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Zeitschrift für christliche Kunst — 13.1900

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Schubring, Paul: Bischofsstühle und Ambonen in Apulien
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https://doi.org/10.11588/diglit.3912#0137

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1900. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 7.

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Schmuck inschriftlich 14351) ausgeführt wor-
den ist, erreicht diese Portalbildnerei den
Endpunkt ihrer breiten Entwicklung. Ihr
Höhepunkt, der durch den Schmuck der
Obertheile des Domes von Bari (der sogen.
Chiesa madre) repräsentirt wird, fällt in den
Beginn des XIII. Jahrh.2) Begonnen aber hat
sie schon im XI. Jahrh.

Die künstlerische Ausschmückung des In-
nern, der wir uns nun im Besonderen zuwen-
den, hat sich im wesentlichen an drei Objekten
entwickeln können, die immer wieder verlangt
und immer neu gebildet wurden, dem Paviment,
der Cathedra und den Ambonen. Ueber
das Mosaik der Fufsböden nur wenige Worte.
Jede gi öfsere Cathedrale hielt diesen Schmuck
für selbstverständlich; ein wundervolles Bei-
spiel von seltener Erhaltung, im Dom von Otranto,
zeigt uns, was wir verloren haben. Einzelne
Reste in Brindisi, Bari, Trani etc. belegen die
allgemeine Verbreitung dieser Art des Boden-
schmuckes. Im Norden beginnt bekanntlich
Bernhard vonClairveaux den Kampf gegen diese
menschlichen Fufstritte ausgesetzten Heiligen-
bilder;3) der Süden hat, von solchen Skru-
peln nicht beengt, noch im XV. Jahrh. in Siena
seine ganze Kraft diesem opus vermiculatum
gewidmet.

Die Cathedra und der Ambo stehen
von jeher in engster Beziehung. In der alten
Kirche predigt der Bischof ex cathedra, die er-
höht im erhöhten Chor, hinten im Scheitel der

') Schulz (»Denkmäler der Kunst des Mittelalters
in Unteritalien« I p 78) gibt als Zahl li'35 an; Molhes
u. a. sind ihm darin gefolgt. Bei näherer Prüfung
ergiebt sich jedoch, dafs zwischen dem M und dem
ersten C dieser enggeschriebenen Zahl ein Zwischen-
raum bleibt und hier der Stein beschädigt ist. Es
mufs hier ein erstes C ausgefallen sein, sodass die
Zahl 1435 herauskommt.

') Vergl. Über den Dom von Bari und seine durch
zwei Jahrhunderte sich hinziehende Baugeschichte die sehr
exakte Monographie von P. Fantasia: »II duomo di
Bari im Annuario del r. istituto tecnico e nautico di
Bari« vol. IX, (anno 1890) p. 7 ff. Fantasia setzt mit
Recht den Schmuck des Obertheils der Fagade und der
Kuppel ins XIII. Jahrh., während Schulz 1. c. T. 21 ff.
der Unterschied der einzelnen Theile entgangen ist.

3) Cf. ep. ad Wilhelmum Abb. (üpp. I 544): At
quid saltem sanctorum imagines non venerentur, qui-
bus utique hoc ipsum, quod pedibus conculcatur, nitet
pavimentum; saepe spuitur in os angeli, saepe alicuius
sanctorum facies calcibus tunditur transeuutium. Et si
non sacris imaginibus, cur vel non parcitur pulchris
coloribus? Cur decoras, quod mox foedandum est?
Cur depingis, quod necesse est conculcati"-

Apsis steht. Früh traten dann daneben beweg-
liche Kanzeln auf, die im Gebrauchsfall bis vorn
an die cancelli geschoben wurden ; auch die mo-
bile „sella gestatoria" fehlte nicht, wie der elfen-
bcingeschmückte Stuhl des Maximian in Ravenna
zeigt. Später wurden die Kanzeln fest an der
Vorder- oder Seitenwand des Presbyteriunis
angebracht, sodafs sie einen Theil der cancelli
ausmachten. Ein nördlicher Ambo diente dem
Verlesen des Evangeliums, ein südlicher dem
der Epistel, sowie für die Homilie und Predigt.
Eine doppelte Treppe, der gradus ascensionis
et descensionis führte zu dem Mitteltheil, der
in der Regel eine ausgebauchte Brüstung trug.
Schon zu Augustins Zeit wurde propter cora-
moditatemdeponendae vocis« (Senn. 122) aufser
diesen Chi trambonen ein besonderes pulpitum
in die Mitte der Kirche, meist an einen mitt-
leren Pfeiler gerückt, wie das ja bei einiger
Entwicklung des Langschiffes nicht zu umgehen
war, zumal da der Bischofsstuhl seit der Ent-
wicklung des Altartisches zum Tabernakel und
Ciborium seinen Charakter als Rednerbühne
eingebülst hatte. Die strenge Scheidung zwi-
schen Priesterhaus und Gemeindehaus war da-
mit aufgegeben.

In Apulien hält sich der strenge Ab-
schlufs des Presbyteriums länger als anderswo.
Diesem Konservatismus verdanken wir eine
Reihe alter Bischofsstühle. In Canosa ist
die sella inschriftlich unter Bischof Urso (1078
bis 89) verfertigt worden.4) Der hochgelegene
Chor der alten von fünf Kuppeln eingedeckten
Cathedrale San Sabino ist vom Langschiff durch
die tiefe, weitgeöffnete Confessio getrennt, die
zu dem Grab des Heiligen führt Bei einer
solchen Anlage war der hohe Chor der ge-
gebene Standort des Redners.

Der mächtige, auf Elephanten ruhende Stein-
sessel drückt in seiner massiven Schwere das
Herrscherbewufstsein aus, das sein Besteller
als gleichzeitiger Bischof von Canosa und Bari
auch in anderen Zeugnissen bekundet. Der
Sockel5) ist vom mit dem Kreuz und stilisirtcni
Blattwerk, seitlich mit Greifen geschmückt
Der viereckige Sitz trägt vorn eine mit zwei

4) Abbildung bei Schulz und de 1,uy n es, ferner
bei Kutschmann: Meisterwerke saracouisch-normaii-
nischer Kunst in Sicilien und Unteritalien. Herlin 1900.
Phot. Moscioni 5508.

h) Ich verweise ftlr alle Einzelheiten auf Schulz,
dessen treffliches Werk noch immer den besten An-
halt gibt, auch in Bezug auf die Abbildungen.
 
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