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Zeitschrift für christliche Kunst — 13.1900

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Wüscher-Becchi, Enrico: Die mittelalterlichen Wandgemälde in der Nordkapelle der Pfarrkirche zu Stein a. Rh.
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https://doi.org/10.11588/diglit.3912#0076

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Abhandlungen.

Die mittelalterlichen Wandgemälde in
der Nordkapelle der Pfarrkirche
zu Stein a. Rh.

•O

(Mit 2 Abbildungen.)

Cm Oberrliein, unweit von dem

| Ort, wo er den Untersee ver-

läfst, spiegelt sich in der krystall-

hellen Fluth das Städtchen Stein,

| die äufserste Grenzstadt der
z Schweiz am rechten Rheinufer;
'berühmt durch ihre vielen, noch
fast intakt gebliebenen Baulich-
keiten des Mittelalters, und ihre herrliche
Sammlung von Glasgemälden der besten Zeit.
Weit über die Grenzen hinaus ist sein, jetzt
in Privatbesitz befindliches „St. Georgenkloster"
bekannt, ein in seiner Art einzig dastehendes
Kunstdenkmal des späten Mittelalters. Die
Stadt ist überragt von der alten Burgfeste
„Hohenklingen," deren Herren die Schirmvögte
des Klosters waren. Die ehemalige Klosterkirche,
jetzt Pfarrkirche der protestantischen Gemeinde,
ist eine „auf's Empörendste restaurirte"
dreischilfige Basilika des XII. Jahrh., und war,
wie die Mutterkirche auf „Hohentwiel" (eine
Stiftung der Schwabenherzogin Hedwig) der
heiligen Jungfrau, St. Georg und St. Cyrillus
geweiht. Von ihren Wandmalereien und den
prächtigen Chorstühlen ist keine Spur mehr
übrig geblieben. Die Seitenkapellen des Chors,
profanirt, dienten und dienen zum Theil noch
zur Aufbewahrung von Heizmaterial, bezw. als
Keller und Rumpelkammer. Beide waren reich
mit Malereien ausgestattet, die aber übertüncht
wurden. Erst vor wenigen Jahren hielt der gegen-
wärtige Besitzer des Klosters, Prof. Ferd. Vetter,
daselbst NachforschungCii, und es gelang ihm
einen Theil der Malereien freizulegen. Die Er-
gebnisse hat er im „Anzeiger für schweizerische
Alterthumskunde (1886) 1. Heft" veröffentlicht.
Dabei blieb es aber. Im Jahre 1896 hatte ich
Gelegenheit, die Wandmalereien der nördlichen
Kapelle genauer zu studiren und den ganzen
Cyklus in seinem Zusammenhang aufzudecken.
Da die erste Untersuchung Tastversuch blieb, so
galt es, sämmtliche Wände von der Tünche zu

befreien, was nur mit grofser Mühe geschehen
konnte. Es gelang mir in der Hauptsache alles
noch Vorhandene, was nicht unter der Tünche
erstickt, mit ihr herabgefallen, oder durch Nässe
zerstört worden war, freizulegen und in seinem
Zusammenhang zu erkennen. Erst letztes Jahr,
nachdem die Kapelle in Privatbesitz und aus
diesem wieder an die Stadt Stein gelangt war,
konnte der Balkenboden, der den Raum in
einen obern und untern Theil trennte, entfernt wer-
den, und ich hatte dieGenugthuung selbst dieRe-
staurationsarbeit, die mir von dem dortigen histo-
risch-antiquarischen Verein übertragen worden
war, zu übernehmen und zu Ende zu führen.
Die Kapelle hat nur 736 cm Länge, 307 cm
Breite. Ihre Höhe hingegen beträgt stark 11 m.
Sie war mit dem vorliegenden Kirchenschiff durch
eine ungegliederte Spitzbogenthür, die seit dem
Glaubenswechsel vermauert ist, in Verbindung
gesetzt. Die Ostwand nimmt ein, innen rundes,
aufsen spitzbogiges, d reitheiliges Fenster mit spät-
gothischem Mafswerk ein. Die Nordwand hat
zwei Fenster, ein rundbogiges romanisches
und ein von einem Mittelpfosten getragenes,
mit zwei runden Nasenbögen ausgesetztes, spitz-
bogiges Fenster, das später zur Thüre erweitert
wurde und heute als Pforte dient statt der
früher von der Kirche aus zugänglichen.

An der Nordseite befindet sich zudem eine
viereckige Nische, von einem Bogen im Halb-
kreis überwölbt. Eine ähnliche, nur weit gröfsere
Nische weist die südliche, fensterlose Wand
auf. Sie hat die Länge eines ausgewachsenen
Mannes und ist mit einem gemauerten Stich-
bogen versehen. Wir werden sehen, zu was
sie diente. Die Decke war ursprünglich flach,
und ist so wieder hergestellt worden. Ueber
die Erbauung dieser nördlichen Chorkapelle
der St. Georgkirche ist nichts bekannt, es ist
sogar unentschieden, wem sie geweiht war.

Die Kapelle prangte einst im reichsten
Farbenschmuck; kein Theil derselben war un-
bemalt. Die Fenster waren gelb, mit rothen
Linien eingefafst und in den Bogenzwickeln
mit rothaufgemalten und schwarz konturirten
Dreipafsmustern verziert. Die Fensterwände
zeigen in drei Farben eine Reihe schräggestellter
Vierecke, welche von gelben abwechslungsweise
 
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