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Zeitschrift für christliche Kunst — 13.1900

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Berlage, Karl: Der Reginenschrein im Domschatze zu Osnabrück
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https://doi.org/10.11588/diglit.3912#0213

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323

1900. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 11.

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ihnen; die dritte (2,1 cm zu 1,5 cm) hat nur
2 Figuren, welche denen der Dresdener Gemme
sehr gleichen.

Was nun die nicht mehr vorhandenen
Figuren am Reginenschrein angeht, so erlitt
derselbe ein bedauernswerthes Schicksal im
XVII.Jahrh. In Folge der Belagerung der Stadt
Osnabrück nämlich im Jahre 1633 mufsten die
Provinzialstände an die schwedischen Heeres-
führer eine Kontribution von 60 000 Thaler
zahlen. Zur Aufbringung derselben wurde auch
eine beträchtliche Menge von kirchlichen Ge-
räthen und Kunstschätzen aus der Domkirche
und darunter auch »33 übergüldete, geschlagene
und erhobene Bilder von der Tomsae St. Re-
ginae« im Gewichte von 33 Pfund und 14 Loth
und im Metallwerthe von 458 Thalern 12 Seh.
verkauft. (Vorstellung des Domkapitels vom
Jahre 1720 add. 129). Von diesen 33 Bildern
haben sich, wie Lübke meint und wie auch
wohl wahrscheinlich ist, an beiden Langseiten
des Schreines je sieben, vielleicht einerseits
Christus und sechs Apostel und anderseits
Maria mit den übrigen Aposteln, unter den
Arkadenbogen befunden. Vierzehn Figuren
haben auf den beiden oberen Dachflächen in
den Bogen ihren Platz gehabt; die übrigen
fünf waren wahrscheinlich an den beiden Schmal-
seiten angebracht, und zwar, wie schon ange-
deutet, an der hinteren Schmalseite der ge-
kreuzigte Heiland mit Johannes und Maria.
Auf den Thürflügeln vorn sind vielleicht die
hl. Regina von Alesia und eine andere heilige
Figur, Hermagoras, angebracht gewesen. Bei
dieser Gelegenheit weisen wir auf den Re-
ginenschrein in der Kirche zu Rhvnern bei
Hamm hin. Dieser mit der Jahreszahl 1457 ver-
sehene, drei Fufs lange Schrein zeigt auf den
Feldern der Langseite die heiligen Apostel,
an der einen Schmalseite Christus mit der
Tiara und an der anderen die hl. Regina von
Alesia, in der Hand ein Kreuz, auf welchem
eine Taube mit Spruchzettel sitzt.

Die Anlage, wie die Ausführung des Re-
ginenschreines in Osnabrück weist auf die
Frühgothik hin. Damit stimmt auch die Ent-
stehungszeit des Schreines überein. Dafs dann
bei diesem frühgothischen Schreine Anklänge
der romanischen Zeit und aus der Uebergangs-
zeit sich vorfinden, darf um so weniger be-
fremden, als ja die kirchliche Kunst im Nor-
den und Westfalen einerseits etwas langsamer

voranging, anderseits mochte vielleicht der ver-
fertigende Künstler den Schrein mit seinem
Bestimmungsorte, dem Altarhause des Domes,
in Einklang bringen wollen.

Bevor wir jedoch die Entstehungszeit des
Reginenschreines geschichtlich feststellen und
dann auf die Regina, für welche er verfertigt
ist, einen Blick werfen, wollen wir gleich des
Kastens, der zum Schutze des Schreines diente
und der ebenfalls sehr bemerkenswerth ist, ge-
denken.

Der Reginenschrein war früher (jetzt steht
er auf einem kleinen Choraltare) von einem
hölzernen Kasten mit sehr schönem und stil-
gerechtem Eisenwerk umschlossen. Dieser
Kasten, 1,96 m lang, 1,8 m hoch und 70 cm
breit, hat die äufsere Form einer einschiffigen
Kirche; der Eisenbeschlag an demselben ahmt
unten Bogenstellungen an allen vier Seiten,
auf dem Dache eine quadratförmige Dachbe-
legung nach; am First laufen an beiden Seiten
Streifen mit Blattverzierung her. An den Sei-
ten beider Giebelfelder sind vergoldete Band-
streifen angebracht mit Inschrift in schönen
Majuskeln des XIV. Jahrh., die leider theil-
weise zerstört ist. Das noch Erhaltene lautet:
Xtm regina ne nos Ventura (mors? nox?)
deprimat exora cum mortis venerit hora. —

. . . e sentiiia mundi due nos saneta regina.

Es fragt sich nun: Läfst sich geschichtlich
feststellen, wann der Schrein der hl. Regina
verfertigt wurde? Unter den Reliquien der
Osnabrücker Kirche werden die Ueberreste
zweier Reginen erwähnt, der St. Regina virgo
et mat. von Alesia und der Regina ex soc.
undeeim virginum. Erstere wurden mit den
Körpern St. Procopii et St. Hermagorae nach
der Ueberlieferung, wie wir später ausführen
werden, von Karl dem Grofsen nach Osna-
brück gebracht, während die Reliquien der
hl. Regina von Köln 1343 oder 1347 von dem
Bischöfe Gottfried von Arnsberg für die Os-
nabrücker Kirche erworben sind. Die Gebeine
der hl. Regina von Alesia wurden nach langem
Verborgensein im Jahre 1312') wieder aufge-

') Erdwin Erdmann's »Chronik«:
Umb düsse Tidt sint Sunte Reginen translata linde
Hilligedomb in de Capsen tho Ossenbrugge im Dom
gesett, darvan:

Anno milleno trecenteno duodeno
Corpora translata sacra sunt hac ede locata
Hac in clausura sanetorum corpora plura
In simul hie leeta conservantur bene teeta.
 
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