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Zeitschrift für christliche Kunst — 13.1900

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Kolberg, Josef: Ein französisches Psalterium des XIV. Jahrh., [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.3912#0176

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261

1900. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 9.

202

Wenn in der Reihe der Heiügenfeste unsers
Kalendariums das Osterfest am 27. März, dem-
gemäfs Christi Himmelfahrt am 5. Mai und
Pfingsten am 15. Mai notirt ist, so darf man
doch aus diesen Terminen nicht eine Datirung
des Kalenders auf ein bestimmtes Jahr ver-
suchen, da bekanntlich im ganzen Mittelalter
die Meinung herrschte, die heiligen Ereignisse
wären thatsächlich an jenen Tagen geschehen.9)
Die beiden freien Seiten vor dem Kalendarium
sollten vielleicht dazu dienen, eine Ostertafel
aufzunehmen. Ihr Fehlen ist umsomehr zu
bedauern, weil wir dann einen ziemlich sicheren
Anhalt für die Entstehungszeit des Psalteriums
hätten, denn diese Ostertafeln, für den prak-
tischen Gebrauch bestimmt, hoben vielfach mit
dem Jahre an, da das Buch geschrieben wurde.10)
jetzt aber sind wir einzig auf den Charakter
der Schrift und den Stil der Miniaturen ange-
wiesen, aus denen sich immer nur annähernde
Schlüsse auf die Entstellungszeit des Werkes
machen lassen.

Beachtung verdient es nun, dafs unter den
Heiligen des Kalendariums eine aufserordent-
lich grofse Zahl der französischen Kirche an-
gehört, speziell werden in nicht geringer Zahl
solche Heilige genannt, welche in der Diöcese
Cambrai und Umgegend gewirkt haben. Wir
folgern daraus, dafs das Kalendarium ursprüng-
lich für die Diöcese Cambrai verfafst wurde.

Das Kalendarium enthält abgesehen von den
Festen des Herrn, Maria und der Apostel, wenn
wir recht gezählt haben, 269 Namen von Hei-
ligen. Unter diesen gehören 77 Fiankreich an,
25 von ihnen haben in Cambrai und nächster
Umgegend gewirkt. Freilich genossen einzelne
dieser französischen Heiligen und naturgemäfs
gerade die älteren auch aufserhalb Frankreichs
hohe Verehrung, und Namen wie Hilarius von
Poitiers oder der hochgefeierte Martin von
Tours dürfen nicht als Beweis für den franzö-
sischen Ursprung eines liturgischen Buches heran-
gezogen werden, wohl aber berechtigt zu einem

9) Tert. adv. Jud. c. 8. Augustin. de civil. Dei.
]. XVIII. c. 54. De trinil. I. IV. c. 5. Lib. de quaest.
83. qu. 56. Corp. Inscr. Lat. t. I. p. 335—57 (Ka-
lendarium des Polemius Silvius v. J. 448), Greg. Tur.
Mit. Franc."X. c. 31. Vgl. Mommsen »Pol. Silvii
Laterculus« (Abhdlg. der Kgl. sächs. Ges. der Wiss.
Bd. 3, S. 240 u. ff.)

,0) Piper »Karls des Grofsen Kalendarium und
Oslertafel.S. 9G.

solchen Schlüsse die grofse Zahl von franzö-
sischen und speziell Cambiaier Heiligen.

Diese französischen Heiligen sind, nach Jahr-
hunderten geordnet, folgende:

L, II. und III. saec: 1. Dionysius, erster
Bischof von Paris. 2., 3., 4. Fuscianus, Gen-
tianus, Victorinus, Gefährten des hl. Dionys,
wirkten und starben als Märtyrer in Therouenne.
. 5. Lucian, nach alter gallischer Tradition eben-
falls Zeitgenosse des hl. Dionys, Apostel der
Gegend von Beauvais. 6. Symphorian, Mär-
tyrer in Autun unter Marc Aurel. 7. Saturnin,
erster Bischof von Toulouse, f 250. 8. 9. Cri-
spin und Crispinian, Märtyrer in Soissons unter
Diocletian. Soissoner Manuscripte wissen von
einer Translation ihrer Gebeine von Soissons
nach Mons im Hennegau zu erzählen. 10. 11.
Timotheus und Apollinaris, Märtyrer in Reims.
12. Quintintis, in Amiens, Vermandois, 4- unter
Diocletian. 13. Firminus, erster Bischof von
Amiens. Unser Kalendarium feiert aufser seinem
Todestag (25. Sept.) auch seine inventio (11. Jan.)
als Fest mit 9 Lektionen. Auf dem Reliquien-
schreine, in welchem des Heiligen Gebeine im
XII. Jahrh. zu Amiens unter Bischof Theobald
beigesetzt wurden, wurden die Bewohner von
Beauvais, Noyon, Therouane und Cambrai be-
sonders als solche genannt, welche bei der
inventio der Reliquien im XII. Jahrh. ihre
Opfergaben dem Heiligen dargebracht hatten.
14. 15. Valerius und Rufinus, f ca. 287 bei
Soissons.

IV.: IG. Hilarius. 17. Martinus. 18. Cas-
sian, Bischof von Autun, f ca. 350. 840 wurde
der Leib des Heiligen unter Bischof Moduin
von Autun nach St. Quentin übertragen und
passirte Laon, 845 wurde sein Leib in der
Basilika von St. Quentin neben dem hl. Quin-
tinus feierlich beigesetzt. 19. Brictius, Bischof
von Tours. 20. Evorcius, Bischof von Orleans.
21. Caprasius, Märtyrer in Agen. 22. Fides
ebendaselbst.

V.: 23. Maximus, Bischof von Riez. 24. Ger-
manus, Bischof von Auxerre. 25. Severin, Bi-
schof von Bordeaux. 26. Anianus, Bischof von
Orleans. 27. Nicasius, Bischof von Reims, im
Dom daselbst begraben; sein Haupt kam nach
St. Vaast in Arras.11)

VI.: 28. Genovefa, Patronin von Paris. 29.
Remigius, Bischof von Reims. Das Kalenda-

)Rayssius »Ilierogazophylncium lielgiruni..
pag. 526.
 
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