Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für christliche Kunst — 13.1900

DOI Artikel:
Schnyder, Wilhelm: Santa Maria in Cosmedin in Rom, [1]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.3912#0027

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
25

1900. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 1.

26

der Tiber vom Meere her auch für gröfsere
Frachtschiffe fahrbar war. Nach de Rossi1) be-
fand sich hier das Centrnm der Verwaltung der
gesammten Getreidezufuhr und -vertheilung.

Aber auch mehrere Heiligthümer schmückten
den Ort, von denen leider nur wenige, doch
zum Theil recht gut erhaltene Reste auf uns
gekommen sind. Wohl jeder Besucher Roms
wird sich des am Tiber gelegenen, im Volke
unter dem Namen Vestatempel bekannten Rund-
tempels mit den schlanken korinthischen Säulen
und des rechteckigen, vom Alter gebräunten
Pseudopteripteros jonischen Stils erinnern, der
unter dem Namen Tempel der Fortuna Virilis
bekannt ist. Diese antiken Bauten bilden zu-
sammen mit der Kirche Sta. Maria in Cosmedin
und dem von Papst Clemens XI. im Jahre 1 715
auf der Mitte des Platzes errichteten Tritonen-
brunnen heutzutage eines der malerischsten
Bilder der ewigen Stadt.

Die Kirche Sta. Maria in Cosmedin war
vor ihrer Rekonstruktion ein höchst sonder-
bares, verworrenes Bauwerk. G. B. de Rossi
selbst nannte es in einem Briefe vom 30. April
1893 an den Architekten G. B. Giovenale „eines
der komplizirtesten und schwierigsten Probleme
der Architektur und der Geschichte der Monu-
mente". Bau und Ausstattung waren eine merk-
würdige Kompilation von Monumenten der ver-
schiedensten Kunstepochen. Das Mauerwerk
zeigte mannigfaltige Verschiedenheiten in Ma-
terial und Struktur. Das Gleiche liefs sich von
den in der Kirche vorhandenen Dekorationen
und Ausstattungsstücken sagen, welch letztere
häufig, offenbar von ihrem ursprünglichen Platze
versetzt, im Laufe der Zeit in merkwürdigste
Verwendung gerathen waren. Man war deshalb
allgemein gespannt darauf, was die im Jahre
1892 begonnenen Restaurationsarbeiten in der
Kirche zu Tage fördern würden. In der That
waren die Ergebnisse sehr überraschend und
werthvoll.

Schon ein Jahr nach Beginn der Arbeiten
lag so viel neuentdecktes Material vor, dafs
der leider im vorletzten Sommer verstorbene
Comm. Stevenson2) durch eine gründliche
archäologische Studie etwas Licht in die dunkle

') DeRossi ,,Le horrea sotto l'Aventino", »Annali
(1. Instit.« (1885) S. 225.

2) Stevenson „Scoperte aSta. Maria in Cosmedin"
»Rom. Quartalsclir. f. ehr. Alterth. u. K.-Gesch.« VII
(1893) S. 11 f.

Baugeschichte der Kirche zu bringen vermochte.
Im Jahre 1895 unternahm es dann der von der
römischen „Assoziazione artistica fra i Cultori
di Architettura" mit der Leitung der Restau-
ration betraute Architekt Comm. Giov. Batt.
Giovenale,8) in einem lichtvollen Vortrage die
Resultate seiner bautechnischen und wissenschaft-
lichen Untersuchungen zusammenzustellen und
einen stilgerechten Rekonstruktionsplan vorzu-
legen.4) Den letztern machte 1898 P. H. Grisar
S. J. unter weitern Ausführungen der archäo-
logischen Untersuchungen Stevensons und Giove-
nales zum Gegenstande einer Studie/') in welcher
er den Illustrationen der Giovenaleschen Publi-
kation noch einige weitere werthvolle anreihte.
Die neueste und ausführlichste Arbeit über
Sta. Maria in C, von Architekt Giovenale, harrt
der Veröffentlichung, und es ist im Interesse
der Fachwissenschaft sehr zu wünschen, dafs
die Publikation durch finanzielle Unterstützung
ermöglicht wird.

Zum Verständnifs der Restauration der Ba-
silica sind die in den drei angeführten Schriften
enthaltenen Untersuchungen von grundlegender
Bedeutung. Ich lasse daher der Beschreibung
der restaurirten Kirche ein Resume" jener archäo-
logischen und bautechnischen Untersuchungen
vorausgehen, mich auf deren Resultate be-
schränkend.

Giovenale unterscheidet fünf bedeutendere
Bauperioden (mit Ausschlufs der neuzeitlichen
Veränderungen), die der Basilica ihr jetziges
architektonisches Gepräge aufgedrückt und in
der innern Ausstattung mehr oder weniger zahl-
reiche Spuren zurückgelassen haben.

1. An dem Platze der Kirche stand in
klassischer Zeit ein heidnischer Tempel tos-
kanischer Ordnung, auf hoher Tuffbasis in
grofsen, rothbraunen Tuffquadern, dem Bau-
material der republikanischen und frühen Kaiser-
zeit, aufgeführt. Welcher Gottheit der Tempel
geweiht war, ist nicht sicher festgestellt. Chr.

3) Dem liebenswürdigen Entgegenkommen des
Herrn Comm. Giovenale verdanke ich aufser manchen
werthvollen Belehrungen die zwei beigegebenen Photo-
graphien.

4) Giovenale „La basilica Sta. Maria in Cos-
medin" • Annuario dell'Assoziazione art. fr. i. Cult. d.
Archit.« V (1895).

fl) H. Grisar S. J. »Sainte-Marie in Cosmedin a
Rome" »Revue de l'art ehret.« Ser. IV T. IX (lbU8)
S. 181 f.
 
Annotationen