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Zeitschrift für christliche Kunst — 7.1894

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Thewalt, Karl Ferdinand: Flandrischer Schrank des XV. Jahrh.
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https://doi.org/10.11588/diglit.3824#0071

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1894. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 4.

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schien also nur eine ornamentale Behandlung
übrig zu bleiben. Da diese aber gegenüber
den gleichartigen Lisenen etwas eintönig ge-
wirkt haben würde, so zerlegte der Künstler
die schmale Gesammtfläche durch Freilassung
eines glatten Streifens für die Aufnahme einer
möglichst reichentwickelten Schlofsplatte in
zwei quadratische Schmuckfelder. In dem obe-
ren, augenfälligeren Felde wiederholt sich neben
einem gleichen Laubwerkbande, wie bei dem
Oberthürchen auch dessen Flachnische, in der
wir einen knieenden Engel als Wappenhalter
gewahren; das untere Ornamentfeld wird mit
Maafswerk ausgefüllt. Auch hier weist der
still verklärte Gesichtsausdruck der von einem
faltenreichen, kirchlichen Gewände umflosse-
nen, knieenden Engelsfigur, welche das an
einem Lederriemen mit der Linken leicht er-
hobene Wappenschild der Herzöge von Aren-
berg, von der Rechten unterstützt, schirmend
unter den Schatten ihrer mächtigen Flügel
birgt, auf die vollendeten Vorbilder der vor-
erwähnten Malerschule hin und fesselt wohl
berechnet auch in diesem Sehwinkel noch
das volle Auge des Beschauers, während das
untere auf Grund geschnittene Maafswerkfeld
bescheiden zurücktritt. Auch bei dieser Thüre
entsprechen die vorhandenen Eisengehänge
nicht der sonst bei diesen Prunkmöbeln her-
kömmlichen Eleganz, ohne indessen wie auch
oben der plastischen Gesammtwirkung darum
Eintrag zu thun. Die durchbrochenen Fül-
lungen zu beiden Seiten der Mittelthüre zeigen
im Allgemeinen übereinstimmend mit jenen
des Obergeschosses im unteren Drittel ein dop-
peltes Stabwerk, das sich nach oben in ein
herzförmig wechselndes Maafswerk mit Klee-
blattmitteln abwandelt. Auch diese Schrank-
etage flankiren schlanke mannigfach geglie-
derte aus der Schräge des kräftigen Sockel-
profils aufwachsende Fialen.

Was dem fein empfundenen Bau und der
plastischen Ausbildung unseres Schrankes aber
einen ganz besonderen Reiz verleiht, sind ein
unter der Sockelkante auf den drei Schauseiten
zurückspringendes Hangstück mit einem ge-
theilten Friese von Fischblasen- und Laubbogen-
ornament in durchbrochener Arbeit und die in
derselben Technik wie die vorderen Lisenen
nur noch weitaus mannigfaltiger durchgeführ-
ten, unteren wie oberen Seiten füllungen, von

denen sechs mit Stabwerkanfängen in der
oberen Ausgestaltung zu einem guten Theil den
gothischen Formenkreis erschöpfen, während
zwei derselben verschiedenartige Lilienfiguratio-
nen tragen. Nicht weniger bestimmend als die
figuralen Vorwürfe ist eben diese fein abge-
wogene Ausbildung der Seiten, einschliefslich
des Hangstückes, welche dem Möbel in der
Querachse eine überraschend malerische Sil-
houette geben, um dasselbe als ein Werk der
burgundischen Niederlande anzusprechen, zu
welcher Feststellung die beiden Lilienfüllungen
ebenso wie das Wappen des dort angesesse-
nen Herzoghauses auch eine heraldische Be-
stätigung liefern dürften. Das bei einer Höhe
1,46 m, 0,74 m breite Schränkchen zeigt keine
Spuren eines oberen Aufsatzes, wie solche bei
flandrischen Möbeln dieser Periode vielfach
vorkommen; war er dennoch früher vorhan-
den, so ist er wie die Enden der neuergänzten
Stollen dem Raube der Zeit verfallen.

Neben dem kunsttechnischen Interesse
nimmt übrigens die Holzplastik der burgun-
dischen Niederlande noch ein ganz besonderes
nationales für den Niederrhein, insbesondere die
kurkölnischen Lande, dadurch in Anspruch, dafs
diese Kunstübung unter den klevischen Her-
zögen Adolph IL und Johann L, welche beide
burgundische Prinzessinnen zu Gemahlinnen
hatten, an diesem altberühmten Fürstenhofe
eine vollständige Heimstatt fand. Ebenso un-
erreicht wie die von jener Kunstschule um
die Wende des XV. Jahrh. geschaffenen Altar-
werke in Kaikar, Kleve und Xanten, steht auch
das Profanmobilar derselben da, von dem
aus der Zeit unseres flandrischen Möbels, der
Franciskusschrank in der Liechtensteinschen
Sammlung zu Wien, sowie dessen Parallele,
der gothische Kastenschrank im Germanischen
Museum zu Nürnberg, wohl die vorbildlichsten
Typen abgeben. Ueber Koblenz hinaus herrscht
in dem rheinischen Mobilar der süddeutsche
Charakter vor; an Stelle des Eichenholzes
und seiner phantasievollen Plastik treten die
mehr malerischen Effekte weicher Holzarten
und neben dem Flach- und Kerbschnitt auf-
gelegtes Zierwerk; kurzum die letzten Spuren
jener künstlerischen Fluthwelle Flanderns auf
diesem Gebiete sind am Oberrhein ver-
schwunden.

Köln. Karl Thewnl t.
 
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