Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für christliche Kunst — 6.1893

DOI Heft:
Heft 9
DOI Artikel:
Bücherschau
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4305#0162

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
287

1893. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST -- Nr. 9.

•288

nicht verzichten. Seinen praktischen Zielen entsprechend
braucht er erst mit der griechischen Kunst zu beginnen,
da von den vorhergehenden Stilarten in der Kunstthätig-
keit unserer Zeit keine mehr durchklingt. Die klas-
sische Antike steht also an der Spitze seiner
Untersuchungen und die indogermanischenKunst-
anfänge im nördlichen Europa schliefsen sich sofort
an. Im II. Theil wird sodann das altchristliche
Ornament behandelt, des weiteren die Entwickelung
verfolgt, welche die Dekoration im oströmischen,
wie im weströmischen Reich genommen, aus der,
nicht unbceinfluist von anderen Einwirkungen, die
arabische Kunst und die karolingische Re-
naissance hervorgegangen ist. AU' diese Dekorations-
systeme erscheinen dem Verfasser vornehmlich als die
Vorläufer der mittelalterlichen Kunst, zunächst des
abend ländischenRomanismus, der den Haupt-
inhalt des III. Theiles bildet, in welchem dem byzan-
tinischen und arabischen Mittelalter nur einige Seiten
gewidmet sind. Ueberall sucht der Verfasser die Ver-
änderungen nachzuweisen, welche die Stilbewegung in
der Gestaltung der Formen hervorgerufen hat, und die
zahlreichen, sehr geschickt ausgewählten Abbildungen
haben nur den Zweck, diese Untersuchungen zu unter-
stützen, woraus ihr engster Anschlufs an den Text
von selber sich ergab. In der west- und oströmischen
Antike, wie in den nordischen Ueberlieferungen er-
scheinen die Keimformen, aus denen der romanische
Stil allmählich herausgewachsen ist, indem jene mit
dem Geiste des Christenthums durchtränkt wurden.
Dafs bei diesen weitverzweigten, hochinteressanten
Untersuchungen, bei denen der Verfasser, trotz seiner
Vorliebe für die Antike, doch in seinem eigentlichen
Elemente sich befindet, Frankreich und Deutschland
im Vordergrunde der Untersuchung stehen, versteht
sich von selber bei der Ausdehnung und Eigenartig-
keit, zu welcher der romanische Stil gerade in diesen
beiden Ländern sich entfaltete. Ein Genufs ist es, dem
das Gebiet in seltenem Maafse beherrschenden, daher
die einzelnen Formen und Motive mit frappanter Sicher-
heit analysirenden Verfasser zu folgen in seinen ver-
wickelten Untersuchungen, wie er überall nach rück-
wärts schaut, um die Quellen und Quellchen nach-
zuweisen, aus denen der Strom herausgeflossen ist,
aber stets auch vorwärts blickt, indem er die Be-
ziehungen zur Gegenwart im Auge behält, sie prüfend
in Bezug auf die Formen, welche sie sich anzueignen
versucht, sie belehrend in Bezug auf diejenigen, auf
welche sie sich zu beschränken hat, wenn sie nicht
in die Irre gehen soll. So verbinden sich in dem vor-
trefflichen Werke historische Forschung und praktische
Anweisung, also gerade die beiden Elemente, aus
denen das Kunstschaffen unserer Tage seine Nahrung
ziehen mufs, wenn es ein gesundes sein und bleiben
soll. Dem Archäologen wie dem Künstler bietet daher
der Verfasser reiche Belehrung, wie er selber den Bau-
künstler darstellt, den die ausgedehntesten Studien
zum Archäologen gemacht haben. — Sein Urtheil über
das gothische Dekorationss3'stem zu vernehmen, darf
man um so gespannter sein, als gerade die Einflüsse,
aus denen dieser originellste aller Formenkreise heraus-
geflossen ist, noch so manches Dunkel umgibt.

Schnüt^en.

Von dem Manuel de l'amateur de la gravure
sur bois et sur metal au XV0 siecle par W. L.
Schreiber, dessen beide ersten Bände hier eingehend
besprochen wurden, sind ganz kurz nacheinander zwei
weitere Bände erschienen: Tome troisiemc con-
tenant un catalogue des gravures sur metal et des ein-
preintes en päte suivi d'un Supplement provisoire, d'une
clef des attributs des Saints et d'une liste des marques
et des monogrammes, avec des notes critiques, biblio-
graphiques et iconologiques und Tome sixieme con-
tenant un atlas de fac-similes de gravures sur bois et
sur metal et d'empreintes en pate.

Im III. Bande beschreibt der Verfasser nachein-
ander die Metallschnitte, die Teigdrucke, die
Schwarzdrucke mit weifsen S chraffirungen
nach der in den beiden ersten Bänden beobachteten
Reihenfolge. Daran schliefst sich ein vorläufiges
Supplement, welches für den I. Band schon 27,
für den II. Band gar 51, für den III. Band 2 Nummern
aufweist, ein Beweis, dafs dein Verfasser trotz seiner
langen und sorgsamen Vorbereitung das Material be-
ständig unter der Hand wächst. Von besondererWichtig-
keit ist der 30 Seiten umfassende, sehr vollständige
Schlüssel für die Beigaben der Heiligen,
der die Bestimmung der letzteren wesentlich erleichtert,
sowie das 24 Seiten füllende, viel Neues bietende Ver-
zeichnifs der Künstlerzeichen u. Monogramme.
Bewunderungswürdig ist auch hier wiederum der Fleifs,
mit dem der Verfasser gesammelt hat, und die Menge
seiner Entdeckungen und Funde.

Der VI. Band in Grofsfolio enthält 35 Tafeln,
welche in natürlicher Gröfse 27 Holzschnitte (deutschen,
flämischen, italienischen Ursprungs), 6 Schrotblätter,
2 Teigdrucke, die beiden letzteren farbig, wiedergeben.
Sie sind aus 28, über ganz Europa zerstreuten Samm-
lungen mit unsäglichen Mühen zusammengesucht und
ihre Bedeutung ist um so gröfser, als keiner derselben
bisher veröffentlicht ist. In Bezug auf Technik, Ikono-
graphie, Kulturgeschichte ist dieser Atlas überaus lehr-
reich und der Einblick, den er in die Entwickelung
des Formschnittes in den verschiedenen Kulturländern
gewährt, ist um so vollendeter, als die Reproduktionen
trotz der Schwierigkeilen, unter denen sie entstanden
sind, nichts zu wünschen übrig lassen. Manche der-
selben sind datirt; wo die Datinmg fehlt, hat der Ver-
fasser eine stilkritische Zeitbestimmung beigefugt, die
aber in Bezug auf die erste Abbildung, einen die
Madonna von Loreto darstellenden Stoffdruck, zu be-
anstanden ist, der sicher nicht dem XV. Jahrh. ange-
hört, vielleicht erst dem Ausgange des XVII. Jahrh.
— Hoffentlich gelingt es diesem interessanten Bilder-
atlas (dessen Preis von 12 Mark nur als ein Bruchtheil
der Herstellungskosten erscheint) dem Studium des
Formenschnittes neue Anhänger zu gewinnen, was um
so Wünschenswerther ist, als auf diesem so anregenden
wie wichtigen Gebiete fast nur ältere Herren thätig
sind. So sehr der Kreis der Sammler im weitesten
Sinne des Wortes sich erweitert; insoweit es sich um
ernste Objekte handelt, wird der Nachwuchs leider
immer dünner. Werke, wie das vorliegende, sind be-
sonders geeignet, den Sammeleifer auf würdige Gebiete
zu lenken und bei Bethatigung desselben als zuver-
lässige Führer an die Hand zu gehen. B.
 
Annotationen