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1900. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 4.
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die Sänger der Passion am Charfreitag albae
paratae.6) Ich weifs nicht, wie es kam, dafs
man, trotzdem man sich sonst für die
mittelalterlichen Paramente erwärmte und sie
zum Vorbild nahm, an der ehemals üblichen
Ausstattungsweise der Albe achtlos vorüberging.
Steht etwa der Verwendung der Paruren ein
kirchliches Verbot entgegen? Nicht im ge-
ringsten. Ich kenne weder ein generelles noch
ein partikuläres Verbot dieser Art. Untersagt
wurde nur durch Dekret der Ritenkongregation
vom 18. August 1833, die Spitzen der Alben
und Superpelliceen mit rothem Zeug zu unter-
legen.7) Es wird gegenwärtig aber selbst das
an mafsgebender Stelle nicht
mehr als unzulässig be-
trachtet.8) Wenn ferner
ellenbreite Spitzen an der
Albe angebracht werden
können und selbst in Rom j
sehr gewöhnlich daran ange- >
bracht werden, wenn Roth-
und Buntstickerei bei Her-
stellung von Albenbordü-
ren gang und gäbe sind,
warum sollen dann nicht
an den Alben Paruren an-
gebracht werden dürfen.
Freilich kennt die jetzig-
römische Praxis keine Al-
benbesätze mehr, die sich /"■
hinsichtlich der Farbe nach •' 0
der Farbe des Festes oder £
Tages zu richten hätten.9]
Indessen sind dieselben
nicht sowohl contra als praeter rubricas, d. i.
dem römischen Brauch fremd, nicht gegen den-
selben. Jedenfalls ist nichts gegen Paruren zu
erinnern, wie sie der Albe des hl. Franziskus
eigen sind, noch auch gegen solche, welche
n) Nach freundlicher Miltheilung meines Ordens-
genossen Fr. J. Guim.
7) Mühlbauer, Decreta auth. I, 13; Suppl.
III, 20.
8) Ballerini-Palm ier i, Opus morale IV, 792.
9J Die Paruren pflegte man hinsichtlich der Farbe
sich nach der Tagesfarbe richten zu lassen. Man
wählte zu rothen Pnramenten daher eine Albe mit
rother Parura u. s. w. Doch bestand in dieser Be-
ziehung keine bindende Regel , namentlich nicht be-
züglich besserer Paruren. Ueberhaupt war man, was
die liturgischen Farben anlangt, im Mittelalter sehr
weitherzig.
nach Art der Albenbordüren in Roth-, Bunt-
oder Goldstickerei ausgeführt sind.
Uebrigens glaube ich nicht, dafs Rücksichten
auf vermeintliche Unzulässigkeit die Wieder-
aufnahme der Albenparuren verhindert haben.
Ich habe für eine derartige Annahme keinen
Anhalt. Was ist also der Grund .gewesen? Hat
man etwa die Paruren für unschön gehalten.
Möglich; denn noch jüngst sprach sich mir
gegenüber Jemand, dem ich sie für den Fall,
dafs er neue Alben anschaffe, empfohlen hatte,
in diesem Sinne aus. Die Paruren, meinte er,
sähen so unvollständig, so armselig, so unfertig
aus. Sie machten, sagte er, den Eindruck, als
ob man nichts rechtes habe
leisten können oder kein
Geld gehabt, um einen or-
dentlichen Besatz zu be-
schaffen.10) Allein beweisen
solche Anschauungen, gegen
die man fast ebenso ver-
^^^^^k gebens ankämpft, wie die
Götter gegen eine gewisse
Sache, nicht eine grofse Un-
kenntnifs der mittelalter-
lichen Monumente. Immer
und immer wieder bekun-
den ja die Sculpturen wie
die Malereien des XIII.,
XIV. undXV.Jahrh, welch
wirkungsvoller und schöner
Schmuck die Albenparuren
waren.
Zweifelsohne wären die-
^^^^^^^^^^^ selben auch nicht die
lange Zeit von 400 Jahren zur Verzierung der
Alben verwendet worden, wenn sie nicht in
Wahrheit eine Zier derselben gewesen wären und
zu deren Hebung wirklich beigetragen hätten.
Oder haben etwa unsere Ahnen, die so herrliche
Dome zu bauen und dieselben so gediegen
und prächtig auszuschmücken verstanden, und,
um von anderm abzusehen, auf dem Gebiete
der Paramentik wahre Meisterwerke in gröfster
Fülle schufen, nicht gewufst, was der Albe
rosianisclien Ritus.
10) Seitdem ich diese Zeilen schrieb, hatte Frl.
Neilessen zu Cornelimünster die Güte, mir eine mit
Paruren in prächtiger Rothstickerei verzierte Albe nach
den ihr von mir gegebenen Anweisungen zu veiferti-
gen. Es war mir interessant, wahrzunehmen, wie eben
derjenige, welcher die angeführten Bedenken geäufsert,
als er das Gewand zu Gesicht bekam, nunmehr mit
Paruren versehene Alben wirklich schön fand.
1900. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 4.
111
die Sänger der Passion am Charfreitag albae
paratae.6) Ich weifs nicht, wie es kam, dafs
man, trotzdem man sich sonst für die
mittelalterlichen Paramente erwärmte und sie
zum Vorbild nahm, an der ehemals üblichen
Ausstattungsweise der Albe achtlos vorüberging.
Steht etwa der Verwendung der Paruren ein
kirchliches Verbot entgegen? Nicht im ge-
ringsten. Ich kenne weder ein generelles noch
ein partikuläres Verbot dieser Art. Untersagt
wurde nur durch Dekret der Ritenkongregation
vom 18. August 1833, die Spitzen der Alben
und Superpelliceen mit rothem Zeug zu unter-
legen.7) Es wird gegenwärtig aber selbst das
an mafsgebender Stelle nicht
mehr als unzulässig be-
trachtet.8) Wenn ferner
ellenbreite Spitzen an der
Albe angebracht werden
können und selbst in Rom j
sehr gewöhnlich daran ange- >
bracht werden, wenn Roth-
und Buntstickerei bei Her-
stellung von Albenbordü-
ren gang und gäbe sind,
warum sollen dann nicht
an den Alben Paruren an-
gebracht werden dürfen.
Freilich kennt die jetzig-
römische Praxis keine Al-
benbesätze mehr, die sich /"■
hinsichtlich der Farbe nach •' 0
der Farbe des Festes oder £
Tages zu richten hätten.9]
Indessen sind dieselben
nicht sowohl contra als praeter rubricas, d. i.
dem römischen Brauch fremd, nicht gegen den-
selben. Jedenfalls ist nichts gegen Paruren zu
erinnern, wie sie der Albe des hl. Franziskus
eigen sind, noch auch gegen solche, welche
n) Nach freundlicher Miltheilung meines Ordens-
genossen Fr. J. Guim.
7) Mühlbauer, Decreta auth. I, 13; Suppl.
III, 20.
8) Ballerini-Palm ier i, Opus morale IV, 792.
9J Die Paruren pflegte man hinsichtlich der Farbe
sich nach der Tagesfarbe richten zu lassen. Man
wählte zu rothen Pnramenten daher eine Albe mit
rother Parura u. s. w. Doch bestand in dieser Be-
ziehung keine bindende Regel , namentlich nicht be-
züglich besserer Paruren. Ueberhaupt war man, was
die liturgischen Farben anlangt, im Mittelalter sehr
weitherzig.
nach Art der Albenbordüren in Roth-, Bunt-
oder Goldstickerei ausgeführt sind.
Uebrigens glaube ich nicht, dafs Rücksichten
auf vermeintliche Unzulässigkeit die Wieder-
aufnahme der Albenparuren verhindert haben.
Ich habe für eine derartige Annahme keinen
Anhalt. Was ist also der Grund .gewesen? Hat
man etwa die Paruren für unschön gehalten.
Möglich; denn noch jüngst sprach sich mir
gegenüber Jemand, dem ich sie für den Fall,
dafs er neue Alben anschaffe, empfohlen hatte,
in diesem Sinne aus. Die Paruren, meinte er,
sähen so unvollständig, so armselig, so unfertig
aus. Sie machten, sagte er, den Eindruck, als
ob man nichts rechtes habe
leisten können oder kein
Geld gehabt, um einen or-
dentlichen Besatz zu be-
schaffen.10) Allein beweisen
solche Anschauungen, gegen
die man fast ebenso ver-
^^^^^k gebens ankämpft, wie die
Götter gegen eine gewisse
Sache, nicht eine grofse Un-
kenntnifs der mittelalter-
lichen Monumente. Immer
und immer wieder bekun-
den ja die Sculpturen wie
die Malereien des XIII.,
XIV. undXV.Jahrh, welch
wirkungsvoller und schöner
Schmuck die Albenparuren
waren.
Zweifelsohne wären die-
^^^^^^^^^^^ selben auch nicht die
lange Zeit von 400 Jahren zur Verzierung der
Alben verwendet worden, wenn sie nicht in
Wahrheit eine Zier derselben gewesen wären und
zu deren Hebung wirklich beigetragen hätten.
Oder haben etwa unsere Ahnen, die so herrliche
Dome zu bauen und dieselben so gediegen
und prächtig auszuschmücken verstanden, und,
um von anderm abzusehen, auf dem Gebiete
der Paramentik wahre Meisterwerke in gröfster
Fülle schufen, nicht gewufst, was der Albe
rosianisclien Ritus.
10) Seitdem ich diese Zeilen schrieb, hatte Frl.
Neilessen zu Cornelimünster die Güte, mir eine mit
Paruren in prächtiger Rothstickerei verzierte Albe nach
den ihr von mir gegebenen Anweisungen zu veiferti-
gen. Es war mir interessant, wahrzunehmen, wie eben
derjenige, welcher die angeführten Bedenken geäufsert,
als er das Gewand zu Gesicht bekam, nunmehr mit
Paruren versehene Alben wirklich schön fand.