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Zeitschrift für christliche Kunst — 6.1893

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Heft 12
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Dittrich, Franz: Geschichte eines Hochaltars
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https://doi.org/10.11588/diglit.4305#0201

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359

1893.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 12.

360

Strahlendreieck der Name Gottes in hebräischen
Buchstaben, alles von einer Wolke umgeben,
und über dem Ganzen ein Thronhimmel.
Zwischen den umrahmenden Säulen sieht man
links und rechts die überlebensgrofsen Statuen
des Hohenpriesters und des Papstes. Die Kosten
des ganzen Altarbaues beliefen sich auf 4800 fl.
Davon erhielt der Maler für das Hauptbild,
welches wohl mit Rücksicht auf den einstigen
Schmuck des Mittelschreines eine Darstellung
der Trinität, im unteren die hl. Katharina mit
anderen Heiligen enthält, und für zwei kleine
ovale Bilder 500 fl (= Mk.), der Tischler 1100,
der Bildhauer 700, der Maler für Vergoldung
und Anstrich 2500 fl. Erst im Jahr 1772 war
das Werk, wie es jetzt vor uns steht, vollendet;
1773 kam das Tabernakel hinzu, ein Kuppel-
bau in vereinfachten Rokokoformen, ohne jede
organische Verbindung mit dem Altaraufsatz
einfach auf dem Tische stehend.

Bei der Restauration der Kirche, welche bereits
im Gange ist, wird man kein Bedenken tragen,
den Chorraum wesentlich in seinen Zustand vor
1009 zurückzuführen; man wird den künstlerisch
gänzlich werthlosen Altar entfernen, die Chor-
fenster, welche bei Errichtung der kolossalen
Altaraufsätze vermauert wurden, wieder frei
legen und mit figürlichen Glasmalereien
schmücken und auf dem Altarsteine, welcher
unter allen Wandelungen des Aufbaues immer
derselbe geblieben ist, einen Aufsatz errichten
müssen, welcher dem Stile der Kirche und den
Anforderungen eines guten Geschmackes Rech-
nung trägt. Unseres Erachtens darf es nur ein
Flügelaltar in Verbindung mit einem Ciborium
sein. Dabei wird eines zu beachten sein, was
man in alter Zeit nicht leicht aufser Acht zu
lassen pflegte: der Altar mufs als ein zum Bau
gehöriger Theil aufgefafst und behandelt werden;
Umfang, Gestalt und selbst das einzelne Orna-
ment mufs in Wechselwirkung zu der Gliede-
rung und den Verhältnissen des Altarraumes,
auch der Gestaltung und Dekoration der Fenster
stehen; alles mufs eben zur Erreichung eines
Zieles harmonisch zusammenwirken. Die Maafs-
verhältnisse des in den Neuteicher Altar ein-
gebauten alten Schreinaltares dürften wohl die
rechten sein, da man annehmen mufs, dafs der
mittelalterliche oder der diesem folgende Meister
von 1609 mit dem jener Zeit eigenen feinen
Sinn für Arerhältnisse sein Werk gerade dem
vorhandenen Altarraum an- und eingepafst

haben werde. Bei der Ausstattung des Altares
mit Figuren wird man zu beachten haben, dafs
aut allen drei bekannten Altären die Trinität
dargestellt war, neben ihr die beiden Schutz-
heiligen der Kirche, Katharina und Magdalena,
mit einigen oder allen Aposteln. Wer ist nun
berufen, solche Altarentwürfe auszuarbeiten?
Gewifs in erster Reihe der Architekt1) als der
Schöpfer des Gesammtbaues und der Raum-
verhältnisse. Er mufs aber vor allem auch mit
dem Glasmaler, Bildhauer und Dekorateur
Fühlung suchen, um im Verein mit ihnen die
harmonische Zusammenwirkung der Chorfenster
mit der Architektur, Plastik, Malerei des Altar-
werkes und der Dekoration des Chorraumes zu
berechnen.

Braunsberg. Fr. Diltrich.

1) [Dass der Architekt bei der Ausstattung einer
von ihm gebauten Kirche auch in Bezug auf die für
die Möbel zu wählenden Formen ein Wort mitzureden
hat, kann gewifs nicht zweifelhaft sein. Wenn er
sich aber mit der geschichtlichen Entwickching der
betr. Möbel, also hier speziell des Altares, nicht ein-
gehend beschäftigt, wenigstens nicht eine genaue
Kennlnifs der für die bezügliche Stilperiode mafs-
gebenden Formen sich angeeignet hat, dann ist er um
so weniger berufen, die Entwürfe anzufertigen, falls
dieselben in einem ihm nicht ganz geläufigen Material
ausgeführt werden sollen, als welches in der Regel
Holz und Metall zu gelten haben. Hier sind die zur
Ausführung bestimmten Meister im Allgemeinen auch
mit der Ausarbeitung der Pläne zu betrauen und die-
jenigen Bildhauer, die heutzutage einen Altar nicht zu
entwerfen vermögen, sind zumeist auch in Betreff der
Ausführung zu beanstanden. Die Erfahrung lehrt,
dafs die meisten Architekten den Ehrgeiz haben, auch
für aufserhalb ihres Baubereiches liegende Gegenstände
die Pläne festzustellen und dafs sie dieselben mit Vor-
liebe untergeordneten Kunsthandwerkern zur Aus-
führung übertragen, die dann nicht einmal die Fähig-
keit haben, mancherlei (vornehmlich durch die unzu-
längliche Kenntnifs des Materials herbeigeführte)
Mängel des Entwurfes auszumerzen. Anderseils darf
auch nicht unerwähnt bleiben, dafs manche Bildhauer
über ihrer Ausbildung in der figuralen Plastik fast
vollständig diejenige in Bezug auf das Ornament und
namentlich in Bezug auf die Architektur vernachlässigt
haben; sehr zum eigenen wie zu der Sache Nachtheil.
Denn gerade die Architektur spielt, zumal in dem
gothischen Stile, die Hauptrolle bei den Möbeln, von
denen manche wohl der figuralen Ausstattung entbehren
können, aber nicht der architektonischen Gestallung,
d. h. derjenigen konstruktiven Formen, welche Gegen-
stand und Material in dem Organismus des Bauwerkes
verlangen. Leider wird auch in den vornehmlich der
Kirchenausstattung dienenden Bildhauerwerkstätten das
an sich gewifs schwierigere figurale Schaffen derart in
den Vordergrund gestellt, dafs das Studium der Holz-
architektur arg vernachlässigt wird. D. H.]
 
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