Zeitschrift für christliche Kunst (13.1900)

Abhandlungen.

Ein französisches Psalterium des
XIV. Jahrh.

Mit 4 Abbildungen.

II. (Schlufs.)

entsprechend erscheinen in
unserm Kalendarium sämmt-
liche Feste der Apostel als
Feste höheren Ranges,
auch Johannes ante por-
tam Latinam und Petrus
ad vineula, und die
commemoratio S. Pauli
wird mit 9 Lectionen
gefeiert; den Evangeli-
sten Marcus und Lucas reiht sich Barnabas an,
selbst die translatio S. Thomae (3. Juli), welche
sich in fast allen Martyrologien findet und von der
morgen- und abendländischen Kirche gleich-
mäfsig gefeiert wurde,27) ist im Kalendarium
mit rother Farbe eingetragen. Von den Kirchen-
vätern vermissen wir nur Ambrosius, dessen
despositio am 4. April nur mit ■'! Lektionen
gefeiert wird,-8) aber seine ordinatio am 7. De-
zember fehlt, wie meistens in den mittelalter-
liehen Kaiendarien, ganz, und es ist hier nur
die Octav von Andreas verzeichnet.

Machte nun schon die grofse Zahl von
Heiligen, welche der Diöcese Cambrai ange-
hört, die Herkunft des Psalteriums aus jener
Diöcese wahrscheinlich, so darf als weiteres
Moment, welches eine solche Annahme recht-
fertigt, die hohe Verehrung, welche die Hei-
ligen Gaugerich und Aubert im Kalendarium
gemessen, angeführt werden. Gaugerich hat

-7) Act. SS. ad III. Julii. p. tio'2. Nilles »Ka-
lendarium Manuale ulriusque ecclesiae Orientalis et
occideulalis«, I. p. Ü86, cf. Marlene et Durand 1 he-
saurus novus aneedotor. t. III. p. 15112: Fragmen-
tum veteris calendarii ex. ms. Corbejensi, daselbst
p. 1590: Anliquum Calendarium Corbeiense. p. 1607,
1008: Anliquum Calendarium ex ms. Lyrensis mona-
stcrii.

28) Vgl. »I''ragnientuin veteris calendarii ex. ms.
Corbeiensi et Anliquum Calendarium Corbejense ex.
Ms. Codico Corbejensi bei Martene & Durand. The-
raurus novus aneedotorum. tom. III. p. 1592, 1696
und Anliquum Calendarium ex. Ms. Lyrensis mona-
sterii daselbst, p. 1007, 1608.

zwei Feste, seinen Todestag am 1 I. August
mit Octav und seine elevatio am 18. November;
Aubert hat seinen Todestag am 18. Dezember
elevatio am 24 Januar, beide als festa fori
der Todestag geht dem Feste der hl. Lucia vor.
Versuchen wir dann festzustellen, welch'
einer religiösen Genossenschaft das Psalterium
in Cambrai angehört haben dürfte, so spricht
für seinen Gebrauch in einer religiösen Ge-
nossenschaft überhaupt der der Allerheiligen-
litanei beigefügte Versikel Memor esto con-
gregationis tue, vielleicht auch der der Bitte
für die Könige (Domine, salvos fac reges)
folgende Vers Salvum fac servum tuum, unter
welchem servus dann der Vorsteher der Ge-
nossenschaft zu verstehen wäre. Jedenfalls ist
dann aber diese Congregation keine Benedic-
tinercongregation gewesen. Allerdings wird
das Fest des hochberühmten Ordensstifters am
21. März als festum solemne mit fl Lectionen
gefeiert, und der 11. Juli verzeichnet die trans-
latio S. Benedicti, aber damit ist Benedict ab-
gefunden. Aufserdem würde ein Kalendarium
des Benedictinerofficiums nothwendig 12 resp.
4 Lektionen verzeichnen müssen, welche bei
uns gänzlich fehlen. Aehnlielies wie von den
Benedictinern gilt von den neu gegründeten
(Irden der Franziskaner und Dominikaner.
Den Stifter des Predigerordens kennt das Ka-
lendarium nicht einmal; Franziskus ist zwar
verzeichnet, aber ohne jede Auszeichnung.
Ebenso wenig ist an Cistercienser und Prae-
monstratenser zu denken: man liest nichts von
St. Bernhard oder St. Norbert, nichts von an-
dern Heiligen dieser Orden, und das ist umso
auffallender, da der Schauplatz der Thätig-
keit dieser Heiligen von dem vermeintlichen
Entstehungsorte unsers Psalteriums nicht fern-
liegt. Bernard hat auch in Cambrai eine reiche
Thätigkeit entfaltet. Er gründete dort die Ab-
tei Vaucelle mit 12 < hdensbrüdern, nach 20
Jahren zählte das Kloster schon 21(1 Mönche-
Sein Aufenthalt in Cambrai und Yaleneienncs
wurde durch Wunder verherrlicht, enge be-
freundet war er mit den Bischöfen Nicolaus
von Chievres von Cambrai und Alvise von
Arras. Mehr als zwanzig Klöster seiner Regel