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Zeitschrift für christliche Kunst — 13.1900

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https://doi.org/10.11588/diglit.3912#0147

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215

1900.

ZEITSCHR FT FÜR CHRISTUCHE KUNST

Nr. 7.

216

Nachrichten.

Die retrospektive Ausstellung im Petit-
Palais der Pariser Weltausstellung. IV.

Unter den römischen Bronzen erregt wegen der
energischen Komposition und der technischen Bravour
besondere Aufmerksamkeit eine Löwin, die einen Reiter
anfällt (Museum von Toulouse, Nr. 259), Theil einer
Wagenverzierung. Grofs ist die Anzahl künstlerisch
hochbedeutsamer Gufsstücke aus dem Mittelalter, die
sich zugleich durch eine grofsarlige Beherrschung der
Technik auszeichnen, allen voran das Fragment von
dem Fufs des Osterleuchters aus St. Remy in Reims
(Nr. 929), ein von grofsen Bergkrystallen unter-
brochenes überaus kühnes Durcheinander von Ranken,
Drachen, Menschenfiguren der vollendetsten Model-
lirung, aus dem Ende des XII. Jahrh. Ungefähr der-
selben Zeit gehören vierzehn kleinere Leuchter für der.
Hand- und Altargebrauch an, unter denen die Reiter-
leuchter von Oppenheim (Nr. 390) und Le Roy
(Nr. 895), der Rankenleuchter mit Thierfigur (Nr. 391),
der Schaftleuchter mit arabischen geschnittenen Berg-
krystallen auf dreieckigem gravirten Fufs (Nr. 1592),
beide ebenfalls Sammlung von Oppenheim, hervorge-
hoben seien. Von den fünf Thürklopfern in Gestalt
von Löwen- (und Wolf-) Köpfen (Nr. 325 und 326)
mögen einige bis in das XI. Jahrh. zurückreichen.
Die bekannte durchbrochene Schelle aus Reims (Nr. 330)
fehlt nicht, ihr sind zwei Rauchfässer (Nr. 3B2 und
334) verwandt und zwei frühgothische Engelfiguren
(Sammlung de Vognü Nr. 3^-5) gehören noch dem

XIII. Jahrh. an, während die trefflichen Statuetten von
St. Martin und St. Petrus (Nr. 340), die schöne Gruppe
des hl. Hubertus bereits dem XV. Jahrh. entstammen.
Aquamanilien, deren ich sechszehn zählte, begegnen
in den verschiedensten Formen von Löwen, Pferden,
Vögeln, Reitern, Löwenbändigern; ihre Ursprungszeit,
wie die der sonstigen Bronzen in Thier- u. Reiterfiguren,
ist nicht immer mit Sicherheit zu bestimmen, zumal,
wenn sie mehr handwerksmäfsiger Gestaltung sind, in
der ältere Formen des XII. Jahrh. noch bis in's

XIV. Jahrh. fortwirken. Auch über ihre Heimath
werden Zweifel berechtigt sein, die zwischen Flandern
und Frankreich schwanken mögen, und selbst die
Echtheit dürfte hinsichtlich dieses oder jenes Stückes
Anfechtung erfahren, freilich nicht bei der Figur des
von der Phyllis gerittenen Aristoteles aus dem XV.
Jahrh. (Sammlung Chabriere) einer der Zierden dieser
Abtheilung, auch nicht bei der Fontäne von Oppen-
heims (Nr. 430) und dem Adlerpult aus Rosnay
(Nr. 433), beide aus dem XV. Jahrh.

Mit Recht ist auch das mittelalterliche Blei bezw.
Zinn vertreten, um so interessanter, je seltener es ist,
nicht nur in kleineren, sondern auch in gröfseren Ge-
fäfsen. Letztere dienten in der Regel als Tauf- oder
Weihwasserbecken. Ein solches aus der Kirche von
Lombez (Nr. 443), runder Kessel von 77 cm Durch-
messer, 29 cm Höhe, der unten mit Figurenfries in
Vierpässen, darüber mit sich wiederholenden Jagd-
szenen und Ornamenten verziert ist, geht bis in's
XIII. Jahrh. zurück, desgleichen ein rechteckiges Gefäfs,
37 : 23 cm, aus der Kirche von Puycasquier (Nr. 444)
mit flachen Kleeblattbögen und Palmettenborte darunter.

Die Formensprache des XIV. Jahrh. redet ein recht-
eckiges Lavabo-Gefäfs des Museums von Albi (Nr. 445),
57 cm lang, 29 cm tief, 27 cm hoch, mit Fries von
zwei sich immer wiederholenden Figuren, unter dem
Rosetten über Arkaturen; die rothe und blaue Fär-
bung auf grünem Grund erhöht das Interesse für
dieses seltene Gefäfs. Die runden Kessel (Sammlung
Dallemagne Nr. 446) mit eingegossenen Bilderstreifen
und im Museum Amiens (Nr. 447), 48 cm Durchmesser,
35 cm Höhe, mit zwei Köpfen fUr Henkel, und mit
Standfiguren zwischen Strebepfeilern, sind Erzeugnisse
der Spätgothik, wie der Almosenkasten des Domes
von Beauvais mit Lilienverzierung unter Eselsrücken.
Die im XIV. Jahrh. wie in Deutschland, so in Frank-
reich geläufigen versilberten oder vergoldeten Holz-
kästchen mit aufgelegten durchbrochenen und eben-
falls vergoldeten Bleireliefs in bald religiösen, bald
weltlichen Darstellungen sind hier nicht vertreten,
obwohl sich in dem sonst stark herangezogenen
Schatze des Domes von Troyes ein ungewöhnlich
schönes, dazu wohlerhaltenes Exemplar derselben be-
findet, welches vielleicht bisher keine Beachtung bezw.
Klassirung gefunden hat.

Von den Eisenarbeiten seien nur erwähnt aus
dem XIII. Jahrh. der geschmiedete Weihkessel des
Museums von Orleans (Nr. 458) mit den Inschriften
vom Pater und Ave Maria, zwei Hostieneisen (Nr. 459
und 460), die aus dieser frühen Zeit selten, vier Lese-
pulte (Nr. 461—461), von denen das der Kathedrale
von Rouen mit Bestien unten, Köpfen oben, durch-
brochenen Knauf dazwischen am reichsten und merk-
würdigsten, — aus dem XIV. und XV. Jahrh. ver-
schiedene Hostieneisen und Köfferchen, Weihkessel,
Kandelaber, Tortschen, sowie zahlreiche Schlösser und
Schlüsse], von denen Doistan eine ganze, zum '1 heil
bis in's XVII. Jahrh. reichende, Sammlung vorlegt.

Aus der verhältnifsmäfsig kleinen Reihe von
Waffen hebe ich nur den durch vornehmste Ein-
fachheit ausgezeichneten Dolch Philipps des
Guten von Burgund der Sammlung Thewalt hervor,
und beschreibe ihn etwas eingehender, weil er im
Katalog nicht erwähnt ist. Das Gefäfs von Wallrols-
zahn krönt ein silbervergoldeter getriebener Knauf
in Form des Feuerstahls; dieselbe Figuration wieder-
holt sich an der von montirlen Krabben auslaufenden,
nach unten gebogenen Parirstange. Auf der einen
Seite der breiten Klinge befindet sich in minutiösester
Aetzung ein Andreaskreuz von flammenden Holz-
scheiten mit dem Schriftband: „Escit", auf der anderen
ein Ritter in KrebsrUstung, einen Lindwurm erlegend,
llankirt von den burgundischen Lilien. Diese Dar-
stellungen, welche die Symbolik des Stifters vom Or-
den des goldenen Vliefses wiedergeben, werden beider-
seitig abgeschlossen durch ein Band mit dem Wahl-
spruche, den Philipp vor seiner Vermählung mit Isa-
bella von Portugal 1429 führte: Montjoie St. Andrieu.

__ Von den Messern seien nur die drei schönen

Exemplare aus den Museen von Le Maus und Dijon
(Nr. 574 und 575) erwähnt mit dem emaillirten Wappen
und der Devise nAVLTE NAA'AI", welche Philipp
der Gute später annahm. Sclmütgen.

(Schlufs im nächsten Heft.)
 
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