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Zeitschrift für christliche Kunst — 13.1900

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Schnütgen, Alexander: Die hochgothische Monstranz der Pfarrkirche zu Ahrweiler
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https://doi.org/10.11588/diglit.3912#0182

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273

1900.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST

Nr. I).

274

Die hochgothische Monstranz der Pfarrkirche zu Ahrweiler.

Mit Abbildung.

kungsvolle

ie merkwürdige frühgothische Kirche
in Ahrweiler, die namentlich durch
ihre beiden Radial-Kapellen oder
-Chörchen auf französische Vor-
bilder hinweist, bewahrt eine Monstranz, die
für sie angefertigt, bis in die hochgothische
Periode, bis in den Anfang des XV. Jahrh.
zurückreicht. Der Aufbau derselben ist so
klar und harmonisch, das Formenwerk so mafs-
voll und vornehm, die Technik so delikat und
bestimmt, dafs ihr selbst aus dieser klassischen
Zeit der mittelalterlichen Goldschmiedekunst
nicht manches Exemplar an die Seite gestellt
zu werden verdient. Ganz aus Silber gebildet
trägt sie die ursprüngliche grüngelbe Vergol-
dung noch in ziemlich ungeminderter Frische,
und nur die Pasten des Nodus, die den durch-
sichtigen Schmelz vollständig eingebüfst haben,
wie die Brustbildchen der unteren, den Ueber-
gang vom Schaft zum Fufs vermittelnden
Gallerie, deren, bekanntlich sehr empfindliches,
Reliefemail stellenweise etwas gelitten hat, zei-
gen erhebliche Spuren des Gebrauchs. Glück-
licherweise hat keine restaurirende Hand sich
an das Kleinod gewagt, welches in der jüng-
sten Zeit nur ganz kleine, mit gröfster Vor-
sicht vorgenommene Reparaturen erfahren hat,
eigentlich nur die Einführung einer neuen Lu-
nula mit Vorrichtung zum Oeffnen in den
gleichfalls aus der Ursprungszeit stammenden
Bergkrystallcylinder.

Obgleich die hier beigegebene Abbildung,
ohne Zweifel die erste, die den Weg in die
Oeffentlichkeit nimmt, von der Monstranz ein
klares Bild gibt, dürfte doch deren Beschrei-
bung, die Hervorhebung ihrer Vorzüge nicht
ganz überflüssig sein. — Der central gehaltene
ziemlich flache Fufs von 19 cm Durchmesser
steht hinsichtlich seiner Breite zum Mitteltheil
von 15 cm Durchmesser und zur Gesammthöhe
von Gl cm im richtigen Verhältnifs, wie über-
haupt sämmtliche Proportionen von tadelloser
Vollkommenheit sind. Die acht birnförmigen
Pässe des Fufses sind abwechselnd zugespitzt
und ausgekehlt. Drei verschiedene herzförmige,
vorzüglich stilisirte Blattornamente, die ge-
meifselt, defshalb gewellt, von dem schraffirten
Grund um so kräftiger sich abheben, geben
dem hübsch gegliederten Fufs eine so wir-

wie seltene Einfassung. Zum
Achteck sich verengend nimmt er die durch
kleine Strebepfeiler markirte, mit Zinnengiebel
abschliefsende Gallerie auf, deren tief gelegene,
daher geschützte Blenden mit den emaiilirten
Brustbildchen von Christus und sieben Aposteln
geschmückt sind. Auch die Köpfe sind in
graulichem, die Haare abwechselnd in goldi-
gem und bräunlichem Schmelzton hergestellt,
also nur die Nimben in Silber belassen und
vergoldet. Kräftig gravirte Schuppendächlein
bewirken die Verjüngung zum glatten Schaft,
der in der oberen Hälfte durch den reichge-
gliederten, mafswerkdurchbrochenen und doch
sehr handlichen Knauf unterbrochen wird. Aus
der oberen Abschlufsschräge wächst der gleich-
falls achteckige Trichter heraus, der zur Auf-
nahme des Cylinders in die Rundung über-
geht, auf vier Seiten durch weitausladende
durchbrochene Strebebögen die viereckige Kon-
struktion bewirkend, die dem ganzen Aufbau
sein herrliches, charakteristisches Gepräge ver-
leiht. Ein durchbrochener Vierpafsfries bildet
unten wie oben den Abschlufs des etwas ko-
nisch gestalteten, daher unten mit einer Hohl-
kehle gefafsten Bergkrystallcylinders, der durch
einen Spitzbogenfries eine Art von Besatz er-
hält. Innerhalb desselben kniet auf dem Balken
eines flach aufliegenden gleicharmigen Kreuzes,
aus dessen Mittel ein Draht zum Anfassen sich
erhebt, die mit der Kasula bekleidete Figur
eines Priesters, der mit beiden Händen die
Lunula hält. Der Faltenwurf dieser Figur wie
die mit dem Fufse genau übereinstimmende
Blattverzierung der stark erweiterten Balken-
endigungen lassen nicht den geringsten Zweifel,
dafs diese eigenartige und sinnvolle Einrichtung
die ursprüngliche ist. Vier mehrfach sich ver-
jüngende schlanke Strebepfeiler umstellen und
überragen den Cylinder, je durch einen kräf-
tigen Pfeiler verstärkt, der unten durch ein
Vierpafsmotiv, oben durch eine eingespannte
Strebe die Konstruktion bewirkt, vielmehr be-
zeichnet, denn dafs diese Strebe in echter Gold-
schmiedetechnik nur dekorativ gedacht ist, be-
weifst schon der Umstand, dafs sie nur mit
einer Zacke des Hängefrieses, also ganz un-
organisch auf dem die Innenpfeiler schmücken-
den Säulchen aufliegt. Die Aufsenpfeiler erhal-
 
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