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Zeitschrift für christliche Kunst — 6.1893

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Heft 11
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Tafel IX
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Lehrs, Max: Ein kölnisches Gebetbuch mit Stichen des Meisters P W
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https://doi.org/10.11588/diglit.4305#0192

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343

1803. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST

Nr. 11.

344

2 b. Kopie mit Hinzuftigiing eines Thrones
und eines auf zwei Säulen ruhenden Blattwerk-
bogens in einem nicht getheilten Rahmen mit
acht Vögeln, Blumen und Erdbeeren 98:77 mm
Einf. Unbeschrieben. London: South Ken-
sington Museum.

2c. Gegenseitige Kopie. Maria sitzt
auf der Mondsichel, und ihren Nimbus um-
geben zwölf Sterne. Im Vordergrunde ganz
klein: Wald, Wasser mit einem Kahn und ver-
schiedene Pflanzen. — Oben sind die beiden
schwebenden Engel mit der Krone nach der
Madonna Nr. 1 hinzugefügt. — Die Darstellung
umgibt ein Rahmen, der ebenfalls nach der
vorerwähnten Madonna kopirt ist, nur ohne die
Eintheilung in Felder und mit einigen Blumen
aus dem Rahmen von Nr. 2. Unten innerhalb
der Einfassungslinie steht etwas rechts von der
Mitte ein V. 76:55 mm Einf. ohne den Rahmen,
119:87 mm Einf. mit demselben. »Naumann's
Archiv« XIV. 36. 119.' (Andresen). London:
Brit. Mus. Von dieser ungeschickten und
wie a und b schon dem Anfang des XVI. Jahrh.
angehörigen Kopie besitzt das British Museum
zwei Exemplare. Das eine davon, mit dem
niederdeutschen Wasserzeichen des gothi-
schen p, ist unkolorirt und wurde 1862 er-
worben; das zweite, mit Zinnober, Gelb und
Grün kolorirt, stammt aus dem 1868 an das
Printroom gelangten Drugulin'schen Gebetbuch
und wird von Andresen, der das Vorbild nicht
kannte, noch in's XV. Jahrh. gesetzt. Willshire
hat die beiden Blättchen nicht in seinen Kata-
log aufgenommen. Sie befanden sich bisher
unter den einzureihenden Stichen.

3. Der Schmerzensmann im Grabe
stehend. Der dornengekrönte Heiland steht,
von vorn gesehen, mit gebundenen Händen bis
an die Hüften im Sarkophag. Er ist nur mit
dem Lendentuch bekleidet, neigt das Haupt auf
die rechte Schulter und hält im linken Arm die
Geisel, im rechten die Ruthe. Sein Körper ist
über und über mit Wunden bedeckt. Hinter
ihm ragt das Kreuz mit Schwammrohr und
Lanze. Auf dem Rand des Sarges stehen links
die drei Salbenbüchsen. Den Grund füllen die
übrigen Passions werkzeuge: links Judaslohn, Kopf
und Hand eines Schergen, Zange und Hammer,
rechts die drei Nägel, die Hand mit der Haar-
locke und drei Würfel. Die Darstellung um-

gibt ein Rahmen, der, unten und auf der linken
Seite breiter, mit Ast- und Blattwerk gefüllt ist.
Oben in der Mitte fliegt ein Kinderengel, der
mit dem Bogen nach einem rechts befindlichen
Vogel zielt. Ein zweiter Vogel sitzt links in
der Mitte. Unten links und rechts stehen auf
Erdhügeln zwei nackte Kinder mit Lanze und
Schild, ersteres von hinten, letzteres von vorn
gesehen. 6-1:40 mm Einf. ohne den Rahmen,
100: 69 mm Einf. mit demselben, ?: 74 mm Platte.
Unbeschrieben.

Bei diesem Stich, der noch mehr als die
beiden andern durch das Kolorit beeinträchtigt
wird, ist der Plattenrand oben abgeschnitten.

Alle drei Blätter sind offenbar eigens zu
dem Zweck gestochen, als Illustrationen in
Gebetbücher eingefügt zu werden, wo sie auch
von der Hand eines geringeren Künstlers kolorirt
werden konnten und so einen wohlfeilen Ersatz
für die kostspieligen Miniaturen boten. Andere
Beispiele dieser Art sind mir unter den Kupfer
Stichen des XV. Jahrh. nicht bekannt. Das
Dresdener Kabinett erwarb aber 1889 einen
Holzschnit, der die schöne Maria von Regens-
burg (?) in einem Rahmen mit Streublumen
darstellt und jedenfalls für den gleichen Zweck
gefertigt wurde. Schreiber (Nr. 1037) hält das
anmuthige Blättchen für niederländisch und aus
der Zeit von 1480—1500 herrührend. Meines
Erachtens ist es jedoch unzweifelhaft ober-
deutsch und steht bereits an der Wende des
Jahrhunderts wie die Gebetbuchstiche des
Meisters P. W.

Es wäre sehr erfreulich, wenn es der köl-
nischen Lokalforschung gelänge, ähnliche Bre-
viere mit eingedruckten Kupferstichen, wie sie
ohne Zweifel um die Wende des XV. Jahrh.,
als der Bilddruck die Miniatur allmählich ver-
drängte, in Menge verbreitet wurden, am Ort
ihrer Entstehung aufzufinden. In vielen Biblio-
theken hält man dergleichen bemalte Stiche für
Miniaturen und schenkt ihnen nicht die nöthige
Beachtung. Aus dem angeführten Beispiel er-
sieht man jedoch, wie wichtig sie unter Um-
ständen für die Kenntnifs eines so hervor-
ragenden und bedeutsamen Künstlers werden
können, wie es der Meister P W für seine Vater-
stadt Köln ist.

Dresden. Max Lehrs.
 
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