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Zeitschrift für christliche Kunst — 13.1900

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Beissel, Stephan: Zwei Denkmäler der Karmeliterkirche zu Boppard
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Schnyder, Wilhelm: Santa Maria in Cosmedin in Rom, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.3912#0026

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28

l'JOO. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 1.

24

klar den Unterschied zwischen der altern und
neuern Kunst. Das Werk des Eichstätter Meisters
ist feiner, kunstreicher, schöner, aber die Kraft
dieser Skulptur des XIV. Jahrh. fehlt ihm. Seine
Arbeit pafst zu einem vornehmen Denkmal
hochgestellter Personen, nicht aber für die
kernige Sprache des Volkes. Es liegt doch
mehr Monumentalität in jener Madonna! Ihr
herrlicher Faltenwurf geht von drei Stellen aus:
von den Knien der Gottesmutter und einem
etwas höher, zwischen ihnen liegenden Punkte,
in dem sich die Last des liegenden Körpers
ihres Sohnes gleichsam sammelt. Diese Last
zieht die Falten des Oberkörpers Mariens herab,
während die Falten der untern Gewandtheile
frei herunterfallen. In der Mitte der Figur
liegen also alle Motive ihrer Falten, dort aber
findet das Auge die Hauptsache, die Leiche
des Herrn und ihre verwundeten Hände. Einen
Gegensatz zu diesem Mittelpunkt bildet dann
die Richtung des Blickes der Schmerzensmutter.
Sie schaut auf das Angesicht Christi. Dieser
ihr Blick wird gleichsam betont und gestärkt
durch das leise Zurücktreten des Oberkörpers

Mariens. So ist alles in diesem Schnitzwerk
sorgfältig überlegt und abgewogen. Es ist das
Erzeugnifs einer Zeit, die mehr Kraft besafs
als der Beginn des XVI.Jahrh., gröfsern Glauben,
und die nur einer deutlichen Anregung bedurfte,
um sich der Andacht hinzugeben. Mag auch
der Ordenskomthur sein Relief „zu Lob der
heiligsten Dreifaltigkeit und zum Trost aller
gläubigen Seelen" gestiftet haben, das ältere
Werk hat zweifelsohne mehr Eindruck gemacht,
mehr Trost gespendet. Noch heute ist es dem
Volke lieb und theuer.

So charakterisiren diese beiden Werke zwei
Richtungen der Kunst, das erstere die antike
und moderne, welche ruhige Befriedigung gibt,
weil ihre Erzeugnisse ästhetisch schön sind, das
andere die mittelalterliche, welche der Schön-
heit nicht entbehrt, sie aber nur als Mittel be-
nutzt zu höhern Zielen. Darum bleibt letztere
für die Herstellung christlicher Kunstwerke vor-
bildlich und mustergiltig, ohne dafs wir ge-
zwungen wären auf die Freude an ersterer zu
verzichten und ihren hohen Vorzügen die An-
erkennung zu versagen. Steph. Beifsel.

Santa

I.

onntag den 29. Oktober 1899 wurde
in Rom die Basilica Santa Maria in
Cosmedin dem katholischen Kultus
wieder übergeben, nachdem sie acht
Jahre hindurch gründlicher Restaurationsarbeiten
wegen geschlossen geblieben. Nach Vollendung
der Restauration bietet die Kirche nunmehr
ein Bild, das vom archäologischen wie vom
künstlerischen Standpunkt aus betrachtet so
interessant und eigenartig ist, dafs eine Be-
sprechung desselben an dieser Stelle wohl am
Platze sein dürfte.

Santa Maria in Cosmedin liegt an der Piazza
Bocca della Veritä, am Fufse des nördlichen
Aventinabhanges, in nächster Nähe des Tiber,
in den hier nahebei die Cloaca maxima ein-
mündet. Die Piazza Bocca della Verila darf
als einer der interessantesten und malerischsten
öffentlichen Plätze Roms bezeichnet werden.
In antiker Zeit befand sich hier das Forum
boarium, dessen überaus günstige Lage den
Platz zum Brennpunkt des Handels- und Ver-

Maria in Cosmedin in Rom.

(Mit 5 Abbildungen.)

kehrslebens der alten Weltstadt wie geschaffen
machte. In die Niederung zwischen den kapito-
linischen, palatinischen und aventinischen Hügel
eingelagert, stiefs es nämlich direkt an den
vielbesuchten Circus maximus an und an den
schiffbaren Tiber, über den an dieser Stelle
zwei Brücken ins gegenüberliegende Arbeiter-
viertel (Transtiberim) führten. Zudem liefen
hier die bedeutendsten Heerstrafsen aus den Pro-
vinzen und vom Meere her zusammen. Von
den grofsen Viehmärkten, die auf diesem Forum
abgehalten wurden, führte es den Beinamen
„boarium". Doch diente es nicht nur diesem
Handelszweige, sondern dem Waarenmarkte
überhaupt; die mannigfaltigsten Gewerbe hatten
auf oder an demselben ihr Standquartier auf-
geschlagen. Erwähnt werden in den Klassikern
und auf hier gefundenen Inschriften aufser den
Negotiantes boarii speziell die Argentarii (Geld-
makler), Oelhändler, Weinhändler und Fleischer.
Besonders zahlreich lagen hier, in nächster Nähe
des Tiber, Magazine und Hallen für den Ge-
treidehandel, da bis zum Forum boarium hinauf
 
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