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Zeitschrift für christliche Kunst — 7.1894

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Czihak, Eugen von: Die kirchliche Kunst auf der Ausstellung von Geräthen und Gefäßen aus Edelmetall zu Königsberg, 1894
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https://doi.org/10.11588/diglit.3824#0094

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1894. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 5.

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statt. Die Anordnung der Gegenstände in
Vitrinen war im Ganzen glücklich, wenn auch
durch die Enge des Raums und die zum Theil
ungünstige Beleuchtung in der Wirkung be-
einträchtigt. Der starke Besuch, auch durch
auswärtige Kunstfreunde und Kunstgelehrte,
bewies, welche Anziehungskraft das „Gold und
Silber" in jeder Form auf das in den Räumen
sich drängende Publikum hatte.

Die kirchlichen Geräthe und Gefäfse des
katholischen Kultus bildeten einen sehr
erheblichen und jedenfalls den ältesten Theil
der Gesammtausstellung. Das liebenswürdige
Entgegenkommen der katholischen Geistlich-
. keit und die wohlwollende Förderung, die der
geistliche Oberhirte, der hochwürdigste Bischof
von Ermland, sowie das Domkapitel zu Frauen-
burg der Sache zu Theil werden liefsen, er-
möglichten eine sehr reichhaltige, nahezu voll-
ständige Beschickung der Ausstellung mit kirch-
lichen Geräthen und Gefäfsen des
Mittelalters, denen dieser Aufsatz vorzugs-
weise gewidmet sein soll.

Die romanische Kunst war auf der Aus-
stellung nicht vertreten und scheidet nach
Lage der Sache überhaupt aus. Es ist gut, sich
zu vergegenwärtigen, dafs zu der nämlichen
Zeit, als die Deutschordensritter unter dem
Landmeister Hermann Balk den ersten Fufs
in die Haffgaue Pogesanien, Warmien (das
heutige Ermland), Natangen setzten (ca. 1237
bis 1241), die Liebfrauenkirche zu Trier, die
Kirche der hl. Elisabeth zu Marburg, als früheste
Denkmäler gothischenStils auf deutschemBoden,
bereits in Bau begriffen waren und dafs zur
Zeit der Eroberung der weiter östlich gelegenen
Landschaften Samland, Barten, Galindien
(1253—1260) durch den Orden, der Grund-
stein zum Kölner Dom bereits gelegt war. Zur
Zeit, als der Orden anfing, seine Kirchen in
dem heutigen Ostpreufsen zu bauen, war die
Gothik in Deutschland bereits in vollständiger
Aufnahme begriffen; es lagen die Muster eines
ausgebildeten Stils für die Baukunst und die
von dieser abhängigen Kleinkunst bereits vor.
Für die Uebermittelung der neuen Formen
sorgte die beständige Zufuhr frischer Kräfte
aus dem Reiche. Wir treten also sofort in die
gothische Formenwelt ein. Freilich rechnet
das älteste Stück der Ausstellung seine Ent-
stehungszeit um ein Jahrhundert später. Es ist
ein Kelch aus Nosberg, ein schönes, leider

stark restaurirtes Stück, das am Fufs auf grünem
Emailgrund in Minuskeln die Datirung: Aiuw
domini millcssimo tricentesimo septuagesimo iiono
(1379) enthält. Die Kuppa, mit gerad-
linigem, straffem, schrägansteigendem Profil ist
unter der Reliefverzierung des den unteren
Theil umgebenden, frei endigenden Lilien-
ornaments mit einer zweiten Minuskelinschrift:
Ave maria gracia pleno, dominus umgeben;
der sechskantige Schaft zeigt oberhalb und
unterhalb des Nodus eine flache, gothische
Blendenarchitektur mit Maafswerk. Der Nodus
hat auffallenderweise nur drei Stollen (rotuli)
in Rautenform, zwischen diesen je einen schön
gebildeten schwebenden Engel mit aufgeschla-
genem Buche. Der Fufs ist abweichend von
der Regel nicht im Sechspafs, sondern im
Sechseck gearbeitet, mit sanfter Schwellung im
Profil; die Standfläche ist durch eine durch-
brochene Galerie mit Drei- und Vierpässen
gebildet. Die sechs trapezförmigen Felder des
Fußes sind im Relief mit kleinen, gegossenen
figürlichen Darstellungen unter ebenfalls plasti-
schen Baldachinen geschmückt: Christus, Maria,
die Kreuzigung, die hl. drei Könige.

Ich bin bei der Beschreibung dieses ältesten
Stücks ausführlicher gewesen, weil es das einzige
ist, das nachweisbar aus dem XI V.Jahrh. stammt.
Der nächstälteste Kelch, vielleicht noch vom
Ende des XIV. Jahrh., gehört der jetzt pro-
testantischen Kirche zu Fischhausen, dem
ehemaligen samländischen Bischofsitz. Der
im Sechspafs gebildete Fufs zeigt in sehr
energischer, charaktervoller Gravirung die Fi-
guren der Muttergottes mit dem Kinde, Gott-
vaters mit dem Crucifixus, der hhl. Dorothea,
Margaretha, Katharina, Barbara. Ueber dem
mit sechs rautenförmigen Stollen besetzten
Knauf ist der Schaft mit gothischer Architektur
bekleidet; zwischen die vortretenden Strebe-
pfeiler sind nachträglich rechteckige, als Tafel-
steine geschliffene Bernsteinstücke zur Ver-
zierung eingeklemmt. Die weiteren gothischen
Kelche zeigen bereits die Formen des XV. Jahrh.,
namentlich in den Fischblasenmustern, die
überall am Maafswerk auftreten, sodann aber
in der Bildung des Nodus als Architekturstück,
Kapellenkranz mit Strebepfeilern, Baldachinen,
Fialen und Wimpergen. Dieser Zeit gehört
ein Kelch aus Braunsberg von 1489 an, mit
Almandinen in den Rosetten zwischen den
Rotulen besetzt, der an der Unterseite des
 
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