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Zeitschrift für christliche Kunst — 13.1900

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Bertram, Adolf: Das eherne Taufbecken im Dome zu Hildesheim, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.3912#0095

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Abhandlungen.

Das eherne Taufbecken im Dome zu
Hildesheim.

Mit 3 Lichtdrucken (Tafel VI im IV. Heft, VII, VUI im
VI. Heft) und 8 Textillustrationen.

I.

, as eherne Taufbecken im
Dome zu Hildesheim,1)
das nach dem stilisti-
[ sehen Charakter seines
f Bildwerks, seines Orna-
ments und der Buch-
stabenformen in der spät-
romanischen Zeit, wahr-
scheinlich im zweiten
Viertel des XIII. Jahrh., aus den heimischen
Giefshütten hervorgegangen ist, stand im
Mittelalter auf mehreren Stufen erhöht im
westlichen Theile des Mittelschiffes unseres
Domes.2) Von diesem freien und hell be-
leuchteten Standpunkte wurde dasselbe 1053
entfernt3) und in die dunkle Ecke der letzten
nördlichen Seitenkapelle versetzt. Einen freieren
und erhöhten Standort erhielt es wieder im
März 1900 in der Mitte dieser Kapelle. Bei
dieser Umstellung ward es möglich, alle Seiten
des Kessels und des Deckels photographisch
aufzunehmen. Die Publikation dieser gut ge-
lungenen Aufnahmen lenkt den Blick von neuem
auf das durch hohen künstlerischen Werth be-
rühmte Werk, die reifste Frucht der Oieshütten
Hildesheims.

Ein Blick auf unsere Tafeln und Textbilder
orientirt über Plan, Aufbau und Disposition

') Vergl. Kratz »Der Dom zu Hildesheim« II,
195 ff. — lieissel in »Zeitschrift für christl. Kunst«
II, B85 ff. — v. Behr in »Christliches Kunstblatt«
32, 24 ff. — »Organ für christliche Kunst« 12, 260 ff.
— Sehn aase »Geschichte der bildenden Kunst« V,
617 f. — KUsthardt „Aus Hildesheims Kunstge-
schichte" (Vortrag). — Gute photographische Auf.
nahmen, die auch unseren Illustrationen zur Vorlage
dienten, liefert die Photographische Kunstanstalt von
F. II. liödeker in Hildesheim: 4 Ganzbilder a 2,50 Mk.
und 4 Deckelbilder a 1,25 Mk.

■) Vergl. Bertram »Bischöfe von Hildesheim«
S. 92.

3) Domkapitularisches Protokoll vom 17. Mai 1053.

des Werkes. Vier knieende Männer tragen
auf ihrem Rücken den Kessel, der als umge-
kehrter abgestumpfter Kegel (ein nach oben
sich erweiternder Cylinder) geformt ist und
uns bis zur Brusthöhe reicht. Darauf ruht der
spitz zulaufende Deckel, gekrönt vom Blattknauf.
Die Gesammthöhe des Taufbeckens beträgt
1,70 m, der Umfang 3 m. Als selbständige
Gufsstücke sind hergestellt der Kessel, der
Deckel, jeder der 4 stützenden Männer, ebenso
die Schlufsblume und das mitten unter dem
Kessel stehende Abflufsrohr. Die Modellirung
ist sehr exakt, der Gufs ohne Tadel; nur beim
Deckel sind die schrägen Flächen stellenweise
so dünn geformt, dafs (in Folge ungenügenden
Ausfiiefsens des Metalls) Löcher und Gufsnähte
eintraten; diese fehlerhaften Stellen sind durch
Einziehen von Kupfernieten und Einsprengen
von Kupferstücken ausgebessert. Nach dem
Gufs ist durch sorgsame Gravier- und Ciselir-
arbeit, durch Behandlung mit Grabstichel und
Punze, Feile und Schaber die gesammte orna-
mentale Ausstattung zu anerkennenswerther
Feinheit gehoben. — Ueberzogen war das
Metall seither mit einem Broncelack; derselbe
ist jedenfalls nach späterem Aufputzen aufge-
tragen, um das Blindwerden des Metalls zu
verhüten, das nach seiner Mischung mehr
"Messing- als Broncefarbe hat. Das Relief ist
theils halb, theils hoch erhabene Arbeit. Ein-
zelne Köpfe treten, wie an den Bernwards-
Thüren die Oberkörper, voll aus der Fläche
hervor, namentlich am Deckel, wozu dessen
schräge Flächenrichtung Anlafs gab. ■— Mit
Geschick ist überall der Raum ausgenutzt, um
eine schier übergrofse Menge von Figuren
und Inschriften übersichtlich und anmuthig
zu vertheilen und in Beziehung zu einander
zu setzen.

Die bildlichen Darstellungen am Taufbecken
vertheilen sich in zwei Systeme: ein System,
bestehend aus 20 Einzelfiguren, ornamentirt die
4 Eintheilungslinien oder Axen, die den Kessel
und Deckel in 4 Flächen zerlegen; das andere
System umfafst die Hauptbilder, nämlich die
8 Gruppenbilder in den Flächen des Kessel-
und Deckelmantels.
 
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