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Zeitschrift für christliche Kunst — 7.1894

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Justi, Carl: Die Goldschmiedfamilie des Arphe, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.3824#0194

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301

1894. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 10.

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luftig, „also dafs sie im Traum erschaut und
wie mit einem Hauch geschaffen scheint". Sie
hat jene Zeiten der Zerstörung, denen ihre Vor-
gängerin zum Opfer fiel, überdauert; denn der
Plünderer von Cordoba, Dupont, empfand, so
erzählt man, bei ihrem Anblick eine Scheu, sie
dem schon bereiten Schmelztiegel zu über-
antworten. (S. Abbild. I Sp. 295/296.)")

Der grofse Krystallcylinder steht wie ein
Säulenschaft auf einem reich verzierten, ab-
gestuften Sockel; seineBekrönung, entsprechend
dem Knauf, steigt kelchartig zum Gewölbe auf
und verwebt sich mit diesem zum Baldachin.
Die Pfeiler des ersten Thurmgeschosses setzen
auf diesem Gewölbe über den Bogenscheiteln
an, mit den von unten aufsteigenden Strebe-
pfeilern sind sie durch je zwei Voluten verbunden.
Hier steht das Bild der Asunta. Das dritte
Geschofs ist eine Art Glockenstuhl mit schwin-
genden Glöckchen. Das letzte erinnert an die
Bügel einer Kaiserkrone, über der die Statuette
des Salvator ragt.

Cordoba bahnte dem Meister den Weg zu
der Kathedrale des Primas von Spanien. Im
Jahre 1515, also während dort noch die Arbeit
im Gang war, berief ihn der neunundsiebzig-
jährige Ximenes, damals Regent von Castilien,
nach Toledo. Dort lebten hervorragendeKünstler
niederdeutscher und französischerHerkunft; zwei
von ihnen, der Holländer Diego Copin und der
Maler Johann von Burgund, waren bereits, der
eine mit einem Holzmodell, der andere mit einer
gemalten Skizze betraut worden. Man darf an-
nehmen, dafs Enrique sich wenig von ihren
Entwürfen angeeignet hat. Er legte aufser dem
Rifs auch das Holzmodell eines Pfeilers vor. Im
Jahre 1517 beauftragte er seinen Diener Hernan
Gonzalez mit der Anschaffung des Silbers. Hier-
bei ging man mit vollendeter Rücksichtlosigkeit
vor. „Mein Grofsvater Enrique", erzählt Joan
d'Arphe im Quilatador (indem er sich zu gleich
umfassenden Zerstörungen bekennt), „hat für
die Custodien in Leon, Toledo und Cordoba
ungezählte sehr alte Sachen eingeschmolzen"
(deslizö infinilas cosas a,7iiiquisimas).

Die Custodie von Toledo ist neun Fufs hoch,
drei Fufs breit und geschmückt mit angeblich
zweihundertsechzig Statuetten. Ihr Aufrifs ist

n) Nach den bis jetzt vorhandenen Photographien
war es leider nicht möglich, schärfere Illustrationen
herzustellen.

klarer, die Gliederung einfacher, das Gerippe
noch zarter gewoben. Das Verhältnifs von Halle
und Helm ist zu Gunsten der ersteren ver-
ändert. Sie war nämlich bestimmt, jene von
Isabella der Katholischen hinterlasseneMonstranz
aufzunehmen, die freilich an Schönheit und
Eigenart der Erfindung Alles was Enrique er-
dacht hat, übertrifft. An den Durchschneidungs-
punkten der Gewölberippen hängen silberne
Glöckchen und Rauchgefäfse; als Schlufsstein
dient eine Blume aus Edelsteinen. Das Kreuz
der Spitze, ein Werk des Juweliers Lainez (1523),
enthält sechsundachtzig Perlen und vier grofse
Smaragde. Der Venezianer Navagero schätzte
ihren Werth auf 30,000 Dukaten. Sie enthält
795 Mark Silber und 57 Mark Gold. Sie war
das letzte Wort der Gothik in der kirchlichen
Goldschmiedekunst Spaniens. (S. Abbild. II
Sp. 297.)

Am 23. April 1524, also wieder nach sieben
Jahren, lieferte Arphe sein Werk an das Kapitel
ab. Doch ist noch lange an ihrer Verschönerung
gearbeitet worden. Auf Antrieb des Erzbischofs
Fonseca ersetzte er noch selbst den eisernen
Sockel durch einen silbernen. Im Jahre 1595
beschlofs man, an eine Vergoldung des Ganzen,
mit Ausnahme von Sockel und Statuetten, zu
gehen. Lange war man rathlos, bis sich eine
schriftliche Anweisung des Meisters vorfand. Es
ergab sich, dafs die Custodie aus 5600 Stücken zu-
sammengesetzt war, die mittels 12500 Schrauben
aneinander befestigt waren. —

Von dem Eindruck, den diese Werke ihrer
Zeit in Spanien machten, gibt eine seltene
kleine Schrift Zeugnifs, die im Jahre 1539 zu
Valladolid erschien.12) Der Verfasser, ein Bacca-
laureus Villaion, will den klassischen Pedanten
zeigen, dafs die Gegenwart, in Malerei, Baukunst
und Musik, Künstler aufweise, mit denen die
Alten sich nicht messen können. Für die Gold-
schmiedekunst beruft er sich auf die drei Custo-
dien unsres Enrique, dessen Name er übrigens
nicht kennt. „Drei Silberwerke habe ich gesehen,
von denen ich behaupten kann, dafs sie nicht
ihres Gleichen haben in der Welt, augenscheinlich
von einem und demselben Künstler, der das Alter-
thum übertroffen haben dürfte." (Schlufs folgt.)

Bo

Carl Justi.

12) *Tuge>iiosa cZparaciZ entre lo antiguo y lo
presente. FJecha por el Bathiller VillalZ.* Valla-
dolid 1Ö39.


 
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