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Zeitschrift für christliche Kunst — 13.1900

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Kolberg, Josef: Ein französisches Psalterium des XIV. Jahrh., [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.3912#0174

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Abhandlungen.

Mit

Ein französisches Psalterium des
XIV. Jahrb.

i Abbildungen (in II).
I.

' us dem Vermächtnisse des
ermländischen Fürstbischofs
Joseph von Hohenzollern,
(1803-1836) besitzt die Bi-
bliothek des Bischöflich
ermländischen Priestersemi-
narszuBraunsberg ein mittel-
alterliches Psalterium, dessen
Herkunft noch nie zum
Gegenstande einer besonderen Untersuchung
gemacht worden ist, und auf welches defshalb
hiermit die Aufmerksamkeit der Liturgiker wie
Kunsthistoriker hingelenkt sei. Die kunstvollen
Miniaturen, Initialen und Randleisten, die sau-
bere Schrift und splendide Ausstattung über-
haupt bildeten freilich schon seit längerer Zeit
den Gegenstand der Bewunderung bei allen
Kunstfreunden, welche Gelegenheit hatten," das
Buch in Augenschein zu nehmen. Dieser künst-
lerischen Ausstattung des Werkes widmete Pro-
fessor Dr. Dittrich im zweiten Hefte der Mit-
theilungen des ermländischen Kunstvereins
(Braunsberg 1871) einen Aufsatz: »Mittelalter-
liche Initialen in einer Handschrift der Biblio-
thek des Klerikal-Seminars zu Braunsberg«, auf
welchen hiermit verwiesen sei. Als Ergänzung
des dort Gesagten mögen die folgenden
Ausfuhrungen dienen, in welchen der Versuch
gemacht wird, die Herkunft des Buches und
die Zeit seiner Entstehung näher zu bestimmen.

Das Psalterium bildet in seiner heutigen
Gestalt einen Quartband von 211/» cm Höhe
und lö'/o tm Breite, doch war es früher wenig-
stens oben und unten länger, da an ein-
zelnen Stellen die letzten Ausläufer der Rand-
leisten abgeschnitten sind.

Der jetzige Einband von braunem Leder
mit kleinen Goldpressungen ist neu und gehört,
dem Stile der Goldpressung nach zu schliefsen,
in die erste Hälfte des XIX. Jahrh., etwa in

die Zeit, da das 1 uch vom Fürstbischöfe dem
Seminar übermittelt wurde.

Das Pergament ist ziemlich dünn; so dünn,
dafs die farbigen Initialen durchscheinen. Der
Inhalt bestand ursprünglich aus 39 Qualer-
nionen '), welche nicht gezählt sind; davon sind
37 Quaternionen im eigentlichen Sinne; die
sechzehnte Quaternione besteht aus nur sechs
mehrfach zusammengeklebten Blättern, die letzte
enthält nur fünf Blätter, indem Blatt 285 an
286 angeklebt ist. Das ganze Buch besafs dem-
nach 289 Blätter. Von diesen sind die Blätter
74, 98, 106, 122, 123, 171 ausgeschnitten.

Zur Ausführung der Schrift wurde das Per-
gament zuvor mit Blei fein liniert, indem zu-
nächst je zwei senkrechte Linien in gewisser
Entfernung vom rechten und linken Rande jeder
Seite gezogen wurden, welche bis gegen den
oberen und unteren Rand hinlaufen. Die wage-
rechten Linien, für gewöhnlich 14 auf jeder
Seite, sind sorgfältig nur bis zu ihren Schnitt-
punkten mit den äufseren senkrechten Linien
geführt. Der Zwischenraum zwischen den bei-
den auf der linken Seite des Blattes hinlaufen-
den Senkrechten ist dann benutzt, um die ge-
wöhnlichen Versinitialen hineinzuzeichnen. Der
Zirkel ist zur Vertheilung der Linien auf der
Blattfläche, soweit sich feststellen liefs, nicht
benutzt. In dem dem Psalterium vorgeschickten
Kalendarium ist der Kalender je eines Monates
auf eine Seite geschrieben.

Die Tinte, mit welcher der Text geschrie-
ben ist, ist vielfach sehr blafs geworden, wird
aber von der zwölften Quaternione an recht
schwarz und nimmt im Verlaufe des Buches
noch an Schwärze zu, sodafs die Schrift erst
vor Kurzem geschrieben erscheint; sie verliert
diese tiefe Schwärze sichtlich mit Ps. 109 (vier-
undzwanzigsten Quaternione) und kehrt zur an-
fänglichen Blässe zurück. Einzelne sehr blasse
Buchstaben sind später mit tiefschwarzer Tinte
im ersten Theile wie in der späteren Hälfte
des Buches nachgebessert worden.

Das Psalterium erscheint im Allgemeinen
von einer Hand geschrieben. Die Buchstaben

') Vgl. \V at t en b a ch »Das Schrift wesen im
Mittelalter«. .1. Aufl. S. 177.
 
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