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Zeitschrift für christliche Kunst — 7.1894

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Braun, Edmund Wilhelm: Trierer Bilderhandschrift vom Anfang des XII. Jahrh. mit Künstlerinschrift
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https://doi.org/10.11588/diglit.3824#0221

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1894. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 11.

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band zwischen den Füfsen. — Fol. 27. Sermo
Leonis pape de nativitate domini. Initiale S mit
einem nach rückwärts sich umschauenden Löwen,
dessen Schwanz in stilisirter Pflanzenranke endet,
welche ebenso durch den Rachen herauskommt.
— Fol. 32 enthält die Verkündigung durch die
Hirten; sie tragen den Stab und haben die
linke Hand erhoben. — Fol. 34. Initiale J: ein
stehender Adler mit Spruchband: „In initio erat
verbum" — Omelia Bede: Qut'a etc. In dem
Rund der Initiale Q befindet sich ein Brustbild
Christi; er hat drei Finger der rechten Hand
erhoben. — Fol. 60. Initiale S, auf deren Rand
die drei Könige gestellt sind. Sie zeigen zum
Theil dieselbe Bewegung der Hände wie die
Hirten; bei den hl. drei Königen findet sich
schon die Altersunterscheidung, aber noch kein
nationaler Unterschied. Alle drei tragen Kronen
und Mäntel. Der älteste am weitesten links
stehende hält eine Kugel; der mittlere deutet
auf den Stern links oben; in dem aufgerafften
Mantel hält er das Weihrauchgefäfs. Der dritte
hält ebenso in der linken Hand das Gefäfs, die
rechte Hand ist zum Zeichen der Verwunderung
in Brusthöhe ausgebreitet. — Fol. 81. Initiale S,
in deren unteren Theil die Aufopferung im
Tempel. Ferner: Dominica III in Quadragesima
secundum Lucam. — Media ven. Bed. Presbti.
de eadem latione etc. Initiale 0, in deren Rund
die Heilung des Besessenen eingelassen ist. Bis
zur Hüfthöhe ist derselbe sichtbar, er scheint
Hosen zu tragen. Bis auf den Leib herab ist
das Hemd offen, das er mit beiden Händen
noch mehr auseinanderreifsen will. Das wilde,
verstörte, mit kurzem struppigen Spitzbart und
sich aufsträubendem Haar versehene Haupt
wendet sich schroff nach links, wo die Hand
Christi mit erhobenem Zeige- und Mittelfinger
hereinragt. Vortrefflich gelungen ist die Charak-
terisirung des Besessenen. Der Besessene im
»Codex Egberti« trägt ein grauweifses Gewand
(vgl. die Publikation von Kraus Tafel XXVII,
Text S. 21), während der »Echternacher Codex«
in Gotha ihn durch „die gewöhnliche Tracht der
niedrigen Leute des X. Jahrh. in Deutschland
kennzeichnet: ockerfarbnen Rock, kirschrothe
Hosen und sepiabraune Stiefel" (Lamprecht
»Bonner Jahrb.« Bd. LXX S. 98; Tafel II, wo
auch die Darstellung des Wahnsinnigen aus dem
»Codex Egberti« zum Vergleiche abgebildet ist).
Der »Hortus deliciarum« gibt dem Besessenen

ebenfalls mangelhafte Kleidung, blos Hosen, und
die »Sachsenspiegel« charakterisiren ihn durch
verstörtes Gesicht und umgehangenen Tand und
Schellen (Lamprecht »Repertorium f. Kunstw.«
VII S. 409). — Lucas 16. Initiale M: In dem
einen Zwischenräume (links) sitzt der bärtige
gelbnimbirte Erlöser auf Steinen mit dem Buche
in der linken Hand, die auf dem Knie aufliegt;
die rechte Hand und der Kopf wenden sich
nach zwei Jünger (braun- und weifshaarig) im
andern Zwischenraum, die eilig nach links gehen.
— Christus und der ungläubige Thomas. Letz-
terer fühlt, rasch heraneilend, auf die Brustwunde
Christi, der mit der erhobenen rechten Hand
eine beschriebene Rolle hält. — Christus in
Initiale P: Brustbild en face mit Buchrolle. —
Initiale S: an der Längenwindung des Initials
sitzt Christus auf einem Thronsessel mit geöff-
netem, beschriebenem Buche. Auf ihn zu geht
von links ein Jude (Hut!) mit Schriftband:
(„Rabi scimus quia adeo venisti magisier") in
der linken Hand. — Christus in Initiale A:
Brustbild mit Schriftband: „Ego sutn pastor
bonus" etc. Initiale Q: Christus in dem Rund.
Vor ihm zu Füfsen liegt, den Schwanz des Q
bildend, ein Mönch mit ausgebreiteten Händen.
Auf seiner Brust steht: „Efigilberius pictor et
scriptor". Diese Inschrift ist wieder ein Beweis
dafür, das auch schon im früheren Mittelalter
Schreiber und Maler nicht identisch waren, da
es unser Engilbertus für nöthig fand, seine
doppelte Thätigkeit besonders zu betonen. —
Initiale Q mit der Ausgiefsung des hl. Geistes.
Die Hand Gottes von oben; unten sitzen die
Apostel, zum Theil prachtvolle Gestalten, be-
sonders Petrus in der Mitte hat einen herrlichen
römischen Rhetorenkopf. — Ferner finden sich
noch zahlreiche schöne Initialen mit Pflanzen-
und Thiermotiven, Drachen, ein Männchen
machender Wolf, den leicht stilisirten Schwanz
zwischen die Hinterfüfse geklemmt als Initiale J;
ferner ein Löwe in ähnlicher Stellung mit stili-
sirter Zunge, ein Panther, der sich in den Hals
beifst u. s. w. Der Codex ist, wie Keuffer sagt,
„ein reich und sinnig geschmückter Vertreter
des Weihnachtscyclus". Keuffer hat ebenfalls mit
Recht die Verwandtschaft unserer Miniaturen
mit den Medaillons im »Über aureus« von Prüm
hervorgehoben. Nach Stil und Dekoration gehört
unser Codex wohl einem Trierer Scriptorium an.
Nürnberg. Edmund Braun.
 
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