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Zeitschrift für christliche Kunst — 7.1894

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Justi, Carl: Die Goldschmiedfamilie der Arphe, [2]
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335

1894. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 11.

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Aehnlichkeit, und doch schien der Gewinn dies-
mal nicht wie gewöhnlich mit schmerzlichen
Verlusten bezahlt. Die pyramidale Verjüngung
zum Beispiel, die luftige Durchbrechung, die
Einheit waren erhalten. Aber wenn unter Meister
Enriques Händen der vielgeschossige gothische
Thurm zu einer Cypresse oder Ceder verwachsen
war, so sah man nun wieder ein Ganzes von
klar und scharf gesonderten Theilen. Ein
terassenförmiger Aufbau von korrekten Poly-
gonen oder Rundtempeln, dessen Einheit auf
die Berechnung der Verhältnisse dieser Theile
gegründet war. An die Stelle der mystischen
Phantasie, die die Materie und ihre Bedingungen
vergessen machen möchte, war eine nüchterne
Muse, die der Geometrie und Proportionslehre

getreten.

Antonio d'Arphe.

Diese Umwälzung vollzog sich, wie gesagt,
im Schoofse derselben Familie. Es ist der Sohn
Enriques, Antonio, von dem der Enkel schreibt:
„Obwohl die klassische Architektur in den
Bauten und Tempeln Spaniens schon ziemlich
eingeführt war, so hatte man sie doch in den
Silbersachen noch nicht gründlich befolgt, bis sie
Antonio d'Arphe, mein Vater, in der Custodie
von S. Jago zu verwenden begann, — freilich
mit Baluster- und monströsen Säulen und nach
willkürlichem System (preceptos)." Antonio ver-
wendet nämlich den neuen Stil in seiner frühen
Form, wo der ornamentale Reichthum stärker
betont wird als die Verhältnisse, und zwar
mit freier Benutzung figürlicher und grotesker
Motive. Diese erste Periode reicht in der Archi-
tektur von 1530 bis 1560 etwa. Sie entspricht
dem, was man in Welschland Frührenaissance
genannt hat, mit einem nicht glücklichen Wort.
Der Ausdruck Renaissance pafst nur für eine
Anfangsepoche; denn wie es nur eine Geburt
(im natürlichen Sinn) geben kann, so auch nur
eine Wiedergeburt (im figürlichen und geistigen).
Drei Renaissancen hintereinander ist eine un-
glückliche Ausdrucksweise.

Die Custodien dieses Stils sind wenig zahl-
reich und noch weniger bekannt. Leider ist
das gröfste Werk, die von Cuenca, „an der sich
alle kunstverständigen Männer, die Spanien da-
mals besafs, hervorgethan haben", bei der gräuel-
vollen Plünderung Cuencas durch Caulincourt
(1808) untergegangen. Man that diesen Meistern
damals viel Ehre an. Als der Andalusier Ruiz
die Custodie von Jaen übernahm (von der ihm

überwiesenen Werkstatt führt noch heute eine
Strafse den Namen Calle de Custodia), stand
das Kapitel davon ab, vorher einen Preis auszu-
machen, weil es dem Genius des Meisters ganz
freie Hand lassen wollte.

Das Jahr 1540, in dem Antonio d'Arphe
die Custodie von Santiago de Compostela be-
gann, gilt als Anfangspunkt der plateresken
Periode. Er brauchte zu dieser Arbeit vierzehn
Jahre. Sie besteht aus vier .Tempeln' in der
von seinem Vater angewandten sechseckigen
Form, diese sind flankirt von sechs kleinen
Tempeln, wie Umbildungen gothischer Treppen-
thürmchen, die in drei Geschossen Statuetten
von Engeln, Propheten und Kirchenvätern ein-
schliefsen. In dem Haupttempel sieht man, um-
geben von der Apostelschaar, einen Engel, der
das höchste Gut trägt; weiter oben die Statuette
des Heiligen von Compostela, und endlich den
guten Hirten. Ein grofser hl. Jakobus von Silber,
der Jahrhunderte lang die Gelübde der Pilger
empfangen hatte, hat damals in den Schmelz-
ofen wandern müssen.

Die Verhältnisse der einzelnen ,TempeV
nehmen übrigens stärker ab in Breite und Höhe,
als zum Bilde eines Thurmes pafst.

Sonst kennt man von Antonio nur noch die
Custodie der Kirche S. Maria in Medina de
Rioseco unweit Valladolid. Sie ist sechs ein halb
Fufs hoch, ruht auf einem zwölfeckigen Sockel
und besteht aus vier Tempeln in der Form vier-
seitiger Bogenhallen. Der unterste umschliefst
ein Bildwerk, das den Einzug der Bundeslade
auf den Schultern von vier Leviten mit dem
vorantanzenden Könige David darstellt. Die
Haupthalle (für die Monstranz) ruht auf vier
Karyatiden. Darüber die Asunta.

Die Kathedrale von Leon besafs ehedem von
ihm zwei grofse silberne andas, Bahren (von
zehn Fufs Höhe und fünf Breite), bestimmt für
die Aufstellung der Custodie seines Vaters bei
der Prozession. Jetzt sind von dem alten Schatz
nur noch übrig zwei grofse silberne Reliquien-
schreine furnas) des hl. Bischofs Froilan, in
seinem Stil, und nach des Verfassers Ansicht
auch von seiner Hand. Ambrosio Morales, der
sie zu beiden Seiten der Custodie auf dem Hoch-
altar aufgestellt sah, nennt den Anblick unver-
gleichlich. *)

!) La mas hermosa representacion es y de mäs
grandeza y magestad que en Espana se ve, sagt
Ami losio Morales, Anales XV, 7.
 
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