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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 27.1917

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Heft 5
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Fries, Heinrich de: Beiträge zum Kleinwohnungsproblem
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https://doi.org/10.11588/diglit.26489#0127

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eiträge zum Klein-

wohnungsproblem.

Wir leben in einer Aeit, die über die allzu starken
Eindrücke einer Gegenwart keinen Raum mehr zu finden
scheint für ein Denken und Arbeiten in Aukünftigem.
Und dennoch stellt dieselbe Ieit an uns Forderungen
und Aufgaben, die im Licht und unter dem Druck der
großen Ereignisse, Erschütterungen und Umwälzungen
der Gegenwart an Ansehen und Gewicht so zu gewinnen
scheinen, daß wir ihnen ernsteste Aufmerksamkeit und
Arbeit zuwenden müssen, wenn wir den Notwendig-
keiten der Stunde uns nicht verschließen wollen. Die
wirtschaftlichen Austände der Gegenwart treiben wieder
das Kleinwohnungsproblem auf das ernsthafteste in den
Vordergrund. Und die Notwendigkeit, auch in unseren
Tagen seine Bedeutung nicht zu vergessen, erhellt aus
einer einfachen Uberlegung der Austände, die das Ende
des Krieges in dieser Hinsicht herbeiführen wird. Herr
Muthesius betonte vor einigen Wochen in einem Berliner
Vortrage, daß schon jetzt ein Mangel von rund 300 000
Kleinwohnungen bestände. Mögen diese und ähnliche
Aahlen je nach Ort und Verhältnissen eine andere Wer-
tung finden, so steht sicherlich fest, daß das Kleinwohnungs-
problem zu einer der brennendsten Fragen der Gegen-
wart und Aukunst geworden ist, und daß schon das hohe
soziale Gewicht dieser Frage seine Lösung zur Pflicht
macht. Denn so viel auch schon geschehen sein mag: daß
immerhin nicht genug getan ist, trotz der Arbeit zahl-
reicher Vereine, Verbände und Kommunen, steht durch
das Gewicht der Tatsachen außer Frage. Schon jetzt
sehen sich eine große Anzahl Kommunen vor die Not-
wendigkeit gestellt, sich mit der Abhilse der gegenwärtigen
unhaltbaren Austände zu befassen, und damit kommt das
ganze Kleinwohnungsproblem durch den Zwang der
Stunde cndlich in die Hände, die allein fähig sind, es
seiner Lösung näher zu bringen, nämlich an die Gemeinde.

Die Gemeinde steht, sobald sie sich mit der praktischen
Lösung der Kleinwohnungsfrage befaßt, ganz anders da,
als der private Unternehmer; auch wie ein für diese
Zwecke gegründeter Verband. Der private Unternehmer,
angewiesen auf Verdienst und größtmöglichen Ertrag,
kann seine Aiele nur erreichen auf dem Wege der Raum-
ausschlachtung einerseits, der Mietsausnutzung anderseits.
All das, was daü bedingte Leben der Person des Unter-
nehmers von seinen Bauten fordern muß, fällt für die
Kommune weit weniger ins Gewicht, zum Teil ganz
fort. Jhr ist gedient mit einer ausreichenden Verzinsung
und Amortisation des angelegten Kapitals, so daß also
hierdurch die Mietsausnutzung und damit auch die Raum-
ausschlachtung weit weniger in Betracht kommt. Hier
vergleichende Aahlen aufzustellen, liegt nicht im Sinne
dieser Arbeit. Jeder Vergleich zu dem Jnteresse des
Einzelunternehmers und dem der Gemeinde gerade auf
dem Gebiet des Kleinwohnungsbaues wird die Richtig-
keit der aufgestellten Sätze leicht erweisen.

Der Unternehmer allein wird und kann das Klein-
wohnungswesen niemals einer Lösung näher bringen,
die ja letzten Endes gegen seine eigensten Jnteressen ge-
richtet wären. Hier liegt völlig anderes vor, als auf den

sonstigen Gebieten des Wohnungsbaues. Denn der
eigentliche Sinn, Aweck und Iiel aller Bestrebungen und
Arbeit in der Kleinwohnungsfrage, ist die Lösung der
Frage: wie kann eine in sozialer, hygienischer und prak-
tischer Hinsicht möglichst vollkommene Kleinwohnung zu
einem möglichst geringen Mietspreis geboten werden.

Ehe hier auf den zukünftigen Ausbau des Kleinwoh-
nungswesens eingegangen werden kann, müssen zu-
nächst all die Fragen besprochen werden, die sich aus dem
gegenwärtigen Stande des ganzen Problems und den
Erfahrungen im einzelnen ergeben haben. Man verstehe
recht: es soll hier keineswegs eine Lösung der Klein-
wohnungsfrage versucht werden, ein Beginnen, das weit
über den Nahmen der Arbeit hinausgehen müßte. Es
sollen einzelne wesentliche Punkte des Problems auf-
gezeigt und Möglichkeiten ihrer Lösung erwähnt werden.
All das kann nur ein Beitrag für das ganze so große und
überaus wichtige Gebiet sein. Der Verfasser beschränkt
sich daher auf die Gesichtspunkte, die ihm eine wesent-
liche Beachtung notwendig erscheinen lassen.

Das Bestreben, wirklich gute Kleinwohnungen in
großen und größten Städten zu schaffen, hat in den
letzten Jahren zu einer großen Reihe von mehr oder
weniger geglückten Unternehmungen geführt. Die Er-
fahrungen, die hierbei gewonnen wurden, sind im wesent-
lichen oft genug besprochen. So sei, was die Gesamt-
anlage betrifst, hier nur ein Punkt herausgegriffen, der
für die ganze Sache so wesentlich erscheint, daß eine
nähere Untersuchung berechtigt erscheinen muß.

Unter „Kleinwohnungen" seien hier nur Wohnungen
von zwei und drei Iimmern mit Küche und Iubehör
verstanden, so wie sie eben in den Gründungen der Städte
vorzugsweise angelegt werden und notwendig erscheinen.
Jn den weitaus meisten Fällen wird nun die Klein-
wohnungsanlage im inneren Stadtgebiet liegen, so daß
die unmittelbare Lage an einer Straße, geschlossenen
Bebauung usw. vorausgesetzt werden kann. Drei bis
vier Räume einer Wohnung aber, nach Straßenfront
und Hinterhaus bzw. Hofseite verteilt, geben für die Ge-
samtwohnung nur eine geringe Frontausdehnung.
Nechnen wir mit einer Bebauung von 10 bis 12 m Tiefe,
so wird fast immer die Tiefe der Wohnung ihr Frontmaß
ganz wesentlich übertresfen. Ein außerordentlich ernster
Nachteil gegenüber allen größeren Wohnungen. Denn
wenn man noch berücksichtigt, daß von der verfügbaren
Licht- und Luftfläche der Wohnung noch stets die für
die Nebenräume: Bad, Abort, Speisekammer, Kammer,
Flurbeleuchtung usw., erforderliche Außenwandsläche
abgeht, so ist die eigentlich atmende Fläche der nutz-
baren Wohnräume ganz bedenklich beeinträchtigt. Be-
rücksichtigt man nun noch, daß ein Wechsel des Auf-
enthaltes seitens der Bewohner je nach Bestimmung der
Räume und Tageszeit bei Kleinwohnungen nicht in Be-
tracht kommt, weil fast immer das Wohnzimmer auch zu-
gleich Schlafzimmer, event. auch Arbeitsraum ist, so er-
scheinen die Verhältnisse in recht ungünstigem Lichte.
Denn gerade bei der „komprimierten" Lebensweise der
Kleinwohnungsmieter, die eine möglichst große Menge
von Dingen und Handlungen auf möglichst kleinen Raum
unterbringen wollen, wäre die verstärkte Licht- und Luft-
zufuhr für alle Räume eine der wesentlichsten Bedingun-


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