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Zeitschrift für christliche Kunst — 6.1893

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Heft 9
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Beissel, Stephan: Die mittelalterlichen Mosaiken von S. Marco zu Venedig, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4305#0153

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269

1893. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST

Nr. 9.

270

des Malerbuches vom Berge Athos (Uebersetzung
von Schäfer S. 344) sind sie nebeneinander ge-
stellt und im Ganzen und Grofsen so gezeichnet
wie dort angegeben ist. Die Apostel Andreas und
Jakobus, welche den Täufer begraben, sind als
griechische Bischöfe gekleidet und tragen Ka-
sein, deren Musterung gerade so wie jene
der Gewänder zweier der griechischen Kirchen-
väter durch kleine Kreuze gebildet ist. (Vergl.
Fig. 3 n. 6.) Noch mehr entspricht die Darstellung
der Taufe Christi den Vorschriften des Maler-
buches (S. 178). Wir können sie mit seinen
Worten beschreiben: „Der Vorläufer steht am
Ufer des Flusses zur Rechten und hält seine
Hand über das Haupt Christi . . . ., die Linke
aber streckt er nach oben aus. Und oben ist

Tafel mit einer griechischen Inschrift. Sogar
die Bücher und Schriftbänder der lateinischen
Kirchenväter haben griechische Buchstaben,
deren Bedeutung freilich durch die Restau-
ration zum Räthsel ward. Im Buche des hl. Am-
brosius steht z. B. KCEICOKH. Dafs in dieser
Kapelle Griechen arbeiteten, dürfte kaum zu
bezweifeln sein.

Das Ganze ist aus einem Gufs. Bei jedem
Bilde und bei jeder Einzelfigur steht eine In-
schrift. Die Buchstaben aller dieser Inschriften
gehören aber derselben Alphabetform an. (Vergl.
S. 239 Fig. 3 n. 6.) Dieselbe Buchstabenform kehrt
wieder in der hier aufgestellten Grabschrift des
Dogen Dandolo (Pasini p. 226), welcher als Do-
nator auf dem Kreuzigungsbilde erscheint. Die

Figur 5. Der Tod des Vorläufers. Mosaik der Taufkapelic in S. Marco.
Nach einer Photographie von Naya zu Venedig.

der Himmel (mit einem achtstrahligen Stern' und
es geht aus ihm der heilige Geist mit einem
Strahl auf das Haupt Christi hervor .... Und
zur Linken stehen mit Ehrfurcht (drei tief ge-
beugte) Engel, welche [die Hände] unter ihren
Kleidern erhoben haben (aber nichts tragen).
Und unter dem Vorläufer mitten im Jordan ist
ein nackter Mensch, welcher quer da liegt ....
Und um Christus sind Fische." Ueberdies sieht
man auf diesem Mosaik hinter dem Täufer die
im Malerbuch bei dessen Predigt (S. 343; vor-
gesehene und am Fufse eines Baumes liegende
Axt. Im 4. Bilde trägt der Vorläufer ein Band
mit der griechischen Inschrift METANOEITE
(Mat. 3, 2). In der letzten Szene des 9. Bildes
macht der Apostel Johannes den griechischen
Rede-(Segens-)gestus und hält Andreas eine

Mosaiken sind demnach um die Mitte des XIV
Jahrh. entstanden. Pasini's (p. 230) Ansicht, die
Szene der Taufe (6.) sei „vielleicht die älteste
der Kirche" ist unhaltbar. Er hat sich verführen
lassen durch den alterthümlichen Stil der nach
dem Malerbuche angeordneten Szene. Auffallen-
der Weise tragen die griechischen, durchaus
byzantinisch behandelten Kirchenväter Schrift-
rollen mit lateinischen Texten. Ist das vielleicht
eine der zahlreichen Aenderungen, welche die
Restaurateure sich erlaubten?

Der frische Hauch, welcher das Mosaik der
Fagade und die letzten Bilder der Vorhalle be-
lebt, fehlt der Tauf kapeile; es bleibt demnach
ein höchst auffallender Rückschritt aus schon
stark gothisirenden Bildern in archäisirende und
byzantinische zu verzeichnen.
 
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