknet, oder das Wasser, weil ihm die
Nässe die Wärme erst recht wertvoll macht: ist er jeden-
falls bereit, das Gute an allen Dingen und das Wider-
wärtige nur als Schnörkel zu sehen, die er selber mit
seiner eigenen von allerlei komischen Teufeln gehetzten
Natur in das Dasein des ewigen Wohlwollens hinein-
kritzelt.
Der Schnörkel also ist die Form seines Humors, und
tatsächlich stellt „Auch Einer" in der großen Literatur
unseres Volkes den sonderbarsten Schnürkel vor, ebenso
bemerkenswert durch die Verkräuselung seiner Linien
wie durch die geistige Wärme seiner Triebkraft. Die
'05
l
Abb. 1. Sclbstbildms.
Reinhold Nägele, ein schwäbischer Maler.
enn man will, ist Vischers „Auch Einer" das
sonderbarste Buch der deutschen Literatur;
sonderbar in der Verbürgerlichung großer
Gedanken und sonderbar in der Verspottung eben dieses
Bürgertums durch jene Form der Geistigkeit, die man
gemeinhin Humor nennH die aber in diesem Schwaben-
buch aufs kurioseste übertrieben wird. Am ehesten könnte
man seine Art sarkastisch nennen, dafür aber ist der Held
zu redselig und auch wohl zu sentimental, oder letzten
Grundes zu glaubig; denn so scharf sein „gesunder
Menschenverstand" am Landlaufigen herumkritisiert (um
nicht zu sagen nörgelt), er behält vor dem Absoluten viel
zu sehr das Gefühl der eigenen Absonderlichkeit, um in
irgendwelchen Hochmut zu geraten. Wo er einen An-
lauf nimmt, mit seiner Überlegenheit zu liebäugeln,
stellt er gleich wieder aufs schmerzlichste fest, daß ihn
nur der Herrgvtt in einer Art von Laune am Genick hält.
SoinderStimmung desausdemWassergezogenenKaters,
der sich den nassen Pelz an der Sonne wärmt und nicht
recht zu wissen scheint, ob er die Sonne lieben soll, weil
sie ihm das Fell trocknet, oder das Wasser, weil ihm die
Nässe die Wärme erst recht wertvoll macht: ist er jeden-
falls bereit, das Gute an allen Dingen und das Wider-
wärtige nur als Schnörkel zu sehen, die er selber mit
seiner eigenen von allerlei komischen Teufeln gehetzten
Natur in das Dasein des ewigen Wohlwollens hinein-
kritzelt.
Der Schnörkel also ist die Form seines Humors, und
tatsächlich stellt „Auch Einer" in der großen Literatur
unseres Volkes den sonderbarsten Schnürkel vor, ebenso
bemerkenswert durch die Verkräuselung seiner Linien
wie durch die geistige Wärme seiner Triebkraft. Die
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