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Zeitschrift für christliche Kunst — 7.1894

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Effmann, Wilhelm: Die Altarmensen in der Klosterkirche von Altenryf (Hauterive) i. d. Schweiz
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https://doi.org/10.11588/diglit.3824#0134

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203

1894. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 7.

204

Als einen Tischaltar mit fünf Stützen wird
man diesen Altar des XIV. Jahrh. nur dann
auffassen, wenn man den Mittelpfeiler mit den
vier flankirenden Säulen als eine einheitlich ge-
schlossene Gruppe betrachtet; werden die Träger
einzeln für sich berücksichtigt, so wird man
ebensowohl den Altar als einen Tischaltar mit
neun Stützen bezeichnen dürfen.

Aus den Abbildungen läfst es sich zwar zur
Genüge erkennen, aber es mag doch auch hier
darauf hingewiesen werden, dafs der Sockel
der mittleren Stützenparthie nicht als Quadrat,
sondern als Oblongum geformt und in dem
neuen Altare in der Weise angeordnet ist, dafs
die Mittelstütze nicht genau in der Mitte unter
der Altarplatte steht, sondern entsprechend nach
vorne gerückt ist. Man wird dies gethan haben,

Scheitel des Gewölbes aus, beim Retabelaltare von
einem nach vorne ausladenden Krummstabe.13)

Ein Retabelaltar dieser Art war der Hoch-
altar, der sich ehedem in der Kathedrale von
Arras befand und in einem Gemälde des
XVI. Jahrh. erhalten ist. Bei diesem Altare,
der dem XIII. Jahrh. angehört, erhob sich hinter
der Retabel ein Pfeiler, mit einem reich und
elegant konstruirten Krummstab, an dem an
einer Kette das eucharistische Gefäfs herunter-
hing.14)

Auf etwas Aehnliches deutet nun auch jenes
Ansatzstück hin, welches sich an dem Sockel
des alten Hochaltares von Altenryf zeigt. An
einen Reliquienschrein, der hinter dem Altare
vorn auf einem Säulen- oder Pfeilerbau, rück-
wärts auf einer in die Wand eingelassenen

Fig. 7 und 8.

Profile der Altar-

platten der

Nebenaltäre.

Fig. 9.
Profil der Altar-
platte des
Hauptaltares.

Fig. 10.
Profil der Basis
der Eckständer.

Fig. 11.
Profil des Mittel-
sockels.

Fig. 12.

Profil der lose vor-
handenen Basis.

(Mafsstab 1: 10.)

um in der Vorderansicht die Mittelgruppe ent-
schiedener und kräftiger zur Wirkung zu bringen.

Das den fünf Stützen des Mittelständers
als gemeinsame Basis dienende Sockelstück ist
von einem Profil umzogen, das in Fig. 11 be-
sonders dargestellt ist. Dasselbe begleitet den
Sockel ringsum in gleicher Weise, auf der Rück-
seite wird es indefs scharf durch einen Ansatz
unterbrochen, der zwar weggemeifselt ist, aber
sich deutlich und scharf abhebt. Das Sockel-
stück hat sich also ehedem weiter nach Osten
erstreckt.

Wie ist diese Anordnung zu erklären?

Zu jener Zeit, der der erste Altar von
Altenryf angehört, war die Sitte noch allgemein
verbreitet, die hl. Eucharistie in Gefäfsen, die
in der Form der Taube oder in der Gestalt
einer meist cylindrischen Büchse (pyxis) gebildet
waren, zu bergen und diese über dem Altare
schwebend aufzuhängen, beim Ciborienaltare vom

Konsole aufruhte,15) kann hier wenigstens nicht
gedacht werden, da Altenryf sich eines der-
artigen Reliquienbesitzes nicht erfreute. Kommt
somit nur eine mit der suspensio in Verbindung
stehende Anordnung in Betracht, so spricht
der Anschein auch weiter dafür, dafs die Um-
gestaltung des XIV. Jahrh. eine Umänderung
nur insofern hat eintreten lassen, als dies
nothwendig war, um mit den Formen des neuen

13) Vgl. hierzu Schnütgen „Eine neuentdeckte
eucharistische Taube" in den »Jahrbüchern des Ver-
eins von Alterthumsfreunden im Rheinlande« Bonn
1887, Heft LXXXIII, S. 201.

") Viollet-le-Duc a. a. O., S. 29.

16) Aufser den auf solche Reliquienaltäre bezüg-
lichen Darlegungen von Viollet-le-Duc a. a. O.
(autel) vgl. (Schnütgen) „Zwei merkwürdige Altäre in
Köln", »Kölnische Volkszeitungn 1886, Nr. 125, 2 Bl.
und Schnütgen „Die Restauration des Chores der
St. Ursula-Kirche zu Köln" im I. Jahrg. dieser Zeit-
schrift 1888, Sp. 83.
 
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