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Zeitschrift für christliche Kunst — 7.1894

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1894. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTUCHE KUNST — Nr. 1.

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Über einzelne Kunslzweige. Bei keinem derselben ist
der Inventarbestand in solcher Zunahme begriffen, als
bei den mittelalterlichen Wandmalereien, deren immer
neue unter der Tünche auftauchen. Es ist daher Zeit,
sie zusammenfassend und systematisch zu behandeln;
und die beiden längstbewährlen badischen Forscher
haben das Verdienst der Initiative. — Sie eröffnen ihr
Sammelwerk mit einem interessanten Cyklus, der die
ganze Ausstattung einer Kapelle von mäfsigen Dimen-
sionen bildet und hinreichend erhalten ist, um, mit
grofser Sorgfalt aufgenommen und sehr geschickt repro-
duzirt, eine zuverlässige Vorstellung von der ganzen
Ausmalung zu geben, die dem ersten Viertel des XV.
Jahrh. angehört. Dieselbe ist fast ausschliefslich figural,
besieht in 5-4 Standheiligen und einigen Gruppen. Fast
alle Heilige sind kenntlich, sei es durch ihre Attribute,
sei es auch durch Beischriften, und nur eine in einem
Buche lesende Heilige, welche mit dem befremdlichen
Ausdruck „Heilige Leserin" bezeichnet wird, läfst
mehrere Deutungen zu. Die Figuren zeichnen sich
durch breite dekorative Behandlung, durch bestimmte
Zeichnung und besonders durch geschickte Gewand-
behandlung aus, die mit grofser Sicherheit und Mannig-
faltigkeit gehandhabt ist. Die stellenweise etwas ge-
spreizte Manier erhöht noch diese mannigfaltige Wir-
kung, welche durch die langen Reihen Ubereinander-
geordneter Figuren derselben Gröfse um so mehr ge-
fordert wurde. — Die bereits vor 8 Jahren veröffent-
lichte, hier von dem Herausgeber mit mancherlei Zu-
sätzen versehene, eingehende Beschreibung sucht den
Gemälden nach den verschiedenen Richtungen, nach
denen sie Beachtung verdienen, gerecht zu werden.
Sie werden defswegen ikonographisch mit Sorgfalt und
Sachkenntnifs geprüft, in Bezug auf ihre künstlerische
Bedeutung wie auf ihre Stellung in der Kunstgeschichte
beuftheilt, und die bezüglichen Unterweisungen sind
recht zutreffend und lehrreich. In Betreff der Technik,
der Farbenbehandlung, namentlich der aufsergewöhn-
lich reichen Verwendung des Goldes u. s. w. hätten
jene wohl noch vermehrt werden dürfen, und würde
gewifs eine noch vollkommenere und vielseitigere Be-
handlung des ganzen Cyklus sich ergeben haben, wenn
der Herausgeber sich nicht auf Emendirung des doch
schon etwas veralteten Textes beschränkt hätte. Auch
auf den grofsen vorbildlichen Werth, den diese figuralen
Gestaltungen für das heulige Kunstschaffen zweifellos
haben, wäre ein noch intensiverer, die praktischen Ge-
sichtspunkte mehr hervorkehrender Hinweis am Platze
gewesen. Eine so lange Reihe volkstümlicher Heiligen-
figuren ist ein von den Kirchenmalern besonders dank-
bar zu begrüfsender Schatz. G.

Holzschnitzereien. Eine Auswahl aus der Samm-
lung des k. k. österr. Museums auf 55 Tafeln in Licht-
druck. Herausgegeben und mit einer Einleitung ver-
sehen von Jacob von Falke. Wien 1893, Verlag
von Anton Schroll & Cie. (35 Mark.)

Mittelalterliches Holzmobiliar. 40 Tafeln in

Lichtdruck. Herausgegeben und mit Text begleitet

von Jacob von Falke. Wien 1894, Verlag von

Anton Schroll & Cie. (40 Mark.)

Der Vorstand des Wiener Kunstgewerbemuseums

— namentlich sein feinsinniger Direktor — versteht

es, seine Kunstschätze, eigene wie geliehene, in guten
Abbildungen der Wissenschaft, besonders der Praxis,
zugänglich zu machen, und die Einleitungen zu diesen
Veröffentlichungen sind stets Kabinelstückchen von
knapper und doch klarer Zusammenfassung, meister-
hafte, weil alle springenden Punkte markirende, immer
Neues in geistreicher, daher höchst anregender Form
bietende Ueberblicke über die Entwicklung der bezüg-
lichen Kunstzweige.

Die Holzschnitzereien des österr. Museums
haben den Vorzug grofser Mannigfaltigkeit. Am besten
ist unter ihnen die deutsche Figuralplastik des XVI.
Jahrh. vertreten, zumeist spätgothische Heiligenfiguren
oder Gruppen, von denen manche den Reiz der ur-
sprünglichen farbigen Bemalung bewahrt haben. Aber
auch aus der späteren Zeit fehlt es nicht an kirchlichen
Skulpturen, obwohl die meisten Tafeln profanes Schnitz-
werk vorführen: Standfiguren und Reliefs, Schränke
und Truhen, Füllungen und Bekrönungen, allerlei
interessantes und lehrreiches Geräth, welches den Kunst-
handwerkern eine Fülle werlhvoller, weil vielfach zu
verwerthender Motive bietet. Die Einleitung umfafst
nur 13 Seiten, liefert aber von dem Holze, seinen
künstlerisch-bildsamen Eigenschaften, und der Ausge-
staltung, die sie im Laufe der Geschichte in den ver-
schiedenen Kulturländern, namentlich in Deutschland,
erfahren haben, ein ungemein ansprechendes Bild,
welches überreich ist an Aufklärung und Belehrung.

Noch viel merkwürdigere Holzgebilde führt das
oben an zweiter Stelle bezeichnete Werk vor; ein
volles Hundert fast ausschliefslich mittelalterlicher Möbel,
die, fast sämmtlich aus Wiener Privatbesitz stammend,
in der im österr. Museum vor Jahresfrist veranstalteten
Ausstellung mittelalterlichen Hausraths vereinigt waren.
Diese kostbare Sammlung durch vorzügliche Lichtdrucke
zum Gemeingut gemacht zu haben, ist ein grofses Ver-
dienst. Sie umfafst Tische, Bänke und Stühle (Kalt-
slühle, Lehnstühle, Prunkstuhle), Schränke und Betten,
Kasten und Kisten, Truhen und Laden, Kästchen und
Kassetten, Thüren und Füllungen, Spinnrocken und
Lesepulte, Slellbretter, Handtuchhalter u. s. w. Die
meisten dieser Gegenstände sind nord- und namentlich
süddeutschen Ursprunges, mehrere italienischer, einige
französischer Provenienz. Einige zeigen noch romani-
sirende, manche frühgothische Formen. Die meisten sind
in technischer Hinsicht von meisterhafter Ausführung
und an viele« interessiren aufser der Form und dem
Schnitzwerk auch noch die zum Theil formvollendeten
Eisenbeschläge, aufgemalte oder reliefartig aufgetragene
Verzierungen u. s. w. Da die Abbildungen grofs und
scharf sind, so sind auch die Einzelheiten, namentlich
auch die Profile, auf die es so sehr ankommt, klar ge-
nug erkennbar, um von jedem einigermafsen geschulten
Bildhauer in die Holzform mit Sicherheit zurückübersetzt
werden zu können. Nimmt man hinzu, dafs die Ein-
leitung, in der vielleicht das überaus bedeutungsvolle,
erst im XV. Jahrh. zum vollen Durchbruch kommende
Gesetz von Rahinenwerk und Füllung noch etwas
stärker hätte betont werden können, über die Ent-
wicklungsstufen der einzelnen Möbelgattungen vor-
trefflich orientirt, so vereinigt sich Alles zu einem voll-
kommenen, für den Kullurhistoriker wie für den Kunst-
handwerker unentbehrlichen Werke. Schnütgen.
 
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