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Zeitschrift für christliche Kunst — 13.1900

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Kolberg, Josef: Ein französisches Psalterium des XIV. Jahrh., [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.3912#0175

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2 59

1900. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 9.

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sind mit grofser Sorgfalt gezeichnet, wenngleich
Schreibfehler und dadurch bedingte Korrek-
turen nicht selten sind. Nur beim Beginn der
zweiundzwanzigsten Quaternione gewinnt man
den Eindruck, als ob eine zweite Hand mit-
helfend eingetreten sei: Die Buchstaben wer-
den kleiner, dünner, sind nicht so sorgfältig;
später werden sie zwar etwas gröfser und voller,
verrathen aber noch Spuren von Unsicherheit,
erscheinen immer noch etwas kritzlich. Unter
diesem Mangel leidet die zwei- und dreiund-
dreifsigste Quaternione; ich halte es nicht für
ausgeschlossen, dafs sie von einer zweiten Hand
geschrieben sind.2) Mit der vierundzwanzig-
sten Quaternione (Anfang der Vesperpsalmen)
tritt bei Anwendung der Anfangs gebrauchten
sehr verblafsten Tinte auch die Hand des ersten
Schreibers wieder ein.

Den Inhalt des Buches bildet zunächst ein
Kalendarium. Daran reihen sich die Psalmen,
welche fortlaufend geschrieben sind, sodafs jeder
Psalmvers mit einer neuen Zeile beginnt. Ps. 109
(Anfang der Vesperpsalmen) wird auf einer
neuen Seite begonnen. An die Psalmen reihen
sich die in der Psalmodie gebräuchlichen alt-
und neutestamentlichen Cantica, das symbolum
Athanasianum, die Allerheiligenlitanei nebst
Versikeln und drei Orationen. Das Buch cha-
rakterisirt sich dadurch als zum Gebrauch beim
kirchlichen Officium bestimmt. Die Allerhei-
ligenlitanei wurde im Mittelalter häufiger als
heute bei öfters abgehaltenen Bittprozessionen
und in der Fastenzeit zusammen mit den Bufs-
psalmen gebraucht.3)

B.

Das Kalendarium ist wichtig, um die Her-
kunft des Psalteriums festzustellen.

Es enthält am Anfange jeden Monats die
versus Aegyptiaci, wie sie ziemlich regelmäfsig
in den Kaiendarien des XII., XIII., XIV. und
seltener des XV. Jahrh. sich finden und zwar
ungefähr in der Fassung, welche Fleury4) als

2) Diese Vermuthung wird unterstützt durch meh-
rere Kürzungen, welche sonst sich im Buche nicht finden.
3) Märten e »De antiquis ecclesiae ritibus«.
Lib. IV. c. XVIII. n. XIX. XX. Bäum er »Geschichte
des Breviers« S. 330. 370. Liber diurnus ed. Ro-
ziere. p. 154.

) Etüde sur les manuscrits ä minialures de )a
bibliotheque de Laon. tom. II. p. 41—48. Die Verse
lauten in unserm I'salterium:

Jani prima dies et septima fine timetur.

Ast februi quarta est, precedit tercia finem.

die ältere bis in's XIV. Jahrh. reichende be-
zeichnet. Im Kalendarium sind verzeichnet die
Neumondzahlen des immerwährenden Kalen-
ders, es folgen die Sonntagsbuchstaben und die
römischen Bezeichnungen der Tage. Daran
reiht sich der christliche Festkalender. Von
den sieben Einschaltungen für die Schaltmonate
des neunzehnjährigen Mondcyklus sind nur zwei,
am 3. Januar und 2. Dezember, angegeben. Die
Lunarbuchstaben sind jedesmal mit b beginnend
und q schliefsend als literae postnotatae und
antenotatae beigefügt vom 18. Januar bis 12. Fe-
bruar, vom 22. März bis 25. April und vom
10. Mai bis 13. Juni.5) Die Lunarbuchstaben
der Ostertage, vom 22. März bis 25. April,
waren wichtig zur Berechnung des Osterfestes,6)
doch geriethen sie seit dem XI. Jahrh., seit
dem Aufkommen des immerwährenden Kalen-
ders, mehr in Vergessenheit. In den Ueber-
schriften zu den einzelnen Monaten wird in
unserm Kalender aufser den Tagen des Sommer-
monats auch die Zahl der Tage des Mond-
monats angegeben; neben einzelnen astronomi-
schen Angaben7) sind auch die Anfänge ein-
zelner Jahreszeiten notiert.8)

Martis prima necat cum suspide quarta est.
Aprilis deeimo est, undeno a fine minatur.
Tercius in majo lupus est, et septimus unguis.
Junius in deeimo est, quindenum a fine salutat.
Tredecimus julii deeimum innuit ante kalendas.
Augusti nepat prima, necat de fine seeunda.
Tercia septembris wulpis ferit a pede denam.
Tercius octobris gladius deeimum ordine nectit.
Quinta novembris acus: vix tercia mansit in urna
At duodena choors Septem inde decemque decembris.

Vgl. zur Literatur über die »versus Aegyptiaci
Corpus inscript. Latinar«. T. I. p. 334—866. Momm-
sen. Ueber den Chronographen vom Jahre 3ö4. (Ab-
hdlg. der Kgl. sächsischen Gesellsch. der Wissensch.
Philolog.-hist. Klasse I. 1850 S. 869). Dur an du 8
»Rationale divinor. offic«. L. VIII. De mense.

ä) Vgl. Rühl »Chronologie« S. 137.

°) Kühl S. 138. Piper »Die Kaiendarien und
Martyrologien der Angelsachsen«. S. 28 u. ff.

7) 4. Jan.: Fidicule ortus. 8. Jan.: Delfini vesper-
tinus occasus. 18. Okt.: Sol in scorpione. 17. Nov.:
Sol in sagittario. 18. Dec.: Sol in capricorno. 21. Dec.:
Solsticium.

8) 25. Mai: Estas oritur. 7. Nov.: Hyemis ini-
tium. 24. Nov.: Hyens oritur. Der Anfang des Som-
mers ist einer der im Mittelalter gewöhnlichen Termine
(Rühl, Chronologie, S. 48), dagegen wird der Anfang
des Winters gewöhnlich auf Clemens (23. Nov.) an-
gesetzt, (Rühl, S. 49), doch findet sich schon bei Isi-
dor von Sevilla (de rer. nat.) der 24. November no-
tirt. (Vgl. Piper »Karls des Grofsen Kalendarium
und Ostertafel», S. 89, Anm. 2).
 
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