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Zeitschrift für christliche Kunst — 13.1900

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Schnütgen, Alexander: Frühgothische Holzgruppe des Heilandes mit Johannes Ev.
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https://doi.org/10.11588/diglit.3912#0184

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277

1900. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 9.

278

Frühgothische Holzgruppe des Heilandes mit Johannes Ev.

Mit Abbildung.

J

us dem Pariser Kunsthandel ist vor
Kurzem in den rheinischen, aus
[ diesem in den Besitz des Samm-
ers Chevalier Meyer van den Bergh
zu Antwerpen die grofse polychromirte Holz-
grttppe übergegangen, von der hier Abbildung
vorliegt. Sie stellt
den auf einer Bank
sitzenden Heiland
vor, an dessen
Brust der Liebes-
jiinger ruht. Diese
Darstellung ist in
der Abendmahls-
szene geläufig und
würde auch wäh-
rend der frühgo-
thischen Periode,
aus der diese Grup-
pe stammt, nicht
allzusehr befrem -
den; dafs sie aber
einer solchen nicht

angehört haben
kann, ergibt sich
aus dem Umstän-
de, dafs sie in
sich durchaus ab-
geschlossen ist,
auch an den Sei-
ten (die eine Tiefe
von 0,47 m haben)
keinerlei Zusam -
menhang mit son-
stigen Figuren er-
kennen läfst, viel-
mehr ganz selbst-
ständige Gestal-
tung. Dazu kommt,
dafs die Grofse der

Gruppe, die 1,30 m hoch ist, die Zugehörig-
keit zu einer Abendmahlsszene, wenigstens
zu einer aus Holz geschnitzten, geradezu
atisschliesst. Denn wo sollte eine in sol-
chen Mafsen gehaltene, aus so vielen Fi-
guren bestehende Szene im Innern der Kirche
ihre Aufstellung gefunden haben? Es bleibt
also nichts Anderes übrig, als diese Gruppe
für vollständig zu halten, obwohl sie dadurch

vielleicht zu einem ikonographischen Unikum
wird, zu der frühesten Darstellung des heilig-
sten Herzens Jesu, denn als solche würde sie
wohl am ehesten bezeichnet werden dürfen.
Jedenfalls bietet sie in diesem Sinne beach-
tenswerte Winke, zumal für unsere Zeit, die

diesen Kult in be-
sondere Pflege ge-
nommen hat und
gern nach neuen
Formen suchen mag
für ihren Ausdruck.
Aber auch ab-
gesehen von dieser
symbolischen Be-
deutung hat die
Gruppe Anspruch
auf Beachtung, wie
jede gute mit der
ursprünglichen Po-
lychromie versehe-
ne, zumal grofse
Figur des XIV.
Jahrh. Denn dafs
sie diesem (viel-
leicht gar noch der
ersten Hälfte des-
selben) angehört,
kann nicht zweifel-
haft sein; Zweifel
mögen nur in Be-
zug auf ihre Hei-
math entstehen, als
welche man auf
den ersten Blick
geneigt sein könn-
te, Frankreich an-
zusehen. Dafs sie
auf französischen
Einflufs zurückzu-
führen ist, wird auch wohl nicht bestritten
werden, und wenn es sich um den edlen, wenn
auch etwas sentimentalen Kopf des Heilandes
allein handeln sollte, so würde auch die fran-
zösische Originalität keine grofsen Bedenken
erregen. Aber schon die ungeschickt behandelten,
plumpen Hände desselben, obwohl sie durch-
weg zu den schwächsten Parthien der früh-
gothischen Plastik zählen, würden wohl Ein-
 
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