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Zeitschrift für christliche Kunst — 13.1900

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345

19O0. — ZEITSCHRIFT KÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 11.

346

Bücher schau.

Die kirchliche Baukunst des Abendlandes.
Historisch und systematisch dargestellt von G. De-
hio und G. von Bezold. VIII. (Schlufs-) Liefe-
rung (Tafel 495 bis 601). Arn. Bergsträfser, Stutt-
gart 1901. (Preis 54 Mark.1
Dieses gewaltige Werk hat den Abschluls ge-
funden , der bei dessen letzter Besprechung (Bd. XI
Sp. 277 bis 278) angekündigt werden durfte (bis auf
das Schlufsheft des Textes, von dem erst die I. Liefe-
rung der IL Hälfte des IL Bandes vorliegt). Die
Schi ulsmappe der Tafeln, der ein Ortsver-
zeichnifs und eine sehr brauchbare, die Entwick-
lung von 20 zu 20 Jahren fortführende Synchro-
nistische Uebersicht beigegeben ist, enthält
Aufnahmen norddeutscher und holländischer Back-
steinbauten, spanischer und portugiesischer Kirchen,
den grofsen Rest französischer und italienischer Denk-
mäler, sowie einige deutsche Nachträge. Auch hier
bilden photographische (Tolal-i Aufnahmen die Aus-
nahme, auch hier spielen die Details, besonders Kapi-
telle , Pfeilerschnitte, Malswerkfenster eine grol'se
Rolle, und Manches erscheint hier zum ersten Male
abgebildet. Es liegt jetzt mithin für die ganze mittel-
alterliche Baukunst des Abendlandes ein Vergleichs-
material vor, so umfassend, so zuverlässig, so über-
sichtlich, wie es niemals auch nur annähernd ist
zusammengestellt worden, ein Werk deutscher
Gründlichkeit, welches für die Wissen-
schaft, wie für die Praxis enormen Segen
zu stiften vermag. — Der die Tafeln begleitende
Text steht nicht nur auf der Höhe der Forschung,
sondern fördert sie noch erheblich durch all' die An-
deutungen, die er bietet, die Vermuthungen, die er
ausspricht, die Kombinationen, zu denen er anregt
Durchaus objektiv, knapp und klar skizzirt er den
Entwicklungsgang der Baukunst in den einzelnen
Ländern, überall die Ausgangspunkte betonend, die
Centren markirend, den Zusammenhang hervorkehrend,
und in den Hauptprodukten der einzelnen Epochen,
Meister, Schulen werden die charakteristischen .Merk-
male festgelegt. Von ganz besonderer Bedeutung ist
in dieser Hinsicht das dem Schlufsband beigefügte
vorletzte Textheft, welches von der Beschrei-
bung der Tafeln 446 bis 503 im IV. Kapitel die
Gothik in Deutschland und den Nachbar-
ländern behandelt; im V. Kapitel Skandinavien,
im VI. Südfiankreich und die Levante, im VII. Spanien
und Portugal folgen läfst. Nicht die gewöhnliche
Dreitheilung in Fiüh-. Hoch- und Spätgothik wird
hier der Entwicklungsdarstellung zu Grunde gelegt,
weil diese Begriffe, für Frankreich und Deutschland
nicht identisch sind, vielmehr werden seitlich nur das
erste Säkulum (1227 Trierer Liebfrauenkirche bis 1322
Vollendung des Kölner Domchores) und die beiden
folgenden (bis 1525) getrennt, dafür aber dem nord-
deutschen Backsteinbau, und im Anschlüsse daran
Holland eine eigene Rubrik gewidmet. Im I. Sä-
kulum werden die Rezeptions- und Assimilations-
Perioden unterschieden, und in jener 3 Stufen, von
denen die erste noch keinen Systemwechsel bedeutet,
sondern nur die Eingliederung von Lehnformen, also

Verschmelzung; die zweite selbstständiges Schaffen
im neuen Stil unter Verwendung der fremden Kon-
struktionsmittel (Trier, Marburg etc.); die dritte voll-
ständigen Anschluß) an ihn französischen Kathedral-
stil (Köln, Stralsburg, Halberstadt, Altenberg, Xanten
etc.). Die Assimilation, also die Verdeutschung
der Gothik, wird zunächst in den einzelnen Bau-
theilen nachgewiesen, dann in.den Bettelordenkirchen
wie in den einzelnen Ländern bezw. Provinzen. Die
Gothik des späten M i 11 e I al te rs (1325-1525)
findet eingehende Würdigung wiederum in der Schei-
dung nach den Ländern, und der norddeutsche
Backstein bau wird hinsichtlich der einzelnen Bau-
theile, wie der Denkmäler beleuchtet. Ueberall
sind in knapper Form so viele Anregungen, so viele
neue Gesichtspunkte geboten, dafs auch die Prüfung
des Textes nicht angelegentlich genug empfohlen
werden kann. Schädigen.

Die Kunst des Mittelalters von Wilhelm
Lübke, vollständig neu bearbeitet von Professor Dr.
Max Semrau, ist soeben als der II. Band des
Grundrisses der Kunstgeschichte bei Paul Neff in
Stuttgart erschienen (Preis geb. 8 Mk.) und verdient in
dieser neuen (XII ) Auflage ebenso warm empfohlen
zu werden, als vDie Kunst des Alterlhums« (in Bd.
XIII, Sp. 280). Die vier Kapitel, in welche sie ein-
gelheilt ist: die altchristliche Kunst, die Kunst
des Islam (mit dem Anhang: Orientalisch-christliche
Kunst), die Kunst des christlichen Abend-
landes im frühen Mittelalter (romanische
Epoche) und im hohen Mittelalter (gothische
Epoche) bilden eine so klnre Disposition, dafs Alles
leicht sich eingliedert. An der Spitze jedes Kapitels
steht eine meiste!hafte Charakterisirung der betreffen-
den Periode, deren Formen hinsichtlich ihres Ursprungs
und Wesens geprüft werden, zunächst und zumeist im
Bereiche der Architektur, welche durchaus im
Vordergrunde steht, dann aber auch auf den Gebieten
der Bildnerei und Malerei, bei denen Inhalt und Form
analysirt werden zum besseren Verständnifs der ge-
schichtlichen Entwicklung, von der in knapper Weise
ein vollständiges, auf der Höhe der F'orschung stehen-
des Bild geboten wird. In diesen Rahmen sind auch
einige kunstgewerbliche Hinweise aufgenommen, denen
vielleicht etwas mehr Kaum hätte gegönnt werden
können, nicht nur für die älteren Epochen, sondern
auch für das spätere Mittelalter, denn gerade für diese
Zweige, also Goldschmiedekunst, Email, Keramik,
ornamentale Schnitzerei, Gewebe, ist solide Unterwei-
sung sehrnothwendig, schon als Vorbereitung finden
fruchtbaren Besuch der Museen. Die fünf farbigen
Tatein und 136 Textillusirationen sind so vortrefflich
ausgewählt wie ausgeführt und schliefsen mit den Ge-
mälden des Camposanto zu Pisa ab, die also, und
zwar mit vollem Recht, noch zur mittelalterlichen
Kunst gerechnet werden. — Die neue Bearbeitung
hat auch für diesen II. Band den Text wesentlich be-
reichert, ohne seine Frische beeinträchtigt zu haben,
die von jeher mit Recht als sein grofser Vorzug galt.

D.
 
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