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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 18.1927-1928

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Heft 4/5
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Palasovsky, Edmund: Das Rotblut-Tintenfaß
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https://doi.org/10.11588/diglit.47218#0058

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Das Rotblut-Tintenfaß
Edmund Palasovsky
Das Tintenfaß ist tiefer als das Meer
Tiefer als der Bohrbrunnen
O weitaus tiefer als die Fabrik
Und um ein Kreischen tiefer als selbst der Kuß
Um einen Fausthieb wärmer als der Gedanke
ist das Tintenfaß
Rotblut-Tintenfaß
Mit seinen Rotorscliiffen ist es volltönender
als die Geige
Um ein flammendes Laster reiner als
Schmerzen.
Hier wurde Edi geboren
Im Tintenfaß
Der kleine Edi, der gestorben ist
Mit unlöschbarer Glühlampe an Stelle des
Herzens
In der Lampe eine Frauengeste
Edi der gestorben ist ehe er die Autobusse
durch seine Lunge rinnen ließ und die rote
Rose in einer großen Eiswüste
Der ihn gesehen hätte hätte Ach wie schön
gesagt
Er trug Apachenhemden
Floren waren seine Freunde
Tief im Zement dürstend
Traurige Tiere
Und in ihnen eine Begegnung
Was wird aus den Tieren des Tintenfasses
die in der Luft verbrennen
Kinder begraben sie unter dem Rosenstrauch
Sie kehren zurück in die Wälder mit denen
zuweilen die Erwachsenen spielen wenn sic
nach Mitternacht fest die Augen schließen
Am Morgen aber verleugnen sie sie
Obdachlos irren sie in den Eishockeystädten
entlang der Sardinenbüchsen in den tod-
bringenden Wintermänteln
Sie sind an die hartgebrannten Feuer gefesselt
An die trockenen Wasser
An den Schmerz der Souterrains
Bis endlich die Feuer sich erweichen und
erwärmen

Bis endlich die Wasser sich feuchten und
ergießen
Bis endlich sich etwas auflöst und neu wird
und die Wirbelwinde aus dem Tintenfaß
steigen
Um unter den schaumweißen Hemden
Tiefinnen tiefinnen
Die schmerzenden Särge umzuschichten
Edis Tiere welken
Edi hat viel geweint
Sein Kopf ist ganz eigen geworden
Lackschuhe zog er an
Allen hätte er Frühlingsglut zwischen die
Ohren pflanzen mögen
Rings im Pariserzeicb
In den drolligen Händen wärmte er den
Nordpol
Dann legte er sich
Eine Frau in schwarzweißem Kleid liebkoste
ihn zärtlich
In seinem Herzen ist das Flügelkamel schöner
als die Ballkönigin von Lourdes
Dann war es aus
Er sagte nur Fischlein komm heraus aus
dem Salz
Aus dem Salz
Kinder begruben ihn unter dem Rosenstrauch
Mit der jammernden Orange an Stelle des
Herzens
Erwachsene spielen mit ihm allnächtlich
Aber am Morgen
Am Morgen umhüllten sie ihn mit Schwarz
Trugen ihn zum Grab und schrieben aufs
Kreuz das Wort
Edi
Lebte fünfundzwanzig Jahre
Seine schönen Lackschuhe sind dageblieben
Abend ward es
Da kam aus dem Rotblut-Tintenfaß die mas-
culine Orange
Eine glühende Wunde
Und weinend sagten die Gottschezverer
Ach wie schön
Genau wie Edi war
Abend ward es

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