217
1900. - ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST - Nr. 7.
218
Die christliche Kunst auf der Bonner
Generalversammlung. Die 47. Generalversamm-
lung der Katholiken Deutschlands übertrug dem Dom-
kapitular Schnütgen den Vorsitz im Ausschufs
für christliche Kunst. Dieser tagte am Montag,
den 3. September, Nachmittags B—5 Uhr, und am
folgenden Tage, Morgens 9—11 Uhr. Als stellver-
tretender Vorsitzender wurde Bildhauer G. Busch
(Mtlnchen).bestellt, als Beisitzer Baurath Güldenpfennig
(Paderborn) und Freiherr von Heereman (Münster),
als Schriftführer Kaplan Lingnau (Mülheim, Rhein) und
Dr. Oidtmann (Linnich). Zur Prüfung und eventuellen
Annahme lagen der Sektion für die erste Sitzung sechs
Anträge vor.
1. „Kirchliche, christliche, rein weltliche Kunst".
2. „Förderung christlicher Kunst und Künstler".
8. „Deutsche Gesellschaft für christliche Kunst".
4. „Albrecht Dürer-Verein in München".
5. „Empfehlung der christlichen Kunst durch die
katholische Presse und Litteratur".
0. „Empfehlung der »Zeitschrift für christliche
Kunst«".
Ad I. In lichtvoller Darstellung gab der Vor-
sitzende eine Erklärung und ausführliche Begründung
der von ihm eingebrachten Resolutionen, indem er den
genauen Unterschied zwischen kirchlicher, christlicher
und rein weltlicher Kunst klar darlegte, das einmüthige
Zusammengehen der Akademiker mit den Kunsthand-
werkern als dringende Notwendigkeit hinstellte, in
scharfen Worten die rein materielle Konkurrenz der
sogenannten Kunstanstalten geifselte, auch die Ver-
irrungen der modernen Kunst, die nicht selten Un-
kunst, selbst Unzucht sei, kritisirte und verurtheilte.
Die sich hieran anschliefsende, sehr lebhafte, fast ein-
stitndige Diskussion drehte sich vor allem um die
dehnbaren Worte „sogenannte Kunstanstalten". Es
war eigentlich nur mehr ein Streit um Worte, denn
im Prinzip waren alle einig hinsichtlich der Verurthei-
lung solcher Anstalten und ihrer „Kunstprodukte".
Schliefslich ward doch eine Einigung erzielt. Der
ganze von dem Vorsitzenden eingereichte Antrag Nr. 1
erhielt nach dieser langen Debatte folgende Formu-
lirung und wurde auch in dieser Fassung von allen
Anwesenden gut geheifsen und der Generalversamm-
lung zur Annahme empfohlen.
„1. Als die erhabenste Bethätigung der christ-
lichen Kunst erscheint das kirchliche Kunstschaffen,
welches stets die gröfsten Talente und bedeutendsten
Meister in seinen Dienst gezogen hat, nicht nur im
Mittelalter, sondern auch noch in den folgenden Jahr-
hunderten. Dafs in unserer Zeit von dieser Thätig-
keit die begabtesten Künstler zumeist sich zurück-
gezogen haben, ist sehr zu beklagen, defswegen drin-
gend zu wünschen, dafs günstigere Verhältnisse auch
sie wieder kirchlichen Aufgaben zufuhren möchten.
2. Wie alles Leben in der Kirche, so soll auch
ihre Kunstthätigkeit auf dem Grunde der Tradition
ruhen und kann darum nicht allen, oft sich rasch ab-
lösenden Wandlungen des Geschmackes folgen. Wie
aber die Kirche in allen ihren Veranstaltungen den
berechtigten Forderungen der Zeit sich anbequemt, so
ist auch auf ihrem Kunstgebiet der Fortschritt in der
Technik, wie der Anschlufs an neue Ideen und Formen
nicht gehindert, wenn nur die glänzenden Vorbilder,
welche ihr vornehmlich das Mittelalter zurückgelassen
hat, von den Künstlern durch sorgfältiges, in ihren
Geist eindringendes Studium die gebührende Berück-
sichtigung erfahren. Was an ihnen noch unvollkommen
ist, soll durch den freien Anschlufs an die Natur und
durch das Zusammenwirken von hoher Kunst und
Kunsthandwerk, von Akademie und Werkstatt immer
mehr verbessert werden. Was immer aber den Stempel
des Fabrikbetriebes trägt, wie fast Alles, was aus den
nicht von künstlerischen und kunstverständigen Kräften
geleiteten Anstalten hervorgeht, soll die Schwelle des
Heiligthums nicht überschreiten.
3. Die christliche Kunst hat den Beruf, das
ganze christliche Leben, nicht nur das unmittelbar
kirchliche, zu verschönern und zu veredeln. Sie darf
defshalb die Lehren, Sittengesetze, Geschichte des
Christenthums niemals verleugnen. Alle ihre Schöpfun-
gen müssen vielmehr vom Geiste desselben durch-
drungen sein, so dafs in ihnen weder das übernatürliche
Element verkannt, noch irgend eine übernatürliche
Thatsache erniedrigt oder profanirt wird.
4. Der christlichen Kunst widersprechen am meisten
alle Versuche, dem Materialismus und der Sinnenlust
die Darstellungen dienstbar zu machen. Sie stempeln
jede Kunst, auch die rein weltliche, zur Ver-
führerin, die Urheber jener Gebilde zu den schlimm-
sten Feinden der Gewissen und der gesellschaftlichen
Ordnung."
Ad 2. Als Antragsteller waren hier wie auch bei
Nr. 3, 4 und 5 unterzeichnet Bildhauer Georg Busch,
Professor Dr. AI. Meister, Dr. Fr. Kampers. Ueber
die Nothwendigkeit dieses Antrages konnte kein Zweifel
bestehen, zumal schon mehrere Versammlungen z. B.
in Köln und Landshut ihn eingehend beralhen und
einstimmig angenommen hatten. Er lautet:
„Die 47. Generalversammlung hält es für dringend
nothwendig, dafs die W ahrhe i t des christlichen
Glaubens, die Thatsachen der christlichen Ge-
schichte und die Grundsätze des christlichen Lebens
nicht nur für kirchliche, sondern auch für häusliche
und öffentliche Zwecke viel mehr als bisher in selbst-
ständig künstlerischer und religiöser Em-
pfindung zur Darstellung gebracht werden.
Sie empfiehlt aufs Wärmste die direkte Zuwen-
dung von Aufträgen an tüchtige und glaubenstreue
Künstler."
Im Manuskript war noch ein weiterer Salz ent-
halten. Es empfahl sich jedoch, denselben auszu-
scheiden, weil er fast nur als Wiederholung des zum
Theil unter Antrag 1 Gesagten erschien. Es hiefs
nämlich darin:
Die Generalversammlung betrachtet die kirch-
liche Kunst als den wichtigsten Zweig des christ-
lichen Kunstschaffens und empfiehlt für dieselbe das
Studium und den engen Anschlufs — auch nach der
theologischen und symbolischen Seite hin — an die
kirchlichen Vorschriften und an mustergiltige Schöpfun-
gen aus der ruhmreichen Vergangenheit der christ-
lichen Kunst. Sie verlangt aber auch bei ihnen die
Fähigkeit und das Bestreben, diese Schöpfungen indi-
viduell zu benutzen und zu verwerthen unter Anwen-
dung solider und erprobter Technik."
1900. - ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST - Nr. 7.
218
Die christliche Kunst auf der Bonner
Generalversammlung. Die 47. Generalversamm-
lung der Katholiken Deutschlands übertrug dem Dom-
kapitular Schnütgen den Vorsitz im Ausschufs
für christliche Kunst. Dieser tagte am Montag,
den 3. September, Nachmittags B—5 Uhr, und am
folgenden Tage, Morgens 9—11 Uhr. Als stellver-
tretender Vorsitzender wurde Bildhauer G. Busch
(Mtlnchen).bestellt, als Beisitzer Baurath Güldenpfennig
(Paderborn) und Freiherr von Heereman (Münster),
als Schriftführer Kaplan Lingnau (Mülheim, Rhein) und
Dr. Oidtmann (Linnich). Zur Prüfung und eventuellen
Annahme lagen der Sektion für die erste Sitzung sechs
Anträge vor.
1. „Kirchliche, christliche, rein weltliche Kunst".
2. „Förderung christlicher Kunst und Künstler".
8. „Deutsche Gesellschaft für christliche Kunst".
4. „Albrecht Dürer-Verein in München".
5. „Empfehlung der christlichen Kunst durch die
katholische Presse und Litteratur".
0. „Empfehlung der »Zeitschrift für christliche
Kunst«".
Ad I. In lichtvoller Darstellung gab der Vor-
sitzende eine Erklärung und ausführliche Begründung
der von ihm eingebrachten Resolutionen, indem er den
genauen Unterschied zwischen kirchlicher, christlicher
und rein weltlicher Kunst klar darlegte, das einmüthige
Zusammengehen der Akademiker mit den Kunsthand-
werkern als dringende Notwendigkeit hinstellte, in
scharfen Worten die rein materielle Konkurrenz der
sogenannten Kunstanstalten geifselte, auch die Ver-
irrungen der modernen Kunst, die nicht selten Un-
kunst, selbst Unzucht sei, kritisirte und verurtheilte.
Die sich hieran anschliefsende, sehr lebhafte, fast ein-
stitndige Diskussion drehte sich vor allem um die
dehnbaren Worte „sogenannte Kunstanstalten". Es
war eigentlich nur mehr ein Streit um Worte, denn
im Prinzip waren alle einig hinsichtlich der Verurthei-
lung solcher Anstalten und ihrer „Kunstprodukte".
Schliefslich ward doch eine Einigung erzielt. Der
ganze von dem Vorsitzenden eingereichte Antrag Nr. 1
erhielt nach dieser langen Debatte folgende Formu-
lirung und wurde auch in dieser Fassung von allen
Anwesenden gut geheifsen und der Generalversamm-
lung zur Annahme empfohlen.
„1. Als die erhabenste Bethätigung der christ-
lichen Kunst erscheint das kirchliche Kunstschaffen,
welches stets die gröfsten Talente und bedeutendsten
Meister in seinen Dienst gezogen hat, nicht nur im
Mittelalter, sondern auch noch in den folgenden Jahr-
hunderten. Dafs in unserer Zeit von dieser Thätig-
keit die begabtesten Künstler zumeist sich zurück-
gezogen haben, ist sehr zu beklagen, defswegen drin-
gend zu wünschen, dafs günstigere Verhältnisse auch
sie wieder kirchlichen Aufgaben zufuhren möchten.
2. Wie alles Leben in der Kirche, so soll auch
ihre Kunstthätigkeit auf dem Grunde der Tradition
ruhen und kann darum nicht allen, oft sich rasch ab-
lösenden Wandlungen des Geschmackes folgen. Wie
aber die Kirche in allen ihren Veranstaltungen den
berechtigten Forderungen der Zeit sich anbequemt, so
ist auch auf ihrem Kunstgebiet der Fortschritt in der
Technik, wie der Anschlufs an neue Ideen und Formen
nicht gehindert, wenn nur die glänzenden Vorbilder,
welche ihr vornehmlich das Mittelalter zurückgelassen
hat, von den Künstlern durch sorgfältiges, in ihren
Geist eindringendes Studium die gebührende Berück-
sichtigung erfahren. Was an ihnen noch unvollkommen
ist, soll durch den freien Anschlufs an die Natur und
durch das Zusammenwirken von hoher Kunst und
Kunsthandwerk, von Akademie und Werkstatt immer
mehr verbessert werden. Was immer aber den Stempel
des Fabrikbetriebes trägt, wie fast Alles, was aus den
nicht von künstlerischen und kunstverständigen Kräften
geleiteten Anstalten hervorgeht, soll die Schwelle des
Heiligthums nicht überschreiten.
3. Die christliche Kunst hat den Beruf, das
ganze christliche Leben, nicht nur das unmittelbar
kirchliche, zu verschönern und zu veredeln. Sie darf
defshalb die Lehren, Sittengesetze, Geschichte des
Christenthums niemals verleugnen. Alle ihre Schöpfun-
gen müssen vielmehr vom Geiste desselben durch-
drungen sein, so dafs in ihnen weder das übernatürliche
Element verkannt, noch irgend eine übernatürliche
Thatsache erniedrigt oder profanirt wird.
4. Der christlichen Kunst widersprechen am meisten
alle Versuche, dem Materialismus und der Sinnenlust
die Darstellungen dienstbar zu machen. Sie stempeln
jede Kunst, auch die rein weltliche, zur Ver-
führerin, die Urheber jener Gebilde zu den schlimm-
sten Feinden der Gewissen und der gesellschaftlichen
Ordnung."
Ad 2. Als Antragsteller waren hier wie auch bei
Nr. 3, 4 und 5 unterzeichnet Bildhauer Georg Busch,
Professor Dr. AI. Meister, Dr. Fr. Kampers. Ueber
die Nothwendigkeit dieses Antrages konnte kein Zweifel
bestehen, zumal schon mehrere Versammlungen z. B.
in Köln und Landshut ihn eingehend beralhen und
einstimmig angenommen hatten. Er lautet:
„Die 47. Generalversammlung hält es für dringend
nothwendig, dafs die W ahrhe i t des christlichen
Glaubens, die Thatsachen der christlichen Ge-
schichte und die Grundsätze des christlichen Lebens
nicht nur für kirchliche, sondern auch für häusliche
und öffentliche Zwecke viel mehr als bisher in selbst-
ständig künstlerischer und religiöser Em-
pfindung zur Darstellung gebracht werden.
Sie empfiehlt aufs Wärmste die direkte Zuwen-
dung von Aufträgen an tüchtige und glaubenstreue
Künstler."
Im Manuskript war noch ein weiterer Salz ent-
halten. Es empfahl sich jedoch, denselben auszu-
scheiden, weil er fast nur als Wiederholung des zum
Theil unter Antrag 1 Gesagten erschien. Es hiefs
nämlich darin:
Die Generalversammlung betrachtet die kirch-
liche Kunst als den wichtigsten Zweig des christ-
lichen Kunstschaffens und empfiehlt für dieselbe das
Studium und den engen Anschlufs — auch nach der
theologischen und symbolischen Seite hin — an die
kirchlichen Vorschriften und an mustergiltige Schöpfun-
gen aus der ruhmreichen Vergangenheit der christ-
lichen Kunst. Sie verlangt aber auch bei ihnen die
Fähigkeit und das Bestreben, diese Schöpfungen indi-
viduell zu benutzen und zu verwerthen unter Anwen-
dung solider und erprobter Technik."