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Zeitschrift für christliche Kunst — 13.1900

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Berlage, Karl: Der Reginenschrein im Domschatze zu Osnabrück
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https://doi.org/10.11588/diglit.3912#0212

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Abhandlungen.

Der Reeinenschrein im Üomschatze
■/.u Osnabrück

(Mit 2 Abbildungen.)
I.
u den bemerkenswerthesten Stücken
des Domschatzes in Osnabrück
darf wohl der Reginenschrein ge-
zählt werden. Derselbe hat eine
Breite im Rumpf von circa 50 cm, eine Länge
von 1,25 m, eine Höhe von 90 cm Der eichene
Holzkern des Schreines ist mit theilweise ver-
goldetem Silberblech bekleidet.

Die Form des Schreines ist die einer drei-
schiffigen Kirche, deren Seitenschiffe durch
offene, arkadenartige Seitenstellung angedeutet
werden, bestehend aus sieben auf einfachen
schlanken Säulchen ruhenden Bogen. Diese
Säulchen sind rund und glatt, die Kapitale
und Basen Sseitig, ohne Verzierung. Von den
Bogen sind je 3 gleich gross, während der mitt-
lere, etwas breitere eine Nasenfüllung zeigt.

Die Bogenzwickel sind reich mit Steinen
besetzt. Unter den Bogen haben ehemals Fi-
guren gestanden, welche, wie wir später sehen
werden, zur Zeit des dreißigjährigen Krieges
leider dem Schreine- entfremdet wurden.

Das untere Dach über den Arkaden ist
mit halbkreisförmigen Schuppen aus Silberblech
bedeckt, ohne irgend welche Unterbrechung.
Das Hauptdach ist in sieben Felder, den Bogen
der Arkaden entsprechend, getheilt, aufweichen
unter Spitzbogen ebenfalls früher je sieben Fi-
guren angebracht waren. Die Bogen aber auf
dem Hauptdache haben keine Hauptsäulchen,
sondern einfache Profilirung.

Während die Arkadenbogen und die Bo-
gen auf dem Hauptdache etwas gedrückt an
die Uebergangszeit erinnernd erscheinen, wird
man versucht, den Kamm, die Giebelsverzie-
rung der Breitseite und die Knäufe (Rüben-
blatt) einer etwas späteren Zeit zuzuschreiben.

Die hintere Breitseite ist im Giebelfeld mit
theilweise kolossalen Steinen von 7 cm Durch-
messer, die wie die übrigen Steine am Schrein
theils aus Bergkn stallen und Glasflüssen, ab

und zu mit farbiger Unterlage, theils aus Halb-
edelsteinen bestehen. Auf dieser Hinterseite,
welche jetzt mit Silberblech bekleidet ist, wird
eine Kreuzigungsgruppe, wie unschwer zu er-
kennen ist, angebracht gewesen sein.

Die vordere Seite (vergl. Fig. 1) wird ge-
bildet aus zwei Flügelthüren mit gothischen
Wimpergen. Diese sind oben geziert mit dreifsig
Steinen verschiedenster Farbe, unten, wo sie
jetzt mit quadratisch eingetheiltem, gepresstem
Linienomament versehen sind, mochten sich
ebenfalls Figuren befinden. Oeffnet man die
Flügel, so hat man ein reiches Mafswerk vor
sich in Form eines schön gegliederten, vier-
theiligen Fensters.

Der Fufs des Schreines ist mit eingepresstem,
vergoldetem Linienornament und die Abschrä-
gung gegen den Rumpf hin mit einem Orna-
ment aus einer Weinranke mit Blatt und kleiner
Traube, die uns etwas romanisch gehalten er-
st keinen, geschmückt. An den 4 Ecken des
Schreines befinden sich schlichte, architektoni-
sche Strebepfeiler.

Nicht unerwähnt darf bei dem Reginen-
schrein ein Schmuck bleiben, welchen wir für
besonders bemerkenswert!! erachten. Die eine,
jetzt leider der Wand zugekehrte Langseite
derselben (vergl. Fig. 2) hat auf der Dachfläche
drei Gemmen, welche den sog. Alsen-Gemmen
im Neuen Museum in Berlin, und den Gem-
men im Besitz der Deutschen Gesellschaft zur
Erforschung der vaterländischen Sprache und
Alterthümerin Leipzigund den beiden Gemmen
im Nordischen Museum zu Kopenhagen vollkom-
men ähnlich sind. Die gröfsere Gemme (2 cm
zu 2«wnai h der Schnittfläche) zeigt drei mensch-
liche Figuren von rohester Zeichnung, ganz
flach hineingeschnitten. Die Figuren sind durch
einen langen, spitzen Kinnbart als männliche
gekennzeichnet Sie haben sich die Hände
gereicht und blicken nach einem Gegenstand,
der über ihnen schwebt und den Frhr. von
Ledebur bei den grösseren Berliner Gemmen
als Vögel bezeichnet. Die zweite Gemme ist
mehr oval (2 cm zu 1,8 tm) enthält .'! ganz
ähnliche Figuren ohne den Gegenstand über
 
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