171
1894. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 6.
172
wegen, womit sie Wurfgeschosse aller Art zu
schleudern verstehen. Also auch dort am liebsten
völliger Abschlufs — nun, der Billigkeit kommt's
zu Gute, das Ganze kann um so niedriger bleiben.
Aber die Beleuchtung? — Bei derartigen Holz-
konstruktionen bieten, wie in so vielen alten
holländischen Kirchen zu beobachten, die Giebel
Gelegenheit, mächtige reichliche Lichtquellen
zu eröffnen — es läfst sich das auf verschiedenste
Weise einrichten; weil wir aus Sparsamkeits-
rücksichten die Giebelmauer nicht zu dick an-
legen wollen, vermeiden wir grofse Fenster mit
Pfosten und Maafswerk, die immer ein schwereres
Gemäuer erfordern — wir ordnen, dem Verlauf
des Gewölbes entsprechend, vier ziemlich breite
Einzelfenster an, und da Heizgelegenheit vor-
zusehen ist und dem holländischen Klima mit
seiner Feuchtigkeit und Ruckwinden gegenüber
die Rauchschlote sich oft störrisch und launen-
haft erweisen, disponiren wir den Kamin in
der Giebelmitte, wodurch er so grad und hoch
wie möglich sich entwickeln kann. — Für den
Altar wird an der gegenüberliegenden Giebel-
seite ein polygones Chörchen angebaut; etwas
höhere Mauer, ein Steingewölbe und fünf Spitz-
bogenfenster stellen sich daran von selber ein
und bringen die Kirchlichkeit des Ganzen besser
zur Geltung. — Ein Beichtstuhl findet Platz
zwischen den Strebepfeilern. Auf eine Orgel-
bühne verzichten wir, der Kosten und der ge-
ringen Mauerhöhe wegen — auch um die Licht-
wirkung nicht zu beeinträchtigen. Wir reserviren
für die Musik die linke hintere Ecke und stellen
wieder zwischen den Pfeilern ein Harmonium
auf. Der Giebelraum rechts und links von der
Altarnische soll naturgemäfs mit Statuen ge-
schmückt werden und eignet sich sehr zur
Dekoration bei März-, Mai- oder Juniandachten.
Eine kleine Kommunionbank wird ein wenig
vor dem Chorbau anzubringen sein. Eine
Sakristei brauchen wir nicht, indem die bisherige
Kapelle als solche eingerichtet werden kann;
ein Verbindungsgang mufs natürlich davon ab-
genommen werden.
Die Konstruktion des Holzgewölbes und
des Daches, sowie die Disposition und Ein-
richtung des Mauerwerks ist aus der Zeichnung
ohne Mühe zu ersehen.
Der Gemüfhlichkeit, der Wärme, der Ein-
fachheit wegen wird einem hölzernen Fufsboden
aus schmalen Bohlen der Vorzug gegeben. Das
grofse Dach ist mit Dachziegeln, das Chörchen
mit Schiefer einzudecken.
Der Kostenanschlag wird unter die Hände
genommen, scharf jeder Posten ausgerechnet
und zuletzt mit bedenklich erwartungsvoller
Miene das Ganze summirt — siehe da! vier-
tausend zweihundert Gulden; doch so weit nicht
fehlgeschossen!
Der Plan gefällt, die Rechnung stimmt, der
Unternehmer findet sich, das Gebäude wächst
und bald halten die guten Schwestern seelen-
vergnügt ihren Einzug in die neue Kapelle.
So lautet die Geschichte; nun aber Fabula
docet — ja was ? Dafs man mit wenigen Mitteln
umfassende Räume herstellen kann, bei denen der
provisorische Charakter nicht so sehr in's Auge
fällt; dafs für Gemeinden, die später der Schulen,
der Versammlungssäle für Gesellen- oder Ar-
beitervereine bedürfen könnten, eine derartige
Konstruktion nicht ungeeignet erscheinen dürfte;
dafs bei beschränktem eingeschlossenen Bau-
terrain und mäfsigen Dimensionen des ge-
wünschten Lokals ohne seitliche Beleuchtung
sehr gut auszukommen ist.
Natürlich mufs das Gebotene nicht zu buch-
stäblich genommen werden; Länge und Breite
sind bedeutender Ausdehnung fähig — bei etwas
gesteigerter Mauerhöhe lassen sich in den Seiten-
wänden Fenster anbringen; der Chor kann vier-
eckig gehalten, gleichfalls in Holz gewölbt und
durch ein grofses Fenster nebst zwei kleineren
beleuchtet werden — bei erweiterten Dimen-
sionen findet sich auch für eine breite Orgel-
bühne die nöthige Höhe. — Eingänge und
Sakristei richten sich natürlich nach Umständen
und Bedürfnissen.
Keine Nothkirche also, aber vielleicht für
diesen ödes jenen Fall ein Nothkirchen-
motiv meine ich hiermit geboten und so in
Anbetracht der Umstände meiner Pflicht und
Schuldigkeit genügt zu haben. Vivat sequens!')
Driebergen. Alfred Tepe.
') [Die sequentes — hoffentlich werden ihrer bei
der Wichtigkeit und Dringlichkeit der Sache noch
manche sein, in nicht so langen Zwischenräumen wie
bisher — werden gewifs auch nicht unberücksichtigt
lassen, dafs bei der Nothkirche, zumal wenn sie aus-
schliefslich nur diesem Zwecke dienen, später keine
anderen Aufgaben mehr erfüllen soll, auf die Wohlfeil-
heit Alles ankommt und ein Preis von 30000 Mark
und mehr, wie er in den letzten Jahren mehrfach
aufgeboten wurde, viel zu hoch erscheint.] D. H.
1894. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 6.
172
wegen, womit sie Wurfgeschosse aller Art zu
schleudern verstehen. Also auch dort am liebsten
völliger Abschlufs — nun, der Billigkeit kommt's
zu Gute, das Ganze kann um so niedriger bleiben.
Aber die Beleuchtung? — Bei derartigen Holz-
konstruktionen bieten, wie in so vielen alten
holländischen Kirchen zu beobachten, die Giebel
Gelegenheit, mächtige reichliche Lichtquellen
zu eröffnen — es läfst sich das auf verschiedenste
Weise einrichten; weil wir aus Sparsamkeits-
rücksichten die Giebelmauer nicht zu dick an-
legen wollen, vermeiden wir grofse Fenster mit
Pfosten und Maafswerk, die immer ein schwereres
Gemäuer erfordern — wir ordnen, dem Verlauf
des Gewölbes entsprechend, vier ziemlich breite
Einzelfenster an, und da Heizgelegenheit vor-
zusehen ist und dem holländischen Klima mit
seiner Feuchtigkeit und Ruckwinden gegenüber
die Rauchschlote sich oft störrisch und launen-
haft erweisen, disponiren wir den Kamin in
der Giebelmitte, wodurch er so grad und hoch
wie möglich sich entwickeln kann. — Für den
Altar wird an der gegenüberliegenden Giebel-
seite ein polygones Chörchen angebaut; etwas
höhere Mauer, ein Steingewölbe und fünf Spitz-
bogenfenster stellen sich daran von selber ein
und bringen die Kirchlichkeit des Ganzen besser
zur Geltung. — Ein Beichtstuhl findet Platz
zwischen den Strebepfeilern. Auf eine Orgel-
bühne verzichten wir, der Kosten und der ge-
ringen Mauerhöhe wegen — auch um die Licht-
wirkung nicht zu beeinträchtigen. Wir reserviren
für die Musik die linke hintere Ecke und stellen
wieder zwischen den Pfeilern ein Harmonium
auf. Der Giebelraum rechts und links von der
Altarnische soll naturgemäfs mit Statuen ge-
schmückt werden und eignet sich sehr zur
Dekoration bei März-, Mai- oder Juniandachten.
Eine kleine Kommunionbank wird ein wenig
vor dem Chorbau anzubringen sein. Eine
Sakristei brauchen wir nicht, indem die bisherige
Kapelle als solche eingerichtet werden kann;
ein Verbindungsgang mufs natürlich davon ab-
genommen werden.
Die Konstruktion des Holzgewölbes und
des Daches, sowie die Disposition und Ein-
richtung des Mauerwerks ist aus der Zeichnung
ohne Mühe zu ersehen.
Der Gemüfhlichkeit, der Wärme, der Ein-
fachheit wegen wird einem hölzernen Fufsboden
aus schmalen Bohlen der Vorzug gegeben. Das
grofse Dach ist mit Dachziegeln, das Chörchen
mit Schiefer einzudecken.
Der Kostenanschlag wird unter die Hände
genommen, scharf jeder Posten ausgerechnet
und zuletzt mit bedenklich erwartungsvoller
Miene das Ganze summirt — siehe da! vier-
tausend zweihundert Gulden; doch so weit nicht
fehlgeschossen!
Der Plan gefällt, die Rechnung stimmt, der
Unternehmer findet sich, das Gebäude wächst
und bald halten die guten Schwestern seelen-
vergnügt ihren Einzug in die neue Kapelle.
So lautet die Geschichte; nun aber Fabula
docet — ja was ? Dafs man mit wenigen Mitteln
umfassende Räume herstellen kann, bei denen der
provisorische Charakter nicht so sehr in's Auge
fällt; dafs für Gemeinden, die später der Schulen,
der Versammlungssäle für Gesellen- oder Ar-
beitervereine bedürfen könnten, eine derartige
Konstruktion nicht ungeeignet erscheinen dürfte;
dafs bei beschränktem eingeschlossenen Bau-
terrain und mäfsigen Dimensionen des ge-
wünschten Lokals ohne seitliche Beleuchtung
sehr gut auszukommen ist.
Natürlich mufs das Gebotene nicht zu buch-
stäblich genommen werden; Länge und Breite
sind bedeutender Ausdehnung fähig — bei etwas
gesteigerter Mauerhöhe lassen sich in den Seiten-
wänden Fenster anbringen; der Chor kann vier-
eckig gehalten, gleichfalls in Holz gewölbt und
durch ein grofses Fenster nebst zwei kleineren
beleuchtet werden — bei erweiterten Dimen-
sionen findet sich auch für eine breite Orgel-
bühne die nöthige Höhe. — Eingänge und
Sakristei richten sich natürlich nach Umständen
und Bedürfnissen.
Keine Nothkirche also, aber vielleicht für
diesen ödes jenen Fall ein Nothkirchen-
motiv meine ich hiermit geboten und so in
Anbetracht der Umstände meiner Pflicht und
Schuldigkeit genügt zu haben. Vivat sequens!')
Driebergen. Alfred Tepe.
') [Die sequentes — hoffentlich werden ihrer bei
der Wichtigkeit und Dringlichkeit der Sache noch
manche sein, in nicht so langen Zwischenräumen wie
bisher — werden gewifs auch nicht unberücksichtigt
lassen, dafs bei der Nothkirche, zumal wenn sie aus-
schliefslich nur diesem Zwecke dienen, später keine
anderen Aufgaben mehr erfüllen soll, auf die Wohlfeil-
heit Alles ankommt und ein Preis von 30000 Mark
und mehr, wie er in den letzten Jahren mehrfach
aufgeboten wurde, viel zu hoch erscheint.] D. H.