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Zeitschrift für christliche Kunst — 13.1900

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Endres, Joseph Anton: Die Reiterfiguren der Regensburger Domfaçade im Lichte mittelalterlicher Kirchenpolitik
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https://doi.org/10.11588/diglit.3912#0236

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363

1900. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 12.

364

Die Reiterfiguren der Regensburger Domfacade im Lichte mittelalterlicher

Kirchenpolitik,
n seinem werthvollen Aufsätze

'k?Ä frii n seinem werthvollen Aufsätze: „Die
vier reitenden Könige an derFacade
des Regensburger Domes" 1) ist es
Domdekan Dr. G. Jakob gelungen,
in überzeugender Weise die seit mittelalter-
licher Zeit in Vergessenheit gerathene ikono-
graphische Bedeutung der Reiterfiguren an der
Stirnseite der vier Hauptpfeiler der Domfacade
zu Regensburg wiederum an's Licht zu ziehen.
Die vier Reiterfiguren sind nach ihm eine Dar-
stellung der vier Weltreiche, welche der Pro-
phet Daniel (7, 2 ff.) unter dem Bilde von vier
phantastischen Thieren schaute. Bereits das
Malerbuch vom Berge Athos enthält die An-
leitung zu einer künstlerischen Wiedergabe des
prophetischen Gesichtes. Es lässt von den
vier Thieren die Beherrscher der vier Welt-
reiche, des chaldäischen, persischen, grie-
chisch-macedonischen und römischen, getragen
sein, nämlich Nabuchodonosor, Darius, Alexan-
der und Augustus. Jacob unterläfst es nicht,
auf den Zusammenhang dieser Bilderreihe mit
dem Skulpturenschmucke der ganzen Fagade
hinzuweisen. Der Regensburger Dom sei dem
Apostelfürsten Petrus geweiht, dem der Herr
die Schlüssel seines Reiches übergeben habe.
Dieses, das Reich Jesu Christi, sei nach der
Prophetie Daniels (7, 11 ft.) dazu bestimmt,
die grofsen Weltreiche abzulösen; die vier
Könige „weisen somit auf den König aller
Könige und sein ewiges Reich, auf Jesus
Christus und seine Kirche". Der von Christus
bestellte Lenker seines Reiches auf Erden aber
ist Petrus, — dies der Grundgedanke des bild-
nerischen Schmuckes der Facade.

Am Schlüsse seines Aufsatzes spricht der
Verfasser den Wunsch aus, seine Mittheilung
möge ein „Anlass sein, auch anderwärts Nach-
schau zu halten, ob die Darstellung der vier
Weltreiche sich in Kirchen des Occidents
irgendwo und in welcher Auffassung etwa
finden könne". Diesem Wunsche beabsichtigen
die folgenden Zeilen nachzukommen. Sie wollen
darthun, dafs der gleiche Gegenstand und zwar
in Regensburg selbst im Mittelalter noch ein-
mal dargestellt war. Zugleich soll gezeigt werden,
welche spezifische Auffassung das Mittelalter mit
jener Darstellung der vier Weltreiche verband.

i) Zeitschrift für christl. Kunst 1900, 117—124.

Auf der Suchenach ähnlichen Reiterfiguren,
wie sie den Regensburger Dom schmücken,
machen wir unwillkürlich zunächst vor der
prächtigen Facade des Strafsburger Münsters
Halt. Ueber Strafsburg hatte sich der fran-
zösische Einflufs in der Fagadenhildung weiter
ostwärts, namentlich nach Regensburg erstreckt.
Die Vertikal- und Horizontalgliederung der
Strafsburger Münsterfagade scheint für Regens-
burg von vorbildlicher Bedeutung gewesen zu
sein.2) In den zierlichen Tabernakeln der
Facadenpfeiler jenes Münsters an der Endigung
des Untergeschosses nun treffen wir Reiter-
figuren und zwar ebenfalls reitende Könige wie
zu Regensburg. Es waren ursprünglich nur
drei derartige Bildwerke. Wenn wir dann frei-
lich vernehmen, dafs in ihnen die Wohlthäter
von Land und Bisthum verewigt werden woll-
ten, so bleibt für die Analogie mit den Regens-
burger Figuren kein Raum.3) Nur der Ge-
danke legt sich nahe, dafs der Regensburger
Meister das wirksame Motiv von Reiterfiguren
zu Strafsburg gefunden haben mag, um es seinen
Verhältnissen und der ihn bindenden Gedanken-
welt anzupassen.

Ohne übrigens die Wanderung in der Rich-
tung nach Frankreich hin fortzusetzen, sind wir
im Stande, eine, nunmehr allerdings längst ver-
schwundene, Darstellung der vier Weltreiche
aufzuweisen und zwar in Regensburg selbst,
in der Abteikirche des hl. Emmeram.

In zwei Handschriften sind Sammlungen
mittelalterlicher Bildertituli aus der Kirche von
St. Emmeram erhalten, welche uns einen Schlufs
auf die vormalige Ausstattung dieses Gottes-
hauses ermöglichen, nämlich in dem Cod. lat.

-) Vgl. Dohme «Geschichte der deutschen Bau-
kunst«, Berlin 1885, 232.

3) Vor mir liegt ein Strafsburger Mlinster- und
Thurmbllchlein von G. H. ßehr, Strafsburg 1744,
welches über die ehemaligen Reiterfiguren folgendes
enthält (S. 94): «Unten an der Fenster-Rosen sind
vier Stellungen, »emlich an den 4 Pfeilern auswendig.
Eine Stellung ist zwar leer, in denen 3 andern aber
sind die Bildnifse derer drey Könige Clodovaei, Dago-
berti und Rudolphi von Habsburg mit Scepter und
Cron zu Pferd sitzende, welche im Jahr lvd91 dabin
gestellt wurden.« Bei der Restauration wurden die
Königsfiguren im ersten und zweiten Geschosse auf
zwanzig erhöht, von denen nur zwei nicht Reiterbilder
sind.
 
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