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Zeitschrift für christliche Kunst — 13.1900

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Graeven, Hans: Ausstellung sacraler Kunstgegenstände in Bologna, Mai-Juni 1900
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https://doi.org/10.11588/diglit.3912#0223

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343

1900. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 11.

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testamentlicheii Szenen als Vorbild des Opfers Christi
betrachtete

Das älteste der ausgestellten geistlichen Gewänder
war das in Seide gestickte Pluviale desMuseo Civico, das
ehedem dem Kloster von S. Domenico gehört hat und
unter gothischen Bögen Darstellungen aus der Kind-
heit und Passion des Herrn enthält. Die Arbeit ist
im XIV. Jahrh. entstanden; die grofse Masse
der ausgestellten Altar- und Priestergewänder ent-
stammte erst dem XVII. und XVIII. Jahrh. und gab
eine vortreffliche Anschauung von dem Geschmack
dieser Epochen.

Zahlreicher als in der Paramenlensammlung waren
unter dem Metallgeräth Gegenstände höheren Alters.
Zwei vom Museo Civico ausgestellte Kreuze, aus
Goldblech geschnitten mit eingepunzten Ornamenten,
sind langobardischen Gräbern entnommen. Ebenfalls
Schöpfungen langobardischer Künstler waren ein Kreuz
aus Messing mit Halbedelsteinen besetzt, das im Be-
sitz des Herrn Costa di Azzola ist, und die bekannte
Tafel eines Elfenbeindiptychons aus dem Museo Ci-
vico, deren Relief in drei Abtheilungen die Verkün-
digung, Heimsuchung, Geburt Christi und Verkün-
digung an die Hirten zeigt. ') Das dem Elfenbein
verwandte Material, skulptirter Knochen, diente zwei
Reliquiaren der Kirche S. Petronio zur Bekleidung,
die die Form achteckiger Kästchen haben. Die acht
Reliefs des einen führen die Geschichte der keuschen
Susanne vor, die des anderen bieten Szenen aus der
Jasonsage, am Deckel darüber sind die sieben Tu-
genden gebildet, am Deckel des ersten Kastens sind
fliegende Putten angebracht. Die beiden Werke sind
aus der Werkstatt derEmbriachi hervorgegangen,s) die
zwischen 1450 und 1550 in Venedig blühte und
hauptsächlich für Profanzwecke arbeitete; die Sujets
der Bologneser Keliquiare lassen erkennen, dafs auch
sie ursprünglich nicht zu sacralem Dienst bestimmt
gewesen sind, aber die Kirche hat sie wie so manche
Profangeräthe anstandslos übernommen, ohne sie erst
umzumodeln.

Eine eigenartige Umgestaltung wies eine aus
S. Francesco stammende jetzt im Museo di S. Petronio
aufbewahrte Monstranz auf, bestehend aus einem hohen
gothischen Fufse und einer kleinen emailhrten Hoslien-
büchse, die in Limoges im XIII. Jahrh. entstanden
ist. In den Untertheil der Büchse war ein durch-
sichtiger Cylinder gefügt und auf diesen der alte
Buchsendeckel als Dach gestülpt. Die jüngere Tech-
nik der Limoger Fabriken, das Maleremail, war durch
das prächtige grofse Triptychon de> Museo Ctvico
vertreten, auf dem in fünf Bildern das Leben Johannes
des Täufers geschildert ist Translucide italienische
Emails trugen die beiden Meisterwerke des Bologneser
Goldschmieds Jacobus Rosetus, der für den Kopf des
hl. Petronius laut Inschrift im fahre 1380 und drei

4) Abb. Stuhlfauth, • Allchristliche Elfenbein-
plastik«, Tafel 111 und sonst.

b) Vgl. J. von Schlosser, „Die Werkstatt der
Umbruch) in Venedig": »Jahrb. derkunsthistor.Samml.
des allerhöchsten Kaiserhauses« XX (1899) p. 224,
Nr. 20 a, 20 b.

Jahre später für den Kopf des hl. Domenicus silberne
Reliquiare angefertigt hat. Bei beiden bildet ein
mannigfach gegliederter, sechseckiger Bau gothischen
Stils den eigentlichen Behälter, der einmal von der
Büste, einmal von der ganzen Figur des Heiligen
bekrönt ist. Als Träger der Behälter dienen Fufse,
die mit einer verschwenderischen Fülle von Freifiguren
und Reliefs verziert sind. Ungleich einfacher war ein
fast gleichaltriges Reliquiar, das mit Fug und Recht
von der Ausstellungskonimission zur Abbildung auf
den Plakaten ausgewählt war. Keines der ausgestellten
Kunstwerke war so stimmungsvoll wie das bescheidene
aus vergoldetem Kupfer gefertigte Reliquiar aus
S. Domenico. Sein Behälter hat die Form eines
langgestreckten Kirchleins mit Satteldach und Dach-
reiter. Dieser Bau, dessen vier Wände aus Glas be-
stehen, wodurch derselbe leicht erscheint, wird getragen
von zwei wundervollen Engelgestalten, deren jeder mit
seiner freien Hand auf den Inhalt des Kästchens
hinweist.

Aufser den hier erwähnten 1 lauptstücken waren
fast vierhundert andere Melallgeräthe versammelt, deren
Forinenreichthum das Auge des Beschauers lange zu
fesseln vermochte. Den Freunden christlicher Kunst
wird es lieb sein zu erfahren, dafs der Photograph
Poppi in Bologna einige Hundert Aufnahmen in der
Ausstellung gemacht hat und deren Liste binnen
Kurzem veröffentlichen wird. So wird auch den-
jenigen, die Bologna zur Zeit der Ausstellung nicht
besuchen konnten, das Beste davon in Abbildung
alsbald zugänglich sein.

Hannover. Hans Graeven.

Die retrospektive Ausstellung im Petit-
1 Palais der Pariser Weltausstellung, über

welche die Hefte IV, V, VI, VII dieses Jahrg. ein-
gehende Mittheilungen gebracht haben, sollte in einem
Sc hl u fs - Artikel noch in Bezug auf ihre beiden reich-
sten Abtheilungen der Gold schmiedekunsl und
des Emails berücksichtigt werden. Verschiedene Um-
stände lassen es aber rathsam erscheinen, hierauf zu
verzichten. Gerade diese beiden Abtheilungen waren
auch auf der Ausstellung von lö89 in Paris am besten
vertreten und in dem Berichte dieser Zeitschrift (Bd. II,
Sp 129 ff. und 171 ff.) am umfänglichsten behandelt
worden; und wenn auch die Zahl der Objekte diesmal
erheblich gröfser war, als damals, die Glanzpunkte
bestanden mit wenigen Ausnahmen in denselben Gegen-
ständen, welche im Bereiche der Goldschmiedetechnik
zumeist der rumänischen und frühgothischen Periode
angehörten und den Kirchenschätzen entnommen
waren, als Grubenschmelze aus dem XII. und XIII
[ahrh. stammten, als Maleremails den Ateliers von Li-
moges entsprossen, allmählich den Weg in die vor-
nehmsten Privatsammlungen gefunden haben. — Wei
sich darüber näher unterrichten will, möge das grofse
' Lieferungswerk zur Hand nehmen, welches im Verlag
von Levy zu Paris unter dem Titel: »L'art frangais
depuis les origines jusqu'a 1900« erscheint.

Sch ii ii tg• n.
 
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