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Zeitschrift für christliche Kunst — 6.1893

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Heft 12
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Dittrich, Franz: Geschichte eines Hochaltars
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https://doi.org/10.11588/diglit.4305#0199

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355

1893. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 12.

BSG

Geschichte eines Hochaltars.

Mit Abbildung.

iS trifft sich gerade nicht oft, dafs
man in der Lage ist, die Geschichte
eines bestimmten Altares einer
Kirche von seinen ersten Anfängen
Jahrhunderte hindurch zu verfolgen und, was
die Hauptsache ist, in den verschiedenen Wande-
lungen und Gestaltungen, welche er im Laufe
der Zeit erfahren, mit Augen schauen zu können.
Ein solches Beispiel ist der Hochaltar der
Katharinen-Pfarrkirche zu Braunsberg; seine
Geschichte ist ein Stück Kunstgeschichte von
vier Jahrhunderten, und so mag es gerecht-
fertigt erscheinen, die Geschichte dieses Al-
tares hier zu erzählen, seine Wandelungen in
Wort und Bild vorzuführen.

Als die gegenwärtige Braunsberger Pfarr-
kirche im Jahre 1381 in der Hauptsache so
weit fertig war, dafs der beständige Gottesdienst
darin gehalten werden konnte, mufste sie natür-
lich auch sofort einen Hauptaltar erhalten, der
aber jedenfalls nur provisorisch und derart war,
dafs uns seine Form und Einrichtung nicht
weiter interessiren kann; fehlte damals doch
noch selbst das Gewölbe des Baues, welches
erst nach der Mitte des XV. Jahrh. eingefügt
werden konnte. Der erste definitive Hochaltar
stammt aus dem Ende des XV. Jahrh. und
war ein Werk von bedeutenden Abmessungen,
ein Flügelaltar mit einer Flügelspannung von
4,30 m und einer Höhe von 2,85 ohne Pre-
della und obere Bekrönung. Woher wissen
wir das? Einfach daher, weil das Mittelstück
sich noch heute vorfindet, eingebaut in den
Hochaltar der Pfarrkirche zu Neuteich in der
Weichselniederung. Dieser Mittelschrein hat
einen vergoldeten, mit eingeprefsten Mustern
verzierten Hintergrund und enthielt einst,
gleichwie auch die Flügel, freie plastische
Figuren, vergoldet und bemalt. Welche figür-
liche Darstellungen es gewesen, läfst sich nicht
mehr mit völliger Sicherheit feststellen. Die
Gruppe der Trinität (Gott Vater und Gott Sohn
nebeneinander, darüber die Taube des hl. Geistes)
welche wir an der Stelle im Neuteicher Altar
finden, hat zwar einen noch ziemlich mittel-
alterlichen Charakter, aber doch nicht einen
solchen, dafs sie nicht auch am Anfange des
XVII. Jahrh., wo sich in Ostpreufsen der Ueber-
gang von der mittelalterlichen Kunst in die

Renaissance eigentlich erst vollzog, enstanden
sein könnte. Die Stilverwandtschaft dieser
Gruppe mit den anderen Skulpturen des Altar-
werkes scheint für ihre Entstehung in den ersten
Jahren des XVII. Jahrh. zu sprechen. Es ist
sogar nicht ausgeschlossen, dafs auch der
Mittelschrein mit seinem vergoldeten und damas-
zirten Hintergrunde um diese Zeit neu gear-
beitet sein kann — haben wir doch in der
Braunsberger Kirche eine ganze Reihe von
Bildern auf ähnlichem Goldgrunde aus den
Jahren 1609 und 1010 —, dann aber gewifs,
wie in analogen Fällen geschehen, unter Beach-
tung der Maafsverhältnisse des alten Altarwerkes.
— Der Flügelaltar erhielt sich in seiner ur-
sprünglichen Form bis in den Anfang des
XVII. Jahrh. Es war die Zeit, als die Früchte,
welche die grofsen ermländischen Bischöfe
Stanislaus Hosius und Martin Cromer im Verein
mit den Jesuiten von Braunsberg gesäet, unter
dem nicht minder tüchtigen und eifrigen Bischof
Simon Rudnicki zu reifen begannen, und da
war es nur natürlich, dafs der warme kirch-
liche Eifer sich auch einer Erneuerung und
Ausschmückung der Gotteshäuser zuwandte.
Es geschah nun in Brannsberg, was sich an
vielen ermländischen Altären des XVII. Jahrh.
beobachten läfst: man bereicherte den alten
geöffneten gothischen Altarschrein mit festen
Säulen, Gebälk, Schnörkeln und anderen Ele-
menten des neuen Stiles und setzte ein zweites
und drittes Stockwerk darauf, um dem neuen
Werke ein mehr imponirendes Aussehen zu
geben, wie es der Zeitgeschmack verlangte.
In den Akten der General Visitation von 1609,
welche der Diözesansynode von 1610 voraus-
ging, wird bemerkt, dafs der Flochaltar in
Arbeit sei; noch in demselben Jahre konnte
er zu Ehren der hl. Dreieinigkeit und der
hl. Katharina und Magdalena konsekrirt werden,
wie nicht nur die Kirchenakten von 1647 be-
zeugen, sondern auch eine Inschrift auf dem
Altare selbst „Anno 1609", nebst dem Wappen
des Bischofs Simon Rudnicki (f 1621). In den
Visitationsakten des Jahres 1700 wird uns der
Altar als ein Werk des Renaissancestiles von
bedeutender Höhe und mit reichem plastischen
Schmuck beschrieben. Im ersten Stockwerk
sah man eine plastische Darstellung der Trini-
 
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