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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 27.1917

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Heft7/8
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Häuselmann, Johann Friedrich: Das Reformationsdenkmal in Stuttgart
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https://doi.org/10.11588/diglit.26489#0187

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Das Reformationsdenkmal in Stuttgart.

als die realen Vertreter des neuen Glaubens, während
Christus gleich dem verklärten Jdeal dem Sarge entsteigt.
Dieser Gegensatz des Realen und Jdealen ist plastisch
höchst wirksam durchgeführt. Sowohl inr Geistigen der
Figuren, als im Gewandlichen, so daß sich das Konkrete
vom Abstrakten auch hier unterscheidet. Dabei war es
für den Künstler nichts Leichtech sich von Brenz ein ge-
naues Bild zu machen. Jn der Stuttgarter Stiftskirche
hangt wohl ein Ölbild von ihm, und auch auf verschiedenen
Stichen und Holz-
-schnitten ist er zu
finden. So hat ihn
Brüllmann in Voll-
bart, wohlig musku-
löser Gestalt, mit
Kanzelhemd,Kragen
und Tellermütze an-
getan, dargestellt,
und man wird ihm
kaum bestreiten kön-
nen, daß er die vor-
handenen Quellen
nicht erschöpft hätte.

Lutherstellthiereine
viel leichtere Auf-
gabe, und so ist es
vielleicht auch von
daher, daßihnBrüll-
mann um so viel
freier, ungebunde-
ner zu geben ver-
mochte. Aweifellos
ist es auch im Gei-
stigen der beiden
Manner begründet
und es ist daher
anzuerkennen, daß
das architektonisch
Gleichsame intuitiv
plastisch doch so ver-
schiedenartig ausge-
drückt werden konnte.

Dann erscheint
Christus als das gei-
stig und figural-kom-
positionell Ausstrah-
lende zugleich. Es ist
ein edler Wohlklang,
wie mit dem sinnlich
Verklärenden der
Figur zugleich das
Figurendreieck seinen Scheitel findet. Das Uberirdische
des Christus aber gibt sich auch hier wieder im Gewand-
lichen. Während Luther und Brenz so konkret wie mög-
lich gehalten sind, ist das Gewand des Christus das
Abstrakte dazu, indem der Umwurf in einem ewig be-
wegten Faltensystem aufgeht. Jnsbesondere ist es das
Diagonale, das sich hier auf das lebhafteste und strcngste
regt, während die rundere, losere Außenfalte eincn
wohligen Abschluß bildet. Der Gesichtsausdruck aber
hat das sieghaft Verklärte des Geistes.

Es wäre somit die Reformation im Plastisch-Jntui-
tiven der Figuren einmal ausgedrückt. Au diesem Neu-
aufstehen des Christus, zum verharrend Kündigenden
der Reformatoren kommt nun noch das Dekorativ-
Symbolische,das natürlich dem Laiensinn auch anc meisten
entgegenkonrmt. Am deutlichsten wird hier Brüllnmnn
in den Brüstungsreliefs und in einigen Episoden aus der
Reformationszeit, die in der Kirchenrückwand eingeritzt
sind. Jn den Sockelrelicfs ist das Pflügen, Saen und

Ernten realistisch dar-
gestellt. Sie sind nur
leicht plastisch und
belassen daher der
Sockelwand das Ge-
sanctflächenhafte.Jm
Gegensatz dazu sind
dieSarkophagwände
tieferbehandelt. Wir
sehen hier die Grab-
legung Christi, die in
ihrer Horizontalen
die Basis der Figur
nochbcsondersunter-
streichen soll. Das
tiefere Reliefmaßige
ist hier namentlich
deswegen gewählt,
weil der Sarkophag
als solcher natürlich
unmaßstäblich zur
Figur ist und daher
nur angedeutet wer-
den wollte. Die Sar-
kophagfüße aber sind
entschieden zu pla-
stisch behandelt; hier
wäre wohlleicht noch
nachzuhelfen gewe-
sen. Sie stellen die
Evangelistenzeichen
dar: Engel -- Mat-
thäus, Löwe — Mar-
kus, Stier -- Lukas,
Adler — Johannes.
Jn der Fahnenfläche
finden sich dann noch
christliche Symbole:
Opferlamni, Kelch,
Hostie, Sterne usw.
Die Reliefs in der
Kirchenn'and, wie
erwähnt nur leicht geritzt, zeigen den alten Stuttgarter
Schloßplatz mit der Stiftskirche, den Brenz beim Abend-
mahl, den Luther in Heidelberg vor württembergischen
Reformatoren predigend, ferner die Wartburg, das
Lutherwappen mit Spruch, den predigenden Luther
nach dem Bilde des Predella am Altar in Wittenberg
von Cranach und endlich seineBegegnung mitFrundsberg.

Auletzt ist dann der Gedanke der Reformation noch
tertlich ausgedrückt. An dem weich profilierten Posta-
ment steht der Spruch: „Jch bin der Weg, die Wahrheit

Iakob Brüllmcmn. Das Reformntioirsdcnkinal in Stuttgart: Lutherfigur.

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