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Zeitschrift für christliche Kunst — 7.1894

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Endres, Joseph Anton: Das Domportal in Regensburg
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https://doi.org/10.11588/diglit.3824#0170

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259

J8!I4. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 9.

'260

Vaterlandes voran.3) Aber auch Adler, dem wir
die in artistischer und technischer Beziehung
gründlichste Studie des Domes verdanken, und
der mit aller Verehrung für unsere Kathedrale
ein gerechtes kritisches Urteil verbindet, sieht
sich zu dem Geständnisse veranlafst, dafs die
Portalvorhalle ein „Prachtstück" des Domes sei,
und er findet diese Eigenschaft, „ebenso sehr in
ihrer pikanten Komposition als in der trefflichen,
von echt künstlerischer Begabung zeugenden
Durchführung des Einzelnen".*)

Gewifs ist kein Grund vorhanden, dieses
Urtheil einzuschränken, wenn wir das Domportal
lediglich für sich würdigen. Aber es fragt sich,
ob ihm das gleich rückhaltlose Lob auch dann
zukomme, wenn wir es im Organismus des
ganzen Bauwerkes und im Zusammenhang mit
der Kunstgeschichte betrachten. Unser Dom
besitzt den unschätzbaren Vorzug eines mächtig
aus dem Boden emporstrebenden Sockels,
welcher dem ganzen Bau eine Wirkung verleiht,
die selbst ausgedehntere Anlagen ohne jenes
Bauglied nicht erzielen. Der imposante Anblick
wird an der Fassade noch gesteigert durch die
weiten, breiten Freitreppen, welche, von eben
jenem Unterbau gefordert, zu den Eingängen
hinanführen. Aber stört nun diegrofse Wirkung
jenes Aufganges nicht der mächtige Pfeiler,
welcher die Vorhalle tragend die mittlere Treppe
theilt? Verliert nicht das Portal selbst seinen
wirkungsvollen konstruktiven Charakter durch
die vorspringende Vorhalle? Im Vergleich mit
dem Ernst und der Strenge der frühgothischen
Bauten wenigstens erscheint die Vorhalle mehr
als ein äufserlich angefügtes anspruchsvolles
Prunkstück, denn als ein dem Aufbau des
Ganzen dienendes Glied. Von diesem Gesichts-
punkte aus und wohl mehr noch in Anbetracht
der sonst äufserst einfach gehaltenen Westseite
macht Dohme6) darauf aufmerksam, dafs zu der
monumentalen Wirkung der ganzen Fassade
,das spielende Motiv einer dreieckigen zier-
lichen Vorhalle vor dem Hauptportale in nicht
glücklichem Gegensatze" stehe.

Gerade an dem Portale versucht denn auch
der Fortgang der Bauthätigkeit am Dome den
ersten Schritt nach jener Richtung hin, welche

3) «Künstler und Kunstwerke der Stadt Regensburgc,
Landshut 1857, S. 60.

4) »Deutsche Bauzeitung«, Berlin 1875, S. 193.

5) »Geschichte der deutschen Baukunst', Berlin
1885, S. 232.

allmählich das dekorative Element vor der kon-
struktiven Einfachheit und Gesetzmäfsigkeit be-
vorzugte, ohne freilich dieser Richtung weiter-
hin entsprechende Folge zu geben. Indefs trotz
dieses Zugeständnisses an eine freiere Richtung,
welche die allmählich erlangte spielende Fer-
tigkeit der Meister zur Folge hatte, kann das
Portal für uns nichts an Interesse verlieren, um
so weniger als seine in sich abgeschlossene
Vollendung allgemein anerkannt und gerade
durch die hervorgehobene Höhe der Meister-
schaft in der Kunstübung seiner Entstehungs-
zeit garantirt wird.

In dem soeben Gesagten sind bereits wich-
tige Anhaltspunkte für die Geschichte des Por-
tales enthalten. .Wollen wir aber des Näheren
auf dieselbe eingehen, so müssen wir um mehr
als ein Jahrhundert zurückgreifen. Denn offen-
bar reicht auch die Geschichte des Hauptportales
zurück bis zu jenem Zeitpunkte, wo sich aus
den den Grund- und Aufrifs bestimmenden
Faktoren für den ersten Baumeister auch die
Anlage des Portales im Allgemeinen mit einer
gewissen Nothwendigkeit herausstellte. Dafs näm-
lich unserem mit im Ganzen seltener Konse-
quenz durchgeführten Dome ein ursprünglicher
Gesammtplan zu Grunde lag, kann Niemand
bestreiten. Welches war nun aber dieser ur-
sprüngliche Plan?

Adler machte die höchst interessante Ent-
deckung, dafs eine Reihe eigenartiger Motive
an unserem Dome aus der um ein Weniges
älteren Kirche von St. Urban zu Troyes in der
Champagne herübergenommen ist.G) Aber die
noch in die erste Bauperiode fallende Aus-
gestaltung des südlichen Domportales läfst er-
kennen, dafs in der Portalanlage von Anfang
an eine Abweichung von St. Urban beab-
sichtigt war.

Wo sind nun aber die nächsten Anhaltspunkte
für die ursprüngliche Form des Portales zu
suchen? Am besten wäre der vorwürfigen Frage
gedient, wenn wir alte Pläne besäfsen, an denen
der ursprüngliche Entwurf und die den Bedürf-
nissen und dem Geschmacke der Zeit Rechnung
tragenden Abänderungen ihren genauen Aus-
druck fänden. Nun sind uns in der That alte
Dompläne erhalten. Zwar müssen wir von vorn-
herein absehen von dem häufig mit den so-
genannten Domplänen aufgeführten Stiche des

6) 1. c. S. 211.
 
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