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Zeitschrift für christliche Kunst — 13.1900

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Braun, Joseph: Die Albe des hl. Franziskus zu Assisi
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https://doi.org/10.11588/diglit.3912#0081

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107

1900. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 4.

10S

in seiner Länge der Breite der Mittelbahn.1)
Seine Höhe beträgt 0,33 m. Der Zierstreifen,
welcher sich auf Brust und Rücken vom
Kopfdurchlafs bis zum Randbesatz erstreckt,
hat eine Breite von 0,08 bezw. 0,15 m. Der
über die Schultern verlaufende Streifen ist eben-
falls 0,08 m breit; die Bordüre an der Aermel-
ausmündung hat eine ungefähre Breite von 0,07 m.

Die Muster der Besätze sind aus der Ab-
bildung genügend zu erkennen. Sie bestehen
überall aus verschiedenen geometrischen Ge-
bilden. Denn auch die paarweise zusammen-
gestellten Hirsche des vordem Vertikalstreifen
sind im Grund nur geometrische Figuren.

Nach den mir durch die deutschen Schwestern
zugegangenen Mittheilungen wären die Muster
unmittelbar in den Stoff der Albe eingestickt
und dabei die Zwischenräume zwischen den
Fäden des Fonds mit der Nadel erweitert
worden. Mons. Tini schreibt darüber: 11 mer-
letto e lavorato sulla stoffa stessa del camice;
e lavoro a sfilo. Hiernach wäre also ebenfalls
die Stickerei unmittelbar dem AlbenstofT einge-
arbeitet, sein canevasartiges Aussehen hätte der
Grund aber durch Ausziehen von Fäden, wie
es bei der sogen. Durchbruchsarbeit gebräuch-
lich ist, erhalten.

Nichtsdestoweniger glaube ich, dafs der
Stickgrund und der Stoff der Alben ganz ver-
schieden sind, und dafs die Zierstreifen nur den
Charakter von Einsätzen haben, zu denen als
Grund ein lockeres, kräftiges, canevasartiges
Leinen verwandt wurde. Ich habe die mir
übersandten Photographien mit starker Lupe
auf das genaueste geprüft. Ich konnte dabei
genügend deutlich die Einsatznähte gewahren.
Auch ergab die Untersuchung einen bedeutenden
Stärkeunterschied zwischen den Fäden des Alben-
stoffes und des Stickgrundes. Die erstem waren
nirgends, nicht einmal an den besten Stellen
der Photographie einzeln zu erkennen. Sie
müssen also wirklich äufserst fein gewesen sein.
Die letztern gaben sich dagegen recht deutlich
als ein kräftiges Garn kund; auf 8 cm zählte
ich nur ca. 55 Fäden.

Alle Stickereien sind, soweit die Photogra-
phien ein Urtheil darüber zulassen, im Gobelin-
stich ausgeführt. Bei den geometrischen Fi-
guren, welche die vier durch ein Bördchen

') Die Paruren der Aermel zogen sich in der Regel
nicht um den ganzen Aermelsaum, sondern waren nur
auf der oberen Hälfle desselben angebracht.

getrennte Felder der Parura des untern Randes
füllen, bestehen die einzelnen Linien aus drei
Stichreihen, bei den übrigen bald aus drei oder
zwei, bald, wenngleich seltener, nur aus einer.
Als Stickmaterial ist weifsleinenes Garn und,
wie vereinzelte Reste von röthlichen durch das
Alter gebleichten Seidenfäden beweisen, hier
und da auch etwas rothe Seide verwendet
wurden. Leider wurde mir nicht mitgetheilt,
in welcher Weise und in welchem Umfang
letztere verarbeitet worden ist. Die einzigen
gewebten Börtchen, welche sich an der Albe
finden, dienen zur Umrahmung und Trennung
der vier Abtheilungen, aus denen die Parura
am Saume des Gewandes besteht. Sie sind
aus farbiger Seide gemacht und mit Goldfäden
durchschossen. Ihre Musterung weist dieselben
geometrischen Motive auf, welche uns auf der
Parura begegnen.

Auf die eigenartige Bildung des Kopfdurch-
lasses unserer Albe wurde schon gelegentlich
der Besprechung der Alben von Castel S. Elia
hingewiesen. Die Abbildung läfst klar die
lingua, Zunge, erkennen, mittelst deren der-
selbe nach Anlegung des Gewandes geschlossen
wurde.

Die Abbildung zeigt die Albe völlig aus-
gespannt. Wie sie sich ausnehmen würde, wenn
die Giren los herunterfielen, erhellt aus Abb. 2.
Dieselbe gibt eine Albe von dem gleichen
Schnitt wieder, welchen die Albe von S. Chiara
aufweist. Es ist eine der Alben aus Castel
S. Elia.2) Man beachte, wie der mittlere Theil
des Gewandes sich glatt hinunterzieht, während
zu beiden Seiten ein durch die eingesetzten
Giren gebildeter dichter Faltenwurf hinunter-
fliefst-

Nach der Ueberlieferung hätte die Albe dem
hl. Franziskus angehört, und zwar soll die
hl. Clara sie mit eigener Hand für denselben
verfertigt haben. Eine positive Bestätigung er-
hält die Tradition durch die Beschaffenheit der
Albe nicht. Denn die Eigenthümlichkeiten der-
selben sind keineswegs ausschliefslich für die
Alben des beginnenden XIII. Jahrh. charakte-
ristisch.

Der Schnitt des Gewandes stimmt gut zu
den Angaben, welche uns die Liturgiker des

2) In ausgebreitetem Zustande stellt eine Skizze
die Albe in dem Aufsatz ,,Der Paramentenschatz von
Castel S. Elia" Abb. VI d. (Jahrg. 1899 dieser
Zeitschr. S. 850) dar.
 
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